Regen/Bad Reichenhall:"Eigentlich sind wir komplett abgehängt worden"

Coronavirus - Betrug bei Einreise

Kontrollen an der bayerisch-tschechischen Grenze.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Grenznahe Landkreise fühlen sich in der Corona-Pandemie übergangen. Die jüngsten Entscheidungen der Staatsregierung lösen Ärger und Unverständnis aus - bei manchen liegen die Nerven blank.

Von Matthias Köpf, Regen/Bad Reichenhall

In den bayerischen Grenzregionen zu Österreich und Tschechien steigt der Unmut über die Entscheidungen der Staatsregierung zur Corona-Pandemie. So hat etwa der Landrat des Berchtesgadener Lands, Bernhard Kern (CSU), die Kabinettsbeschlüsse nach eigenen Worten "fassungslos" zur Kenntnis genommen. Die besondere Situation der von hohen Inzidenzen belasteten Grenzlandkreise finde "keinerlei Berücksichtigung". Stattdessen beziehe die Staatsregierung alle Lockerungen weiterhin nur auf den Inzidenzwert, andere Faktoren spielten nach wie vor keine Rolle.

Für die Grenzlandkreise ist diese Situation nach Kerns Ansicht "nicht länger tragbar", vor allem mit Blick auf die Schulen. Mit Ausnahme der Abschlussklassen sollen Schüler erst unter einer landkreisbezogenen Inzidenz von 100 wenigstens wechselweise Präsenzunterricht haben. Auch der Betrieb in den Kindertagesstätten hängt an diesem Wert. Ähnliche Kritik übt die Regener Landrätin Rita Röhrl (SPD). Auch in der Grenzregion zu Tschechien hätten alle den Tag herbeigesehnt, an dem die Staatsregierung Lockerungen ermöglicht. Umso größer ist bei ihr jetzt die Enttäuschung.

"Eigentlich sind wir komplett abgehängt worden", sagt Röhrl. "Das ist mehr als bitter." Vor allem bei vielen Eltern lägen die Nerven blank, doch bei den derzeitigen, mittlerweile vielerorts sogar wieder steigenden Inzidenzen gebe es in der Region kaum Aussicht auf Öffnungen. Teststrategien, Hygienekonzepte und Fortschritte beim Impfen seien offenbar wieder in den Hintergrund gerückt. Röhrl treiben dabei nach eigenen Worten auch Gerechtigkeitsfragen um: So könnten nicht nur die Schüler in den Grenzregionen gegenüber ihren Altersgenossen anderswo ins Hintertreffen geraten. Auch die lokalen Einzelhändler litten zusätzlich, wenn ihre Kunden bald dorthin fahren, wo die Läden öffnen dürfen.

Nicht nur Lokalpolitiker, sondern auch viele Verbände und Unternehmer aus den Grenzgebieten richten sich mit Protest und Hilferufen an die Staatsregierung. So warnen die Modehäuser Frey und Garhammer aus Cham und Waldkirchen sowie der Glashändler Joska aus Bodenmais in einem gemeinsamen Brief, dass viele Unternehmen mit ihren Mitarbeitern "Millimeter vor dem endgültigen Abgrund" stünden. Die Verzweiflung werde täglich größer, der Unmut sei riesig.

Regens Landrätin Röhrl schlägt in der Lage vor, wenigstens Getestete und Geimpfte unabhängig von Inzidenzen in die Läden zu lassen. Damit könnte sich auch der Landrat in Wunsiedel im Fichtelgebirge, Peter Berek (CSU), anfreunden: "Das Testzentrum wäre dann eine Art Ticketshop, dessen Besuch es einem ermöglicht, beispielsweise den Handel oder die Gastronomie wieder nutzen zu können."

Olaf Heinrich (CSU), Freyunger Bürgermeister und Bezirkstagspräsident von Niederbayern, erinnert Ministerpräsident Markus Söder an dessen Zusagen. "Ich möchte eindringlich darum bitten, die Landkreise an der tschechischen Grenze mit erheblichen Mengen zusätzlicher Impfdosen zu versorgen." Söder hatte ihnen am Montag noch mehr als die bereits zugesagten 1000 zusätzlichen Impfdosen in Aussicht gestellt. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sind die 1000 Dosen ausgeliefert, zu weiteren Lieferungen macht es keine näheren Angaben.

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