Süddeutsche Zeitung

Corona-Beschränkungen:Wie es für den Sport in Bayern weitergeht

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Das spielt in der Gesellschaft und für die Gesundheit eine wichtige Rolle - das weiß auch Innenminister Herrmann. Doch er dämpft die Hoffnung darauf, dass alle Vereine bald wieder richtig loslegen können.

Von Johann Osel, München

Eine "extra sportliche Frisur" hat Klaus Adelt, der SPD-Abgeordnete war wohl beim Friseur. Dies wird am Mittwoch im Innen- und Sportausschuss des Landtags prompt vom Vorsitzenden Martin Runge bemerkt, doch die Kollegen mit Mähnen und Strähnen dürften ebenfalls ihre Fragen stellen an den geladenen Minister Joachim Herrmann (CSU).

Und das tun sie zuhauf: Eben Adelt sorgt sich ums Schwimmen und die kommunalen Bäder, der Grüne Runge definiert die Vereinsjugend als "klassische Jugendsozialarbeit". Von Alexander Muthmann (FDP) kommt die Frage, was Kinder davon hätten, wenn bald Golf und Tennis erlaubt seien. Richard Graupner (AfD) sagt, dass Fußballprofis kicken und Amateure nicht, das lasse das Vertrauen in die Corona-Politik "bröckeln". Ob die Kneipp-Damen mit ihrem Nordic Walking (Wolfgang Hauber, Freie Wähler) oder Fitnessstudios mit Hygienekonzepten (Max Gibis von der CSU) - einen Rundumschlag bietet der Ausschuss. Samt eigenen Erfahrungen und Rückmeldungen von Bürgern.

Das Sportland Bayern steht quasi in den Startlöchern - nur der Schuss zum Losrennen fehlt. Herrmann will da erst mal nicht nachstehen mit seinem Bericht. "Wir brauchen den Sport", sagt er. Es gehe um mehr als einen "Spaßfaktor" wie in anderen Freizeitbereichen, in der Abwägung seien die gesellschaftliche Rolle der Vereine und die Gesundheit zu berücksichtigen - so habe jemand, der fit ist, vielleicht nicht die Garantie, eine Corona-Infektion gut zu überstehen, zumindest aber bessere Chancen.

Eine Arbeitsgruppe seines Hauses mit anderen Ministerien und Verbänden sowie eine weitere mit den Kollegen der anderen Bundesländern gebe es, außerdem Stufenpläne in der Schublade. Doch, räumt Herrmann ein: "Spekulationen" - die Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin (MPK), die später am Tag angesetzt ist, sowie deren Umsetzung im Kabinett am Donnerstag würden Details regeln.

Aber ganz ohne Aussichten ist der Minister nicht in den Ausschuss gekommen. Einen vorsichtigen Wiedereinstieg - "Schritt für Schritt" - in den Breitensport kündigt er an. Vorstellbar sei, dass zuerst kontaktfreie Sportarten wie eben Golf oder Tennis an der frischen Luft ausgeübt werden dürfen. "Das ist deutlich zu unterscheiden von einer Mannschaftssportart in einer geschlossenen Halle." Auch seien Spielräume für Lockerungen entsprechend der regionalen Inzidenzwerte denkbar. Im weiteren Vorgehen sei die Impfung für Übungsleiter ratsam. Und in den nächsten Monaten müsse auch Schwimmsport möglich sein; der Anteil der Kinder, die gar nicht schwimmen können, steige ohnehin seit Jahren.

Vereine in Nöten: Geldprobleme

Der TV 1868 Burghausen hatte vor der Corona-Krise 2300 Mitglieder. Einen so großen Sportverein zu verwalten, gehe nur mit einer hauptamtlich geführten Geschäftsstelle, sagt der Vorsitzende Norbert Stranzinger. Normalerweise zähle man jährlich 300 bis 400 Ein- und Austritte. Im Vorjahr sind 450 Mitglieder ausgetreten, doch es gab nur drei Eintritte. Obwohl der Landessportverband seine Zuschüsse erhöht hat, seien die Einbußen nicht zu kompensieren, sagt Stranzinger. Die Kosten liefen ja weiter: Geschäftsstelle, Turnhallenreparaturen, Hausmeister. Für Landvereine sei das Überleben schwieriger als für einen Verein in der Sportstadt Burghausen. Nicht jede Kommune sei bereit, die Sportvereine so stark zu unterstützen. Stranzinger macht sich berechtigte Sorgen um die Zukunft des Vereinssports. "Keiner weiß, welche Aktiven und Trainer nach der Corona-Pause überhaupt in den Sportbetrieb zurückkehren?"

Zusammenhalt

Im südlichen Fichtelgebirge, in der Kleinstadt Goldkronach kümmert sich der Obst- und Gartenbauverein vor allem um die Pflege der alten Obstbäume. Frieda Mader, die Vereinsvorsitzende erzählt, dass alle Aktionen des Vereins, wie zum Beispiel Baumschnittkurse, durch Corona ausfallen mussten. "Um die Mitglieder zusammenzuhalten, haben wir letzten Herbst dann Blumenzwiebeln versendet", sagt Mader. Manche der Frühblüher aus den Tütchen, wie Zierlauch, Narzissen oder Tulpen, hätten jetzt schon angefangen zu blühen, sagt Mader. "Wir haben 80 Mitglieder und durch Corona bisher noch niemanden verloren." In der Hoffnung darauf, dass bald wieder alles grünt und blüht, freut sich Mader auf das neue Jahr und wünscht sich, dass der Verein, der 1922 gegründet wurde, im nächsten Jahr sein Jubiläum feiern kann.

Verzicht

Wenn mal was los ist in der weit auf Weiler und Gehöfte verstreuten 3400-Einwohner-Gemeinde Surberg im Landkreis Traunstein, dann veranstalten das meistens entweder die Feuerwehr, die Trachtler, die Sportler oder der Burschenverein, sagt Hermann Hunglinger. Er selber ist Vorsitzender des Burschenvereins, der heuer wohl schon wieder auf den Höhepunkt des Vereinsjahrs verzichten muss, nämlich das Maifest. Das ist vergangenes Jahr auch schon ausgefallen, so wie alles andere: die Feier zum 110-jährigen Vereinsbestehen, die Weihnachtsfeier und die Nachmittage mit Kaffee und Kuchen für die Senioren. Ausgetreten ist von den 350 Mitgliedern noch keines, sagt Hunglinger, "aber das Gefährliche ist halt, wenn sich nach Corona der normale Alltag wieder einstellt, ob dann noch Interesse da ist bei den Leuten".

Zuletzt hatte der Landes-Sportverband Druck gemacht und auch auf die Lage vieler Vereine verwiesen - angesichts von Austritten, wegbrechender Beiträge und fehlender Einkünfte durch Feste oder dergleichen. Der Freistaat will Hermann zufolge die finanzielle Zuwendung an Sport- und Schützenvereine über die sogenannte Vereinspauschale auch 2021 verdoppeln; wie bereits vergangenes Jahr geschehen. Katharina Schulze (Grüne) regt an, den Vereinen über Geld pro verlorenem Mitglied zu helfen. Herrmann sieht das nicht als zielführend, lobt aber Ideen, dass mancherorts die Beiträge reduziert wurden, "damit die Leute nicht davonrennen". Zudem gebe es noch weitere Förderinstrumente. Sein Tenor: Das Sportland könne sich auf den Freistaat verlassen - nicht jedoch auf ein verbindliches "Timetable" zur Öffnung.

Das sind Fragen, die das gesamte Vereinsleben in Bayern betreffen. Nur etwas mehr als ein Zehntel der gut 94 000 eingetragenen Vereine im Land widmet sich ja dem Sport. Über das Finanzministerium ist ein Hilfsprogramm für Vereine der Heimat- und Brauchtumspflege, einschließlich Fasching, ausgeschrieben. Die Ehrenamtsbeauftragte der Staatsregierung, Eva Gottstein (FW), appellierte kürzlich an die Bürger, trotz Stillstand bei den Aktivitäten ihren Vereinen die Treue zu halten - und bei Freunden oder Bekannten gar für den Eintritt in der schwierigen Zeit zu werben.

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Quelle:
SZ vom 04.03.2021
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