Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Wer zuerst kommt, wird nicht zuerst geimpft

Schon mehr als eine Viertelmillion Bayern hat sich online für die Impftermin-Vergabe registriert. Kein Grund zur Hektik, sagt der Gesundheitsminister. Doch die Kritik an dem Vorgehen wächst.

Von Dietrich Mittler

Bayerns neuer Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sieht die Staatsregierung im Kampf gegen die Corona-Pandemie auf einem guten Weg. Das seit Anfang dieser Woche freigeschaltete Portal, mit dem sich Bayerns Bürgerinnen und Bürger für eine Corona-Impfung anmelden können, stößt offensichtlich in der Bevölkerung auf großes Interesse. Bislang haben sich nach Angaben des Gesundheitsministeriums - Stand Dienstagmorgen - 270 642 Personen mit erstem Wohnsitz im Freistaat online für eine Impfung registriert. Zu diesem Zweck steht unter www.impfzentren.bayern/citizen ein Modul der BayIMCO-Software zur Verfügung. Die Abkürzung steht für "Bayerisches Impfmanagement gegen Corona".

Die nun mögliche Online-Anmeldung zur Impfung, so betonte Holetschek, sei "ein weiterer wichtiger Schritt im Kampf gegen die Corona-Pandemie". Doch, wer sich nun durch die Online-Anmeldung erhofft, außer der Reihe wesentlich früher an eine Impfung zu kommen, täuscht sich. Zunächst werden jene Menschen geimpft, die den am meisten gefährdeten Risikogruppen zugerechnet werden - als hochbetagte Heimbewohner und wo immer möglich auch deren Pflegekräfte sowie Mitarbeiter in Bayerns Kliniken. Insgesamt gibt es drei Priorisierungsgruppen, die gestaffelt an die Reihe kommen sollen - darunter etwa Menschen mit Behinderung, Diabetiker, Ärzte, Pflegende sowie Personen mit schweren chronischen Erkrankungen. Einen guten Überblick über die Priorisierungsgruppen bietet zum Beispiel die Krankenkasse Barmer unter www.barmer.de/coronaimpfung.

Holetschek hat geahnt, dass sich nun einige Bürgerinnen und Bürger - dem Windhundprinzip folgend - erhofft hatten: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Deshalb erklärte der Minister bereits in der Ankündigung des neuen Online-Angebots: "Es besteht aber für Impfwillige kein Grund zur Hektik. Denn eine möglichst schnelle Registrierung führt nicht automatisch zu einem schnellen Impftermin." Doch längst ergeben sich neue Fragen, so etwa die: Wenn alle priorisierten Gruppen die Impfung hinter sich haben, kommen dann jene zuerst dran, die sich bereits online registriert haben? Darauf gab das Gesundheitsministerium am Dienstag nur eine ausweichende Antwort: "Für alle anderen Bürgerinnen und Bürger sind - in einer späteren Phase - dezentrale Impfungen bei den niedergelassenen Ärzten vorgesehen." Jetzt sollten zunächst nur Mitglieder der Prioritätengruppe eins und zwei angemeldet werden, etwa Menschen im Alter über 70, "Vorerkrankte oder Mitarbeiter in medizinischen Einrichtungen". Andere sollten von einer Anmeldung absehen.

Der Grund für die ausweichende Antwort liegt - wie Hintergrundgespräche ergaben - auf der Hand: Im Grunde wissen auch die Fachleute im Ministerium noch nicht, wie sich die Dinge weiterentwickeln. Befürchtet wird zudem eine Überlastung der mit der Impfanmeldung befassten Stellen. Denn so heißt es aus dem Ministerium: Wer nicht jenen Bevölkerungsgruppen angehöre, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes zunächst geimpft werden sollen, der verursache "vermeidbaren Aufwand, da jeder Fall geprüft wird". Und damit eines klar sei: "Falsche Angaben führen nicht zu einer Impfung", sagte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Wann auch die jüngeren und gesünderen Bevölkerungsteile mit dem Impfen dran sind, werde auf jeden Fall rechtzeitig bekanntgegeben.

Wie Rückmeldungen von Lesern an die Süddeutsche Zeitung zeigen, haben aber auch einige Bürgerinnen und Bürger Probleme mit der Online-Anmeldung, die sich strikt an die Priorisierungs-Vorgaben halten. Eine Leserin, die ihre 87-jährigen Eltern für das Impfzentrum München angemeldet hat, schrieb: "Nun kann man aber pro Person einen Account nur einmal verwenden." Sprich die gemeinsame Anmeldung eines Ehepaars sei "gleichzeitig nicht möglich". Auch andere mussten deshalb bereits nach Auswegen suchen: Sie meldeten ihre Schwiegereltern über den Account ihrer Kinder an. "Ich denke, alte Leute, die keine computeraffinen Kinder oder Enkel haben, sind da komplett aufgeschmissen", so der Erfahrungsbericht einer Leserin, die sich jetzt fragt, unter welchem Account sie sich nun selbst online anmelden soll.

Das Gesundheitsministerium begründet das Prozedere damit, dass das gewählte Verfahren der Sicherheit der persönlichen Daten diene. Heißt im Klartext: "Jeder Nutzer benötigt eine eindeutige E-Mail-Adresse", und diese "kann nur einmal verwendet werden". Hintergrund: Bei der Online-Anmeldung werden auch Fakten abgefragt, die Aufschluss über das Alter und den Gesundheitszustand geben, also auch über Vorerkrankungen. Diese Daten sollen sicherstellen, dass beim Impfen zunächst wirklich nur die drankommen, die den Impfschutz benötigen. Aber sie sollen, wie ein SZ-Leser bei seiner Anmeldung erfuhr, möglichst auch für wissenschaftliche Zwecke herangezogen werden.

Beim Bemühen, technische Pannen bei der Online-Anmeldung auszuschließen, sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums vorab Belastungstests "mit etwa 470 000 Menschen gleichzeitig" gemacht worden. Aber Gesundheitsminister Holetschek ist eines durchaus bewusst: "Es gibt gewiss noch die eine oder andere Kinderkrankheit, die man beseitigen muss."

Wer sich nicht online anmelden kann oder will, kann den Impftermin auch telefonisch mit seinem jeweiligen Impfzentrum vereinbaren - oder über die bundesweite Zentralnummer 116 117. Und auch das sei sichergestellt: Hochbetagte Menschen werden, wie sie es von früher kennen, per Post über das Impfangebot informiert.

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SZ vom 13.01.2021/sim/van
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