Corona-Pandemie:Viele Fragen um den zweiten Booster

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Impfen gilt als wichtigste Strategie im Kampf gegen das Coronavirus. Doch die Empfehlungen für den zweiten Booster sind bislang uneinheitlich. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Auffrischungsimpfungen sollen helfen, das Coronavirus einzudämmen, doch gerade in den Pflegeheimen tun sich Lücken auf. Bayerns Gesundheitsministerium will nun weiter für die Immunisierung werben. Bislang empfohlen wird Menschen unter 70 Jahren allerdings: Nichts.

Von Simone Kamhuber und Johann Osel, München

Ein zweiter Corona-Booster mit 70 Jahren, wie es jetzt schon von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlen wird, mit 60 Jahren, wie es zuletzt EU-Behörden nahelegten, oder gleich für Jüngere? Letzteres hatte kürzlich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ins Spiel gebracht: "Wenn jemand den Sommer genießen will und kein Risiko eingehen will zu erkranken, dann würde ich - in Absprache natürlich mit dem Hausarzt - auch Jüngeren die Impfung empfehlen."

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hat dies daraufhin begrüßt: "Es ist wichtig, die Auffrischungsimpfungen voranzutreiben." Allerdings solle Lauterbach "darauf achten, dass er durch die Art seiner Kommunikation nicht die Menschen verunsichert und die Ärzteschaft verärgert". Ohnehin hängt die Planung der Impfkampagne an der Frage einer Empfehlung von Booster Nummer zwei - doch zudem herrscht offenbar Unklarheit, wie es um den Wunsch der älteren Bevölkerung für eine vierte Spritze bestellt ist.

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"Bislang fehlt eine allgemeine Empfehlung durch die Stiko für Menschen unter 70 Jahren", sagte Holetschek. Er verlangte eine Klarstellung des Bundes, wie zweite Auffrischungen von Personen, die nicht von der Stiko-Empfehlung abgedeckt sind, bei möglichen Impffolgeschäden abgesichert seien. Erst danach könne Bayern seine Impfzentren auffordern, unabhängig von einer Empfehlung die vierte Impfung zu verabreichen. Laut Impf-Dashboard des Robert-Koch-Instituts (RKI) haben 7,5 Prozent der Bürger bundesweit eine zweite Auffrischung erhalten, Bayern liegt mit 4,9 Prozent im hinteren Drittel. Bei Menschen ab 60 Jahren sind es bundesweit 21,5 Prozent.

Im Gesundheitsausschuss des Landtags stellte ein Vertreter des Ministeriums vergangene Woche die Kommunikationsstrategien für die Impfkampagne zum Herbst vor, zum Beispiel mit flotten Plakat-Aktionen - für das, was dann Empfehlung sein wird. In Bayern sind derzeit 58,6 Prozent ein Mal geboostert, 75,2 Prozent grundimmunisiert. Besonders relevant indes ist die Frage des Schutzes in Pflegeeinrichtungen mit vulnerablen Gruppen. Der Referent des Ministeriums sagte im Landtag, dass dort 30 bis 40 Prozent der Bewohner erst eine Auffrischung erhalten hätten - das wäre noch eine enorme Lücke beim zweiten Booster. Vor der breiten Impfkampagne, die sich der Freistaat vier Millionen Euro kosten lässt, soll es Ende August Broschüren in den Einrichtungen geben.

Woher genau diese Zahl der Zweit-Booster-Lücke in Pflegeheimen stammt, ist allerdings fraglich. Auf Nachfrage der SZ verwies das Haus von Minister Holetschek darauf, dass Daten über Pflegeheime vom RKI erhoben würden. Das RKI teilte dagegen mit, das letzte Monitoring beinhalte Daten nur bis zum März - da hatten erst 28 Prozent der Heimbewohner den zweiten Booster. "Das Problem ist uns bewusst", teilt das Ministerium insgesamt dazu mit. Daher habe man die Impfzentren aufgefordert, mehrmals zweite Auffrischungen für Pflegeeinrichtungen anzubieten und aktiv auf die Einrichtungen zuzugehen. Auf jeden Fall soll die Kampagne im August helfen. Zu den genauen Gründen, warum Bewohner "gegebenenfalls noch bei der zweiten Auffrischungsimpfung zaudern, liegen uns jedoch keine Daten vor".

Sollten sie aber, findet die Landtagsabgeordnete Ruth Waldmann (SPD), "wir müssen wissen, was Sache ist". Für wenig hilfreich hält sie es zudem, dass die einrichtungsbezogene Impfflicht für medizinisches Personal praktisch fallen gelassen worden sei, ein "falsches Signal". Christina Haubrich (Grüne) berichtet von Gesprächen mit Senioren, wonach viele auf die an Omikron angepassten Impfstoffe warteten. Hier brauche es jetzt schon die Aufklärung, welchen Schutz ein Zweit-Booster mit dem bisherigen Vakzin den Hochbetagten bringe. Angesichts der Sommerwelle müsse man zügig handeln.

Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt im Freistaat bei 831,9. Binnen einer Woche gab es in Bayern in absoluten Zahlen 1246 Hospitalisierungen von Patienten, fast 30 Prozent mehr als in der Vorwoche; wobei hier kein Unterschied gemacht wird, ob Menschen wegen Corona ins Krankenhaus kommen oder das Virus erst bei der Einlieferung aus anderem Grund festgestellt wird. Auf den Intensivstationen sind derzeit 188 Betten mit Corona-Patienten belegt, Tendenz wieder steigend. Eine rote Stufe ist in der Warnampel bei 600 vorgesehen.

Zu den Vorbereitungen auf den Herbst gehören indes nicht nur Impfungen - sondern auch potenzielle Maßnahmen. Holetschek goutierte Pläne von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) für eine "Form von Maskenpflicht" im Herbst. Er begrüße es, dass der Liberale die Wirksamkeit der Maske vor allem auch in Innenräumen endlich auch als "unstreitig" bezeichne, "zu dieser Erkenntnis zu kommen, hat lange genug gedauert". Man müsse "weg von diesem Schlafwagenkurs".

Druck kommt derweil auch vom Vize-Chef der Bayerischen Landesärztekammer, Bernhard Junge-Hülsing. Es brauche eine politische Antwort auf die aktuelle Lage, etwa eine allgemeine Testpflicht vor Großereignissen. Zusätzlich müssten Bürgertests wieder kostenfrei sein, "sonst macht es ja keiner", sagt Junge-Hülsing der SZ. "Wir müssen unseren Alltag nicht ängstlich, aber vorsichtig und rücksichtsvoll bestreiten." Gerade Veranstaltungen, die nicht ausschließlich draußen stattfinden, seien im Moment die Super-Spreader. "Jeder kennt gerade im Bekanntenkreis jemanden, der mit Halsweh oder sonstigen Symptomen Feste besucht, sich nicht testet und am Ende sind alle krank".

Junge-Hülsing ist auch Landesvorsitzender des Berufsverbandes der HNO-Ärzte. Seine Erfahrung sei, das auch bei vermeintlicher Milde von Omikron keine Infektion in Kauf genommen werden sollte; dies decke sich mit Studien: "Bei der zweiten und dritten Infektion wird die Infektion nicht leichter, sondern die Leute werden kränker, das Todesrisiko und das Risiko für Long Covid steigt."

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