Zweite Corona-Welle:Krankenhäuser vor neuer Belastungsprobe

Coronavirus - Intensivstation Universitätsklinikum Essen

Covid-19-Patienten mit schweren Verläufen müssen auf den Intensivstationen der Krankenhäuser behandelt und teils sogar beatmet werden.

(Foto: Fabian Strauch/dpa)

An der Uniklinik Augsburg sind die Intensivbetten bereits weitgehend mit Corona-Patienten belegt. Die Staatsregierung will die Verteilung der Fälle nun in ganz Bayern steuern.

Von Clara Lipkowski und Dietrich Mittler

Angesichts der steigenden Zahl an Corona-Infizierten stehen Bayerns Kliniken vor einer dramatischen Belastungsprobe. Im Universitätsklinikum Augsburg mit mehr als 130 zum Teil schwerst erkrankten Covid-19-Patienten ist die Situation schon jetzt "besorgniserregend", wie Helmut Messmann, der Direktor der III. Medizinischen Klinik in Augsburg, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz im Gesundheitsministerium darlegte. Klar ist, dass auch andere Häuser im Freistaat bald schon befürchten müssen, nicht mehr genug Intensivbetten anbieten zu können. Um landesweit Härten abfedern zu können, sollen nun die Patientenströme an Kliniken stärker gesteuert werden - durch sogenannte Ärztliche Leiter Krankenhauskoordinierung. "Es ist wichtig, die Bettenbelegung noch effizienter zu lenken und auch damit die Kliniken zu unterstützen", sagte Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU).

Augenblicklich seien - Stand Mittwochvormittag - landesweit zwar noch 624 Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit verfügbar, so Huml. Doch die Steigerungsraten zeigten, mit welcher Virulenz Sars-Cov-2 die Infektionszahlen in die Höhe treibt. Mittlerweile liegen in Bayerns Kliniken 1693 Covid-19-Patienten, 302 davon in Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit. Gesundheitsstaatssekretär Klaus Holetschek (CSU) erklärte: "Wir sind mit voller Wucht in der zweiten Welle drin."

Konsequenz: Das Gesundheitsministerium hat eine Allgemeinverfügung erlassen, durch die - wie schon bei der ersten Welle der Pandemie geschehen - in allen Landkreisen und kreisfreien Städten Ärztliche Leiter Krankenhauskoordinierung eingesetzt und "mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen" ausgestattet werden, wie Holetschek erläuterte. Dem Landrat oder Oberbürgermeister unterstellt, können sie Einfluss auf den Patientenfluss in Klinken und Reha-Einrichtungen nehmen. "Unter anderem können sie die Verlegung von Patienten veranlassen und Covid-19-Schwerpunktkrankenhäuser bestimmen", sagte Holetschek.

Die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) begrüßt die neue Allgemeinverfügung. Eine regionale Koordinierung der Patientensteuerung habe sich schon im Frühjahr bewährt. Augenblicklich stünden in Bayern rund 4200 Intensivbetten zur Verfügung. "Wenn wir die Entwicklung nicht bremsen, dann könnte man an die Grenzen stoßen", sagte Hasenbein. Schließlich stünden diese Intensivbetten nicht nur für Covid-19-Patienten zur Verfügung, sondern auch für andere Patienten - etwa für Frischoperierte.

Gerald Quitterer, Präsident der Landesärztekammer, mahnte, Patienten sollten in gar keinem Fall ernsthafte Krankheiten verschleppen. Für all die Betroffenen hatte Bayerns Gesundheitsministerin am Mittwoch eine gute Nachricht. Anders als noch bei der ersten Corona-Welle im Frühjahr, können nun die Kliniken selbst darüber entscheiden, ob ihre Kapazitäten noch elektive, also planbare Operationen ermöglichen. "Auch planbare OPs sind aber sehr oft unaufschiebbar", sagte BKG-Geschäftsführer Hasenbein, "deshalb halten wir es auch für richtig, dass die neue Allgemeinverfügung des Gesundheitsministeriums keine landesweite Quote vorgibt." Bei solchen unaufschiebbaren OPs denke er etwa an Tumorbehandlungen sowie an Eingriffe bei Herzbeschwerden oder Schlaganfallanzeichen.

Trotz der steigenden Infektionszahlen ist die Krankenhaussituation in weiten Teilen Bayerns aber längst noch nicht so dramatisch wie etwa in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen oder dem Saarland. Aus Häusern, bei denen die SZ am Mittwoch nachfragte, hieß es - wie etwa am Universitätsklinikum Regensburg -, die Situation sei "derzeit noch weitgehend normal". Selbst im augenblicklich von Corona besonders betroffenen Schweinfurt wurde die Lage als "übersichtlich" geschildert. Auch aus dem Klinikum Passau, das in den zurückliegenden Tagen durch etliche Infektionsfälle unter den Beschäftigten auffiel, hieß es: "Im Moment haben wir noch genügend personelle Ressourcen, um unsere Patienten sicher versorgen zu können." Derzeit würden am Klinikum Passau 23 Covid-19-Patienten versorgt.

Etwas angespannter zeigt sich die Lage in Nürnberg. Etwa 90 Prozent der 55 Intensivbetten im Klinikum Nord seien ausgelastet, im Klinikum Süd etwa 85 Prozent der 78 Intensivbetten, so eine Sprecherin. Allerdings sei dies nicht nur auf Corona-Fälle zurückzuführen, sondern auch andere, die die Station nach wenigen Tagen wieder verließen. Zu solchen Fällen zählten Herz- oder Nierenerkrankte. Zehn der 71 Corona-Infizierten im Klinikum Nürnberg würden derzeit intensivbetreut, neun von ihnen beatmet. Planbare Operationen seien bislang nur vereinzelt verschoben worden - und das auch nur, weil sich herausgestellt habe, dass sich eine Patientin oder ein Patient mit Sars-Cov-2 infiziert hatte. Insgesamt sei die Patientenzahl aber um fünf bis zehn Prozent reduziert worden, um Covid-Patienten aufzunehmen.

Aus dem Klinikum im Oberpfälzischen Weiden, in dem im Frühjahr um das Leben etlicher Corona-Patienten gerungen worden war, hieß es jetzt: "Nach aktuellem Stand ist nicht vorgesehen, das OP-Programm einzuschränken." Das derzeitige Patientenaufkommen sei "gut beherrschbar". Im Klinikum Ingolstadt indes wurde seit Beginn der Woche "das reguläre OP-Programm um 20 Prozent reduziert", wie ein Sprecher sagte. Gleichwohl appelliere man an alle Notfallpatienten, "die bei sich zum Beispiel Symptome eines Herzinfarkts feststellen, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen".

Dramatisch ist die Lage indes in Augsburg: "Derzeit werden 38 Intensivbetten für Covid-19-Patienten vorgehalten, davon sind zum jetzigen Zeitpunkt fast alle belegt, und circa die Hälfte der Patienten auf den Intensivstationen muss beatmet werden", hieß es dort. Seit Beginn der Woche sei das reguläre OP-Programm um 20 Prozent reduziert worden, um Kapazitäten für Covid-19-Patienten freizuhalten.

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