Bayerische Staatsregierung:Reichlich Stoff für Debatten

Bayerische Staatsregierung: Anerkennung der Pflegeberufe und Eingriffe in die Freiheit sind wegen Corona zu Dauerthemen geworden.

Anerkennung der Pflegeberufe und Eingriffe in die Freiheit sind wegen Corona zu Dauerthemen geworden.

(Foto: Jens Büttner/dpa, Catherina Hess)

Pflegebonus, Grundrechte, Katastrophenschutz, Notfallbetreuung und Finanzhilfen: Die Freien Wähler im Landtag wollen ihre "Lehren aus Corona" präsentieren. Der Vorstoß sei als Diskussionsgrundlage gedacht, nicht als Kritik

Von Lisa Schnell

Drei Monate nach Beginn der Corona-Beschränkungen in Bayern ziehen die Freien Wähler (FW) eine erste Bilanz aus der Krise. An diesem Dienstag will die Fraktion im Landtag ihr Papier "Lehren aus Corona" präsentieren. Kurz davor stellen Fraktionschef Florian Streibl und der parlamentarische Geschäftsführer Fabian Mehring ihre Forderungen in der Süddeutsche Zeitung vor. Sie wollen unter anderem eine bessere Finanzierung von Krankenhäusern, die Beteiligung des Parlaments bei der Einschränkung von Grundrechten und eine Reform des Katastrophenschutzgesetzes. Nicht alle ihrer Vorschläge dürften auf die uneingeschränkte Zustimmung ihres Koalitionspartners, der CSU, stoßen. Als Kritik sei ihr Vorstoß aber nicht gemeint, sagt Streibl, sondern als "Diskussionsgrundlage".

Dazu gehört die Forderung, Einbußen von Krankenhäusern zu übernehmen, die etwa entstehen, weil durch Corona weniger Patienten betreut werden können. "Auf den coronabedingten Kosten dürfen die Träger nicht sitzen bleiben", sagt Mehring, unter dessen Leitung das Papier erarbeitet wurde. Stattdessen soll ein Bericht zeigen, wie hoch die durch Corona entstandenen Einbußen sind, die dann durch Steuergelder beglichen werden sollen. Wer am Ende zahlt, müsse zwischen Bund und Ländern ausdiskutiert werden, sagt Mehring. Langfristig fordern die FW eine andere Finanzierung von Krankenhäusern. Corona habe gezeigt, dass Krankenhäuser nicht wie Wirtschaftsunternehmen behandelt werden könnten, sagt Streibl und sendet damit eine Botschaft in Richtung CSU. "Unter der CSU hat man den schlanken Staat erfunden, der alles Überflüssige abschafft und einspart. In der Krise aber hat sich gezeigt, dass ein schlanker Staat beim Schutz der Bevölkerung versagt." Um auch kleine Krankenhäuser auf dem Land zu stärken, wollen die FW das Fallpauschalensystem überarbeiten und eine Sockelfinanzierung für alle Krankenhäuser. Diese soll die Fixkosten decken und nicht an Bedingungen geknüpft sein wie bestimmte Fallzahlen. Zudem müssten sich die Bezahlung, aber auch die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte verbessern. "Der Pflegebonus von 500 Euro kann maximal der Anfang für wirkliche Reformen sein", sagt Mehring. Hierbei müsse sich Bayern im Bund einsetzen, aber auch der Freistaat habe Möglichkeiten etwa über den Landestarifvertrag oder die Einrichtung einer Pflegekammer - eine alte Forderung der FW, die von der CSU bis jetzt abgelehnt wurde. In letzter Zeit aber hatte auch CSU-Chef Markus Söder angekündigt, sich für höhere Löhne für Pflegekräfte stark zu machen.

Die FW wollen zudem pflegende Angehörige entlasten. Sie fordern den Ausbau von Tages- und Kurzzeitpflege und eine Reform des Pflegegelds nach Vorbild des Elterngelds. Zu ihren Vorschlägen gehört auch eine gemeinsame Auszeit von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen in einer Art "Pflegehotel". Dass alte Menschen und ihre Verwandten wegen eines Virus monatelang getrennt sein müssen, dürfe nicht mehr passieren, sagt Mehring: "Ich will nie wieder, dass wir sagen, wir sperren jetzt mal Oma und Opa für drei Monate weg." Deshalb fordern die FW Hygienekonzepte für Pflegeheime, die Besuche unter Pandemiebedingungen zulassen.

Um die dafür notwendige Schutzkleidung zu gewährleisten, wollen sie einen Vorrat anlegen, zu dem auch Medikamente gehören sollen. Deren Produktion wollen die FW wieder zurück nach Deutschland holen. Damit nennen sie zwei Maßnahmen, die auch von der CSU unterstützt werden. Um die Versorgung sicherzustellen, brauche es zudem eine Reform des Katastrophenschutzgesetzes, sagt Streibl. Bis jetzt sei dieses für den Kriegsfall oder Naturkatastrophen ausgelegt, aber nicht für eine Pandemie wie Corona: "Da muss man nachsteuern. Aus dem Katastrophenschutz muss ein Zivilschutz werden." Streibl schlägt zwei große Lager im Norden und im Süden vor, die auch als Notunterkünfte genutzt werden könnten. Außerdem soll es mehr verpflichtende Katastrophenschutzübungen geben, um auf eine Pandemie vorbereitet zu sein. Auch die Notfallbetreuung für Kinder lief aus Sicht der FW nicht optimal. "Wir haben von den Leuten erwartet, dass sie in die Arbeit gehen, und gleichzeitig sind die Kitas geschlossen. Wir brauchen ein anderes Konzept", sagt Mehring. Studien sollen klären, wie hoch die Ansteckungsgefahr von Kindern ist und ob es durch die Kontaktsperren zu mehr häuslicher Gewalt gekommen ist. Dass diese zu massiven Grundrechtseinschränkungen führten, ist schon jetzt klar.

Coronavirus - Kita Notbetreuung

Auch die Frage, inwieweit Eltern ihre Kinder in der Kita unterbringen können, wird in der aktuellen Lage anhaltend diskutiert.

(Foto: Uwe Zucchi/dpa)

Die FW wollen solche Freiheitseingriffe in Zukunft vom Parlament billigen lassen. Bisher wurden sie alleine von der Exekutive durch eine Rechtsverordnung verhängt. Anders wäre es aus Zeitgründen nicht gegangen, sagt Mehring, für die Zukunft aber solle gelten: "Das Primat muss beim Parlament liegen." Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag der FDP lehnten die FW allerdings ab, weil dieser laut Mehring dazu geführt hätte, dass das Parlament über "jedes Komma" in einer Verordnung berät. Kritik üben die FW zudem an Söders Dreierrat "Grundrechtsschutz". "Wenn ein Rat die Regierung kontrollieren soll, kann er nicht von der Regierung berufen sein", sagt Mehring. Der Rat solle deshalb vom Parlament berufen und besetzt werden und noch mehr Experten umfassen. Derzeit besteht er aus zwei ehemaligen Oberlandesgerichtspräsidenten und einer Kirchenfrau.

Wirtschaftlich wollen die FW, sollte es erneut zu einer Pandemie kommen, von vornherein auch gemeinnützigen Unternehmen Corona-Hilfen geben. Sie fordern steuerliche Erleichterungen für mittelständische Unternehmen und mahnen die Regierung, zum Schuldenabbau zurückzukehren. Damit wollen sie auch zum Ausdruck bringen, dass Söders Motto, alles zu tun, was notwendig ist, egal wie viel es kostet ("whatever it takes"), nicht vollends ihres ist. Söder hatte zuletzt allerdings auch für eine Schuldenobergrenze im Bund geworben. Derzeit ist geplant, die durch Corona aufgenommenen Schulden von 20 Milliarden Euro ab 2024 zurückzuzahlen. Mehring sagt: "Wenn wir schnell einen Impfstoff haben, sollten wir schon beim nächsten Doppelhaushalt damit anfangen."

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