Pandemie:Frühlingsgefühle in der Staatsregierung

Gartenwerkzeug Spaten und Gabeln im Baumarkt München Oberbayern Bayern Deutschland Europa ***

Wer eine Blume kauft, braucht womöglich auch eine Schaufel - das hat Staatskanzleichef Florian Herrmann richtig erkannt. In Baden-Württemberg fürchtet die Landesregierung, dass die Menschen massenhaft nach Bayern fahren und außer Pflanzen und Werkzeug auch noch das Virus mitbringen.

(Foto: imageBROKER/Manfred Bail)

Bayern sperrt nächste Woche die Baumärkte auf und löst damit bei den Nachbarn Irritationen aus. Wirtschaftsminister Aiwanger will zu Ostern auch die Freischankflächen wieder öffnen.

Von Andreas Glas

Wenn das Kabinett tagt und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) danach nicht selbst zur Pressekonferenz erscheint, ist das in der Regel ein Zeichen dafür, dass die Staatsregierung wenig Neues zu verkünden hat. So klingt das zunächst auch bei Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU), der Söder am Dienstag am Rednerpult vertritt. Man habe nur "in ganz behutsamer Weise" einige Lockerungen beschlossen, sagt Herrmann. Ein paar Überraschungen hält diese Pressekonferenz dann aber doch parat - und letztlich auch einige Irritationen.

Da ist etwa das Thema Baumärkte. Am Montag hatte Söder ja schon verraten, dass Gärtnereien, Gartenmärkte und Blumenläden am 1. März wieder öffnen dürfen - was das Kabinett nun beschlossen hat. Eher unerwartet kommt, dass dieser Beschluss auch Baumärkte einschließt. Was viele Heimwerker in Bayern freuen dürfte, löst anderswo Ärger aus. Noch während in München die Pressekonferenz läuft, meldet sich in Baden-Württemberg der Sprecher der Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu Wort. "Ich weiß nicht, was das soll", sagt Rudi Hoogvliet der Deutschen Presse-Agentur. "Bisher war er immer der harte Hund, jetzt fängt er an, eine Sache nach der anderen zu öffnen", sagt Hoogvliet. Und natürlich ist klar, wen Hoogvliet mit "er" meint: Markus Söder.

Der harte Hund als Vorkämpfer der Lockerungsbewegung? Gemessen an der Zurückhaltung, mit der Söder den Rufen nach Lockerungen lange begegnete, wirkt es tatsächlich fast forsch, wie er die Lockerung einiger Anti-Corona-Maßnahmen jetzt vorantreibt. Neben der Öffnung von Bau- und Gartenmärkten hat Söders Kabinett auch beschlossen, dass körpernahe Dienstleister ihre Arbeit von Montag an wieder aufnehmen dürfen, etwa Kosmetiksalons und Nagelstudios.

Für die Öffnung von Blumenläden habe er ja noch Verständnis, da gehe es um verderbliche Ware, sagt der baden-württembergische Regierungssprecher. Das mit den Baumärkten sei dagegen nicht abgestimmt gewesen - auch mit Blick auf Shoppingtouristen, die nun womöglich über die Landesgrenze nach Bayern fahren. Unverständlich, dass Söder damit nicht bis zur Bund-Länder-Konferenz in der kommenden Woche gewartet habe, sagt Hoogvliet. Und überhaupt: "Hammer und Farbe verderben nicht so schnell" wie Blumen.

Das war ja auch Söders Argument: Dass Gärtnereien öffnen dürften, weil es sich bei Blumen um "verderbliche Ware" handle. Warum dürfen nun also auch die Baumärkte öffnen? Die hätten eben auch eine Gartenabteilung, sagt Staatskanzleichef Herrmann. Außerdem gebe es Hygieneauflagen und je nach Verkaufsfläche dürfe nur eine begrenzte Zahl an Kunden in die Märkte. Und wer "eine Blume kauft, der muss vielleicht auch eine neue Schaufel kaufen, um die einzupflanzen im Garten". Man habe da im Sinne einer "lebensnahen und pragmatischen Lösung" gehandelt. Außerdem, sagt Herrmann, passe das doch gut "zum Frühlingsbeginn".

Mit Blick auf Biergärten und Freischankflächen gibt sich Herrmann nicht so pragmatisch. Für Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wäre eine Öffnung der Biergärten "in Richtung Ostern" ein "geschickter Schachzug", um die Menschen "zu kanalisieren", die das frühlingshafte Wetter ins Freie treibt. Doch Herrmann sagt, dass darüber zunächst die Bund-Länder-Konferenz entscheiden müsse. Man dürfe "jetzt nicht in eine Öffnungshektik verfallen", sagt Herrmann. Da weiß er noch nicht, dass Baden-Württemberg den Bayern genau das vorwirft: Hektik.

Was das Kabinett noch beschlossen hat: Dass von Montag an auch Musikschulen wieder Einzelunterricht anbieten dürfen. Mit Mindestabstand und, soweit möglich, mit Maske - aber nur, wenn die regionale Sieben-Tage-Inzidenz unter der 100er-Marke liegt.

Grundschul-, Förderschullehrer und Erzieher sollen von nächster Woche an geimpft werden

Noch mehr will die Staatsregierung aber nicht lockern. Es gebe "keine starke Verbesserung des Infektionsgeschehens", sagt Herrmann, eher eine "Seitwärtsbewegung" der Zahlen. Wie Söder warnt der Staatskanzleichef vor der Ausbreitung der Virus-Mutanten. Laut Herrmann liegt ihr Anteil in München bereits bei 41,4 Prozent - und ist damit um ein Vielfaches höher als vor wenigen Wochen. "Wir dürfen jetzt die Nerven nicht verlieren", sagt Herrmann.

Anschließend verkündet Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), dass die ersten Grundschullehrer, Förderschullehrer und Erzieher bereits in ein paar Tagen geimpft werden könnten. Er gehe davon aus, dass der Bund die entsprechende Verordnung zügig umsetzen werde, sodass die Impfungen im Freistaat "nächste Woche eigentlich aus meiner Sicht beginnen" könnten. Ob die Impfungen in den Impfzentren stattfinden oder mobile Impfteams zum Einsatz kommen, stehe noch nicht fest, sagt Holetschek.

Was aber feststeht: Dass Lehrer und Erzieher den Impfstoff von Astra Zeneca bekommen, der nicht an über 65-Jährige ausgegeben werden darf. Simone Fleischmann, Präsidentin des Lehrer- und Lehrerinnenverbands, erwartet, dass es Lehrer geben werde, "die über den Impfstoff zweiter Klasse klagen". Aber auch solche, "die gottfroh sind, dass sie geimpft werden". Insgesamt begrüße sie die Impfungen. Michael Schwägerl, Vorsitzender des Philologenverbandes, will derweil geklärt wissen, wieso nicht auch Lehrkräfte in Abiturklassen bereits jetzt geimpft werden sollen.

Allgemein kündigt Holetschek noch an, dass Bayern seine Impfkapazitäten bis April mehr als verdoppeln werde - auf 111 000 Impfungen pro Tag. Zudem habe sich der Freistaat 5,3 Millionen Schnelltests gesichert. Bis Dienstag hatten laut Holetschek 82 Prozent der Bewohner in Alten- und Pflegeheimen ihre Erstimpfung erhalten - und insgesamt fast 900 000 Menschen in Bayern. "Eine gute Zahl", sagt der Minister.

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