Politik in Bayern:Freie Wähler stecken in der politischen Sackgasse

Hubert Aiwanger (M, Freie Wähler), stellvertretender Ministerpräsident und Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie unterhält sich im bayerischen Landtag während der Sitzung mit Aktueller Stunde mit Fabian Mehring (r, Freie Wähler).

Hubert Aiwanger (Freie Wähler) unterhält sich im bayerischen Landtag mit Fabian Mehring (rechts).

(Foto: dpa)

Zunächst forderte die Partei eine Beteiligung des Parlaments in der Corona-Krise - ruderte aber nur wenig später zurück und lobt die Arbeit von Ministerpräsident Söder. Die Opposition erhöht derweil den Druck.

Von Andreas Glas

"Ich bin Politikwissenschaftler", sagt Fabian Mehring, als er am Dienstag vor den Reportern sitzt. Gut, dass er das klarstellt, denn schon im nächsten Satz hört sich Mehring an wie ein Orthopäde oder der persönliche Physiotherapeut des Ministerpräsidenten. Er habe den Eindruck, dass Markus Söder "froh wäre, wenn er die Last der aktuellen Entscheidungen nicht auf seinen Schultern hätte", sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler. Was nach Fürsorge für Söder klingt, könnte in Wahrheit aber auch ein Ausdruck der Schmerzen sein, die Mehring und seine Partei zurzeit angesichts stagnierender Umfragewerte selbst plagen. Und der Versuch, das eigene Kreuz innerhalb der Koalition mit der CSU wieder gerade zu drücken.

15 Punkte haben die Freien Wähler in ihrem Strategiepapier aufgelistet und auf ihrer Pressekonferenz am Dienstag präsentiert. Strikte Haushaltsdisziplin, mehr Hilfen für Kommunen, Krankenhäuser stärken - das und noch mehr fordern die Freien Wähler in ihrem Papier. Aber vor allem ein Punkt hat Konfliktpotenzial für die schwarz-orange Koalition: Die Freien Wähler wollen das Parlament künftig mitentscheiden lassen, wenn Freiheitsrechte beschnitten werden, wie zuletzt in der Corona-Krise. Das ist es dann auch, was Mehring meint, wenn er sagt, er wolle Söders Schultern entlasten. Es ist eine Forderung, die kürzlich noch aus der Opposition kam - und von der CSU deutlich abgelehnt wurde. Die CSU findet: In Krisenzeiten soll die Regierung weiterhin allein über Grundrechtseinschränkungen entscheiden. Und jetzt? Schlägt sich ausgerechnet der eigene Regierungspartner auf die Seite der Opposition?

So konnte man das interpretieren, als der Inhalt des Papiers am Sonntag bekannt wurde. Am Dienstag wirkt es allerdings so, als sei den Freien Wählern bewusst geworden, wie giftig ihre Forderung für die Koalition ist - und damit für sie selbst. Die Forderung nach mehr parlamentarischer Mitbestimmung in Krisenzeiten sei "keinerlei Kritik" an Söders CSU, versichert Fabian Mehring, der eben noch wie ein Rebell klang - und plötzlich Sätze sagt, die sich anhören, als sei er der Fanklubvorsitzende des Ministerpräsidenten. Söder, sagt Mehring, sei bei "der Krisenbewältigung mit Sicherheit der klarste, der professionellste Politiker in Deutschland, vielleicht sogar darüber hinaus". Statt auf Attacke zu schalten, lobt Mehring dann doch lieber "die gemeinsam von uns Freien Wählern und der CSU als Regierungsfraktionen getragene Linie" in der Corona-Krise.

Die Opposition erhöht unterdessen den Druck auf die Freien Wähler. Die müssten nun "ihren Worten direkt Tagen folgen lassen", sagt FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Er hat ganz offensichtlich Spaß daran, einen Keil in die Koalition zu treiben, in der es zuletzt ohnehin knirschte. Gemeinsam mit den Oppositionsparteien hätten die Freien Wähler eine Mehrheit für den Vorschlag, das Parlament in Krisenzeiten stärker zu beteiligen, sagt Hagen. Er findet: "Die Frage der Parlamentsbeteiligung wird ein Glaubwürdigkeitstest für die Freien Wähler."

Damit legt Hagen ziemlich genau die Sackgasse offen, in die sich die Freien Wähler mit ihrem Vorstoß manövriert haben. Er weiß nämlich genau, dass die CSU dem Vorstoß nicht folgen wird. Das macht auch Thomas Kreuzer am Dienstag deutlich. Er sehe "keinen Handlungsbedarf", sagt der CSU-Fraktionschef. Das Parlament könne jederzeit Gesetzesanträge stellen, um die Befugnisse der Regierung zu kassieren. "Aber es wäre falsch, wenn wir Einzelmaßnahmen wie Abstandsregelungen im Parlament behandeln würden", sagt Kreuzer. Das blockiere die Handlungsfähigkeit, die eine Regierung in einer Krise brauche. Wenn man, wie die Freien Wähler, nun etwas ankündige, das man am Ende nicht durchsetzen könne, dann schade das der eigenen Glaubwürdigkeit, das sagt auch Kreuzer.

Entsprechend bemüht sind die Freien Wähler inzwischen auch, die CSU zu besänftigen. Man wolle, dass das Parlament bei weitreichenden Grundrechtseinschränkungen gefragt werde, aber nicht "über jedes Hochkomma eine Parlamentsdebatte" führen, sagt Mehring. Eine echte Kraftprobe mit der CSU dürfte also ausbleiben. Die Frage der Parlamentsbeteiligung, sagt Mehring, sei "keine Schicksalsfrage" für die Koalition.

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