Nachtleben und Corona:Bayerische Städte erlassen strenge Auflagen

Hunderte Menschen: In lauen Nächten geht es auf dem Gärtnerplatz derzeit hoch her.

Auch am Gärtnerplatz in München treffen sich viele Nachtschwärmer.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Wegen der Pandemie gibt es immer mehr Partys auf öffentlichen Plätzen. Anwohner fühlen sich durch Lärm und Müll gestört.

Von Florian Fuchs, Matthias Köpf und Christian Sebald, Augsburg/München

Der Herkulesbrunnen in der Augsburger Maximilianstraße gibt eine prächtige Kulisse ab, in lauen Sommernächten treffen sich die Leute dort gerne. In Zeiten von Corona, in denen Bars und Diskotheken geschlossen haben, nimmt dies allerdings überhand: Gegen 23 Uhr feiern dort am Wochenende inzwischen etwa 400 Menschen, berichtet der Leiter der zuständigen Polizeiinspektion, gegen 1 Uhr nachts sind es sogar bis zu 800 - auf einem Umkreis von nur 70 Metern. Mit Abstand und Infektionsschutz ist es da nicht mehr weit her, dafür steigen Aggressivität und Straftaten. Die Stadt Augsburg steuert nun gegen und erlässt schärfere Regeln für das innerstädtische Nachtleben.

Augsburg ist nicht die einzige Stadt in Bayern, die diesen Sommer Probleme mit nächtlichen Massenaufläufen auf öffentlichen Plätzen hat: Nürnberg, Bamberg, Regensburg, auch kleinere und mittlere Städte überlegen sich Maßnahmen, die über verstärkte Polizeipräsenz hinausgehen. Der Nutzungsdruck auf den öffentlichen Raum, so formuliert es der Augsburger Ordnungsreferent Frank Pintsch, sei diesen Sommer deutlich gestiegen. "Da merkt man erst, wie Bars und Diskotheken das Nachtleben eigentlich regulieren." Fehlt dieses Regulativ wie nun wegen der Corona-Pandemie, drängen die Leute eben ins Freie. 95 Prozent aller Feiernden seien friedlich, betont Pintsch. Der Rest aber verursache nicht nur Lärm und Ärger für Anwohner.

Das Maßnahmenkonzept in Augsburg gilt vorerst bis 27. September. Es ist nun abends verboten, Glasflaschen und Getränkekisten mit in die Innenstadt zu nehmen. Bei Ärger spiele "Alkohol eine erhebliche Rolle", sagt Pintsch, weshalb der To-Go-Verkauf nurmehr bis Mitternacht erlaubt ist. Die örtliche Feiermeile, die Maximilianstraße, wird für den Durchgangsverkehr geschlossen, die Außengastronomie darf bis 1 Uhr länger offen haben, um die Feiernden von den Straßen zu holen. Und, auch das sagt Pintsch, um für längere Zeit Möglichkeiten zu schaffen, Toiletten zu nutzen: urinieren auf öffentlichen Plätzen wird ebenfalls zum immer häufiger zu beobachtenden Phänomen.

"Sommer teilen, nicht Corona", lautet das Augsburger Motto zur Entzerrung der Massen. In Regensburg kennen sie das Problem unter anderem am Bismarckplatz, der im Sommer schon immer ein Treffpunkt fürs Feiervolk war. Unter Coronabedingungen ist der Stadt das Gedränge dort inzwischen deutlich zu dicht geworden. Sie hat versucht, durch strategisch positionierte Blumenkübel für etwas mehr Abstand zu sorgen, außerdem zeigt die Polizei verstärkt Präsenz.

Im Nürnberger Rathaus wollen die Verantwortlichen im Laufe dieser Woche entscheiden, wie sie mit dem Thema Feiern in der Öffentlichkeit weiter umgehen wollen. Auch hier hat sich das Nachtleben in den vergangenen Wochen zunehmend ins Freie verlagert - die Menschen drängten sich teils so dicht, dass das städtische Ordnungsamt und die Polizei den Infektionsschutz nicht mehr gewahrt sahen.

Deswegen hat die Stadt vor drei Wochen eine Reihe von Maßnahmen verkündet. So haben die Gastronomen am Köpfleinsberg in der Nähe der Fußgängerzone selbst für einen Sicherheitsdienst gesorgt, der die Feiernden auf die geltenden Abstandsregeln hinweisen und diese bei Bedarf auch durchsetzen soll. Ferner hat es die Stadt nach dem Beispiel Bambergs verboten, an den Wochenenden abends und nachts Getränke zum Mitnehmen zu verkaufen. Am Wöhrder See, wo sich in lauen Nächten zuletzt Hunderte zum Feiern einfanden, hat die Polizei Lichtmasten aufgestellt, mit denen sie die dunkleren Ecken ausleuchten und die Massen so besser im Blick behalten kann. Mit diesen Maßnahmen, heißt es aus dem Nürnberger Rathaus, habe sich die Lage bereits deutlich gebessert.

In Ingolstadt hat das Freiluftfeiern nach Angaben von Stadtsprecher Michael Klarner bisher keine wirklich großen Probleme gemacht. Dafür kommt die Stadt den Wünschen des feierfreudigen Publikums wie der darbenden Clubbetreiber mit einem neuen Angebot entgegen: Wenn ihre Bars und Clubs schon weiterhin geschlossen bleiben müssen, so dürfen vom kommende Wochenende an immerhin fünf Betreiber an fünf ausgewählten Orten Partys veranstalten - unter freien Himmel und mit Hygienekonzept. Die Stadt erlaubt das laut Klarner unter anderem auf den obersten Ebenen der Parkdecks am Hauptbahnhof und am Nordbahnhof sowie in einem Hof am Turm Triva in der historischen Stadtbefestigung - keine Plätze im landläufigen Sinn, aber öffentliche Orte, die sich klar abgrenzen lassen und so auch Einlasskontrollen möglich machen.

Natürlich haben auch kleine und mittlere Städte das Problem. Zum Beispiel das niederbayerische Straubing. In der Stadt mit 48 000 Einwohnern sind in den vergangenen Jahren die Grünanlagen an der Donau immer mehr zur Feiermeile geworden. Dort stehen aber auch viele Wohnhäuser. "Und die Anwohner fühlen sich natürlich stark belästigt", sagt der Straubinger OB Markus Pannermayr (CSU), der seit kurzem Vorsitzender des bayerischen Städtetags ist. "Und zwar nicht nur vom Lärm, sondern auch von dem vielen Unrat und Müll, den die jungen Leute hinterlassen."

Die Corona-Krise hat auch hier die Lage verschärft, die Stadt Straubing setzt bisher vor allem auf die Polizei. Wenn die Überzeugungsarbeit nichts fruchtet, werden schon mal Betretungsverbote erlassen. "Und deren Einhaltung wird dann auch kontrolliert", sagt Pannermayr. Er ist sich freilich im Klaren, dass polizeiliche Maßnahmen alleine nicht weiterhelfen werden. "Wir werden uns da sicher in unserer Stadt, aber eben auch im Städtetag Konzepte überlegen müssen", sagt er. Das Konzept in Augsburg ist zwar bis Ende September angelegt, wird allerdings jede Woche aufs Neue evaluiert: Verstärken sich die Probleme, verschärfen sich die Auflagen.

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