Schulen in Bayern:Schwangere Lehrerinnen müssen auf ihren Einsatz warten

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Eine schwangere Frau am Arbeitsplatz (Symbolbild) (Foto: Ute Grabowsky/imago images/photothek)

Lehrerinnen, die ein Kind erwarten, dürfen vom 4. Oktober an wieder in die Schulen zurückkehren - doch die 70-seitige Unterlage dazu wurde erst kurz vor dem langen Wochenende versendet. Also müssen sich viele in Geduld üben.

Von Anna Günther, Illertissen/München

"Das fühlt sich an wie eine Bestrafung", sagt Maria Reiter. Die Gymnasiallehrerin unterrichtet in Illertissen am Kolleg der Schulbrüder Sport und katholische Religion. Eigentlich. Reiter ist im sechsten Monat schwanger, sie darf ihr Gymnasium derzeit nicht betreten. Dass das Kultusministerium sie mit dieser Corona-bedingten Regelung schützen will, sieht Reiter ein. Schwangere gelten weiter als Risikogruppe, zu wenig ist bekannt über Covid und die Auswirkungen auf Mütter oder deren ungeborene Babies.

Trotzdem fühlt sie sich bestraft - und hielt ihre Schwangerschaft zu Beginn sogar vor Chef und Kollegen geheim, um ihre Klassen bis zu den Sommerferien unterrichten zu können. "Weil es mir super gut ging, habe ich es niemandem gesagt und sowohl Sport als auch Religion unterrichtet", erzählt Reiter am Telefon. "Ich war sogar mit auf dem Jakobsweg." Eine Dauerlösung war das nicht, die eigentlich schöne Nachricht wurde zur Belastung. In der ersten Schulwoche im September meldete Reiter sich bei ihrem Chef und muss seitdem daheim sitzen. Entsprechend ungeduldig ist sie nun und beklagt, seit Wochen "in der Schwebe" zu hängen.

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Am ersten Schultag Mitte September hatte der Ministerrat das Betretungsverbot für schwangere Lehrerinnen gekippt. Der Lehrermangel schlägt dieses Jahr stärker durch als bisher. Und das Infektionsgeschehen lasse eine Lockerung zu, hieß es. Von diesem Dienstag an wird die entsprechende Allgemeinverfügung außer Kraft gesetzt. Zu wertvoll ist die Ressource Lehrerin, 2800 Schwangere meldet das Kultusministerium aktuell. Selbst wenn nur einige an die Schulen zurückkehren, würden deren Schulleiter wohl aufatmen. Zwar sollen Schwangere bisher von daheim aus arbeiten, aber Onlinestunden und Korrekturen sind kein Ersatz für Schulunterricht. Maria Reiter etwa klagt übers "Däumchen drehen", Sportstunden dürfe sie zwar weiter nicht halten, könnte aber ihre Religionsklassen unterrichten. Derzeit werde nur die Oberstufe von Kollegen vertreten. Das Warten frustriere sie sehr, sagt die junge Frau. "Ich hatte gehofft, am vierten Oktober offiziell als Schwangere zurückkehren zu können", sagt Reiter. Es gehe ihr doch immer noch sehr gut. Daraus wird wohl nichts.

Bis Freitagmittag waren an den Schulen noch keine Details zur Umsetzung der neuen Regel angekommen. Gegen 14 verschickte das Kultusministerium dann mehr als 70 Seiten Unterlagen. Es darf bezweifelt werden, dass viele Schulleiter vor dem langen Wochenende diese Papiere bekommen und studiert haben. Entsprechend unwahrscheinlich ist die Rückkehr der Schwangeren an diesem Dienstag. Zu viele Fragen waren ungeklärt.

Es sei sowieso nie so gedacht gewesen, dass am vierten Oktober sofort alle Lehrerinnen wieder im Einsatz seien, hieß es dagegen Freitagnachmittag vom Kultusministerium. Man habe die Schulleiter auch entsprechend informiert. Wer sich an Schulen umhörte, vernahm das aber anders. Zwar hatte das Ministerium am 20. September ein allgemeines Schreiben zu Covid-Schutzmaßnahmen verschickt, in dem kurz erwähnt wurde, dass es sich nicht um einen "Automatismus" handle und trotz des Wegfalls des Betretungsverbots die Schulleitungen jede Schwangere und ihren Einsatzort prüfen müssen.

Trotzdem wuchsen an den Schulen Ärger und Resignation. Man sei das von Corona ja schon gewohnt, hieß es. Das Kultusministerium hatte neue Regeln oft kurzfristig rausgeschickt, die Klagen darüber zogen sich durch beide Corona-Schuljahre. Bei Schulleitern wuchs also wieder Frust, weil sie den Schulbetrieb meist unabhängig von schwangeren Kolleginnen geplant hatten. "Was passiert mit dem Ersatz? Darf ich den behalten? Muss ich die Teamlehrkräfte wieder ausstellen?", fragte etwa Walter Baier, Direktor des Gymnasiums Bruckmühl und Chef der Direktorenvereinigung der Gymnasien.

Die Antwort findet sich nun in den mehr als 70 Seiten Unterlagen: Wenn möglich sollten die Teamlehrer nun anderweitig an der Schule eingesetzt werden, wer weiß wie lange und in welchem Umfang die Schwangeren bis zum Mutterschutz arbeiten könnten. Der Fokus liege weiter klar auf dem Schutz von Mutter und Kind. Die Schulleiter sollen zwei Gefährdungsbeurteilungen erstellen, eine allgemeinübliche und eine "anlassbezogene", in der Tätigkeitsfelder genau abgeklopft werden. Vorher dürfen Schwangere nicht in die Schulen. Die Lehrerinnen sollten zum Beispiel vor allem kleine Gruppen unterrichten. Ganze Klassen sollen sie nur in großen Räumen mit guter Belüftung übernehmen und nicht unbedingt zu den Stoßzeiten die Schule betreten oder verlassen.

Maria Reiter und andere werden sich freuen. Allerdings hatten Lehrerverbände davor gewarnt, dass vorsichtigere Schwangere nun unter Druck stünden zu arbeiten, und auch kritisiert, wieso das Aus des Betretungsverbots nicht früher entschieden worden sei. Zumal offenbar bereits im Frühjahr intern im Kultusministerium über eine Abschaffung diskutiert wurde. Das Warten auf detaillierte Regelungen bezeichnete Hans Rottbauer, Abteilungsleiter für Dienstrecht im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), am Freitag als "unhaltbaren Zustand für Schulleitungen", und kritisierte, dass die Verantwortung auf sie "abgewälzt" werde.

Im Kultusministerium wollte man die Aufregung nicht verstehen: Es sei klar gewesen, dass die meisten Schwangeren zunächst weiter von daheim aus arbeiten. Aber nun seien Schulleiter "in der Lage "anlassbezogene Gefährdungsbeurteilungen im Laufe der nächsten Zeit durchzuführen" und Schwangere "sukzessive" in die Schulen zurückzuholen. Dies sei ein "Prozess, der sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird". Maria Reiter und ihre Kolleginnen werden noch etwas warten müssen.

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