Coronavirus in Bayern:Sinkt die Impfbereitschaft im Freistaat?

Corona-Impfung: Spritze mit Impfampulle

Vor Kurzem noch war der Ärger über Verzögerungen bei der Erstimpfung groß - und nun ist genug Impfstoff da, aber zu wenige wollen ihn.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Trotz Sonderaktionen für alle Bürger ab 16 Jahren ist die Nachfrage in vielen Impfzentren gering. Fehlt es jetzt schon an Willigen? Wer sich in Bayern umhört, bekommt auch eine andere These präsentiert.

Von Dietrich Mittler

Landshuts Oberbürgermeister Alexander Putz steht augenblicklich für viele Kommunalpolitiker im Freistaat. "Es hilft nichts, die Lage schönzureden", sagt er. Mit den "erfreulicherweise sinkenden Infektionszahlen" sei leider auch die Impfbereitschaft deutlich zurückgegangen. Nachdem sich in Landshut vergangene Woche nur rund 300 Interessenten gemeldet hatten, die von den 2000 für eine Erstimpfung zur Verfügung stehenden Impfdosen profitieren wollten, entschloss sich die Stadt zur Aktion "Offene Impftage". Alle Bürgerinnen und Bürger, die älter als 16 Jahre waren, konnten am Samstag und am Sonntag ins Impfzentrum kommen - auch ohne vorherige Anmeldung. Gebeten wurde lediglich um die Vorlage des Personalausweises und des Impfpasses - dafür gab es dann den begehrten Impfstoff von Biontech/Pfizer oder von Moderna.

Thomas Schindler, der Leiter des Landshuter Impfzentrums, hatte sich darauf eingerichtet, dass sich viele ein solches Angebot nicht entgehen lassen. Am frühen Sonntagnachmittag dann die große Ernüchterung: "Es läuft sehr schleppend, so wie schon am Vortag auch", sagt Schindler. Am Samstag seien es gerade mal 160 Impfwillige ohne Termin gewesen, und nun bislang nur um die 40. Immerhin, es seien viele 16- bis 18-Jährige darunter gewesen, so etwa auch Schüler von Abschlussklassen. Dennoch lautet sein Fazit: "Die Masse, die ich mir erhofft hatte, ist ausgeblieben." Was mit dem liegen gebliebenen Impfstoff geschehen soll, ist noch offen.

Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) gibt unterdessen diese Losung aus: Es gelte, "auch diejenigen für eine Schutzimpfung zu motivieren, die noch skeptisch sind". Eigentlich wären ja die Voraussetzungen momentan günstig, dass im Freistaat bis zum Herbst gut 85 Prozent der Menschen über 18 Jahren den vollständigen Impfschutz erhalten können. "Der Bund hat uns für die kommenden Wochen wieder stabile Impfstofflieferungen zugesagt", betont Holetschek.

An was es augenblicklich aber fehlt, sind die Impfwilligen. Um wenigstens die aktuell gelieferten Dosen spritzen zu können, haben unter anderem die Landratsämter Altötting, Berchtesgadener Land, Kitzingen, Kelheim, der Kreis Oberallgäu sowie die Städte Kempten und Memmingen Sonderaktionen angekündigt. Vom kommenden Mittwoch an wird auch der Kreis Deggendorf versuchsweise neue Wege beschreiten. "Wir werden in unseren beiden Impfzentren an der Volksfestwiese alle Impfstoffe freigeben. Es kann dann jeder zum Impfen kommen - ohne Termin, ohne Anmeldung", sagt Thomas Kindel, der als Leiter des Ordnungsamtes auch für den Betrieb der Impfzentren zuständig ist. Hätte Kindel das noch vor einigen Wochen verkündet, hätten sich an der Volksfestwiese lange Menschenschlangen gebildet, da viele darauf drängten, endlich ihre Erstimpfung zu bekommen.

Jetzt, nach einer doch sehr überschaubaren Zeitspanne, stellt sich die Situation plötzlich ganz anders dar. "Wir haben vor Kurzem Tausende von Impfeinladungen rausgeschickt, aber nur ein paar Hundert Leute haben den Termin bestätigt", schildert Kindel die Erlebnisse der zurückliegenden Tage. Er kann sich das nur so erklären: "Die niedergelassenen Ärzte haben mit ihren Impfungen ihren Teil dazu beigetragen. Hinzu kommt, dass auch die Betriebsärzte massiv eingestiegen sind."

Doch wer sich in Bayern umhört, bekommt auch diese These präsentiert: "In der Impfsoftware Bayimco finden sich sehr, sehr viele Karteileichen." Deshalb habe man womöglich keinen echten Überblick mehr darüber, wer tatsächlich noch impfwillig ist. Bei den "Karteileichen" handele es sich um jene, die sich in dem am 11. Januar freigeschalteten Registrierungsportal zur Impfung angemeldet hatten, dann aber mangels Impfstoff in einer Warteschleife landeten und sich schließlich selbst auf die Suche nach einer Alternative machten. Nach erfolgter Erstimpfung sahen dann etliche offenbar keinen Bedarf mehr, noch länger an ihre Registrierung bei Bayimco zu denken.

Aus dem Gesundheitsministerium heißt es dazu, die "gesetzlichen Datenschutzvorgaben" ließen es nicht zu, solche Personen zu ermitteln beziehungsweise ihre Anzahl zu beziffern. Um die Zahl von Mehrfachanmeldungen zu reduzieren, würden aber bereits "regelmäßig Accounts von Registrierten, die bereits an die Möglichkeit zur Terminvereinbarung erinnert wurden und sich dennoch schon eine gewisse Zeit nicht mehr in ihren Account eingeloggt haben, deaktiviert".

Amtsleiter Thomas Kindel sagt achselzuckend: "Wir haben hier im Kreis Deggendorf gleich mehrmals Aufrufe gestartet, dass sich alle, die sich woanders haben impfen lassen, doch bitte aus dem Bayimco austragen sollen. Der Erfolg war überschaubar." Folglich glaubt er auch nicht, dass das neue Angebot in den Impfzentren zu einem Hauen und Stechen führen wird.

Unterdessen richtet OB Alexander Putz in Landshut flammende Appelle an seine Bürgerschaft: "Ich bitte alle herzlich, nehmen Sie das Impfangebot wahr! Schützen Sie sich und Ihre Mitmenschen!" Zwar habe mittlerweile in seiner Stadt etwa die Hälfte der Bevölkerung zumindest eine erste Impfung gegen das Coronavirus erhalten, doch das reiche "längst nicht aus, um gegen eine spätestens im Herbst drohende neue Infektionswelle gewappnet zu sein".

Angesichts solcher Befürchtungen erinnert die Impfbilanz von Gesundheitsminister Holetschek ein wenig an das Pfeifen im Walde. Mehr als ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger Bayerns habe bereits den vollen Immunschutz. "Das ist eine ermutigende Halbjahresbilanz, auf die wir aufbauen", sagte er kürzlich. Zudem hätten die Corona-Infektionen in den Alten- und Pflegeheimen einen Tiefstand erreicht. "Während zum Höhepunkt der Pandemie Anfang Januar 2021 noch mehr als 7500 Bewohnerinnen und Bewohner gleichzeitig mit dem Coronavirus infiziert waren, ist die Zahl der Infizierten jetzt einstellig", hatte der Minister am Freitag betont. Nun gelte es mit dem Bund rasch die Frage der Auffrischungsimpfungen zu klären.

Vorantreiben will Holetschek unterdessen auch höhere Impfraten bei der jüngeren Bevölkerung. Angedacht sind Impf-Sonderaktionen für Abschlussklassen und Vorabschlussklassen. Auch Bayerns Hausärzte werben für eine höhere Impfbereitschaft, wie Thomas Beier, der Vorsitzende des Hausärzteverbandes, betont. Immerhin meldeten sich nun mehr jüngere Patienten für eine Impfung an. Und das, was vor Kurzem noch ein Ärgernis darstellte, erledige sich demnächst auch wieder: Die Phase, in der Zweitimpfungen vorrangig vorgenommen werden mussten, laufe jetzt aus, sagt Beier. "Die Zahl an Erstimpfungen kann also jetzt wieder deutlich hochgehen." Nur: "Dafür müssen sich dann eben auch die Menschen melden."

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