Im Streit um den Corona-Kurs der Staatsregierung zwischen Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und seinem Vize Hubert Aiwanger (FW), hat dieser am Wochenende noch einmal nachgelegt. Ab Mitte Februar müsse "etwas passieren, es sei denn, uns laufen die Zahlen völlig davon", sagte Aiwanger beim virtuellen Neujahrsempfang der FW am Samstag - und untermauerte damit seine Forderung nach Lockerung der Anti-Corona-Maßnahmen im Februar. Kitas, Grund- und Förderschulen müssten öffnen, auch auf die Gefahr hin, sie wieder schließen zu müssen. Diesen "Jo-Jo-Effekt" will Söder vermeiden.
Bereits am Freitag hatte Wirtschaftsminister Aiwanger gefordert, Hotels und Skilifte im Februar wieder zu öffnen - zwei Tage nachdem der Ministerrat den Lockdown bis Mitte Februar verlängert hatte. Dies habe Aiwanger ohne Murren mitbeschlossen, heißt es. Nun forderte er, dass die Wirtschaftsminister der Länder gemeinsam "auch auf Bundesebene diese Öffnungsschritte einfordern" und nicht "wieder wie Kaninchen vor der Schlange warten, was von Frau Merkel und der Ministerpräsidentenkonferenz aus Berlin kommt".
Prompt kassierte Söder diese Aussagen ein: Ohne Namen zu nennen, griff der CSU-Chef die Forderung Aiwangers auf und machte beim virtuellen Neujahrsempfang seiner Partei am Freitagabend deutlich, dass diese Debatte zur Unzeit komme. Die Corona-Maßnahmen würden zunächst bis Mitte Februar gelten, was danach komme, bleibe abzuwarten.
Leider gebe es immer wieder Politiker, die gerne erklärten, "wann ganz sicher was geöffnet wird". Das seien aber auch die Politiker, die früher sagten, Corona sei nicht gefährlich und es werde auch nie eine zweite Welle geben, sagte Söder in Anspielung auf Aussagen Aiwangers.
"Mein dringender Rat ist, wir sollten tun, was notwendig ist", sagte Söder. Einmal mehr setzt sich also das politische Pingpong-Spiel zwischen den Koalitionspartnern CSU und FW fort. In den vergangenen Monaten war FW-Chef Aiwanger mehrmals von der Regierungslinie abgewichen und hatte Lockerungen gefordert. Immer wieder wurde er dafür von Söder gerüffelt, immer wieder legte Aiwanger nach - um die Maßnahmen am Ende im Kabinett doch mitzutragen. Die FW stünden für den "vernünftigen Mittelweg" in der Corona-Krise, sagte Aiwanger am Samstag.
Söder plädiert dagegen für "Vorsicht und Umsicht" und bezieht sich bei seinem Kurs stets auf den Rat der Wissenschaft. Das tat nun auch Aiwanger: Er sei an "der medizinischen, an der wissenschaftlichen Debatte sehr nahe dran", wenn er fordere, Hotels und Schulen nicht noch monatelang geschlossen zu halten. Auch offene Pisten seien an sich kein Problem. Wenn man Skifahren nicht automatisch mit Hüttengaudi verbinde, "dann kann der Gottesdienst gefährlicher sein als Skifahren". Regierungen könnten Einschränkungen nicht länger mit Vorsicht rechtfertigen, Aiwanger forderte eine "differenzierte Debatte", darüber "ob wir wirklich neue Infektionsrisiken schaffen", wenn es Öffnungen gebe.
Die Wurzel dieses Hin und Her dürfte tiefer liegen als Corona. Aiwanger ist ein Minister, der sich qua Amt für die Interessen der Wirtschaft einsetzt und sich selbst als "Korrektiv von Söder und der CSU" versteht. Und er muss gerade zusehen, wie seine FW gegen Söders CSU an Boden verlieren. Auf 48 Prozent kommt die CSU in der jüngsten Umfrage, die FW liegen bei acht Prozent. Sollte dies bei der nächsten Landtagswahl so bleiben, könnte die CSU wieder alleine regieren, Aiwanger müsste von der Regierungs- wieder auf die harte Oppositionsbank wechseln.