Schule während Corona:Immer mehr Schulleiter geben auf

Corona: Selbsttest in der Schule

Alles andere als nice: Die ständigen Tests sowie die anderen Corona-Beschränkungen sorgen dafür, dass immer mehr Schulleiter hinschmeißen.

(Foto: dpa)

In der Corona-Pandemie geben immer mehr Rektoren an Grund- und Mittelschulen ihre Posten auf. Die Begründung: Sie wüssten einfach nicht mehr, wie sie alle Aufgaben bewältigen sollten.

Von Thomas Stöppler

Immer mehr Schulleiter in Bayern schmeißen hin: Mehr als 65 Ersuche von Rektoren auf Entpflichtung hat der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) im laufenden Kalenderjahr gezählt. Vor Corona sei es nie mehr als eine Handvoll gewesen, sagt Gerd Nitschke, erster Vorsitzender des Verbandsvorstands, bei einer Pressekonferenz zur Überlastung der Schulleitungen - insbesondere bei Grund- und Mittelschulen. Täglich erreichen ihn E-Mails und Anrufe von Schulleitern, die den Posten wegen Überlastung abgeben wollten. Viele Schulleiter in Bayern wüssten nicht mehr, wie sie ihren Beruf verantwortungsvoll ausüben sollen.

Der Grund ist die Corona-Pandemie. Sechs Rektoren berichteten am Freitag aus ihrem Alltag, diese allein machten die Situation deutlich, da hätte es die dramatischen rhetorischen Fragen von Präsidentin Simone Fleischmann gar nicht mehr gebraucht. Sabine Bösl etwa, Grundschulrektorin in Holzkirchen, erzählte, dass sie sich über gesetzliche Regelungen über die Presse informiert und nicht auf das Kultusministerium wartet.

Denn dessen Schreiben kämen gerne am Freitagnachmittag, müssten aber Montagfrüh bereits umgesetzt sein. Oft sei das gar nicht möglich - Wochenendarbeit hin oder her. Das Problem ist bekannt, schon vor einem Jahr hatte auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Kommunikation des Kultusministeriums mit den Schulen öffentlich bemängelt. Geändert habe sich aber nichts, sagte Präsidentin Fleischmann.

Was es für die Pädagogen bedeute, permanent erreichbar sein zu müssen, beschrieb Schulleiterin Andrea Zarn aus Haar bei München: Neulich habe sie beim Einkaufen ihr Handy vergessen und "verspürte Glücksgefühle, mal zehn Minuten nicht online zu sein". Alle sechs Schulleiter berichteten, ständig mit Organisatorischem beschäftigt zu sein, um nur das Minimum des Schulbetriebs in Corona-Zeiten am Laufen halten zu können.

Allein die Kontaktverfolgung, welche Schüler in Quarantäne müssten, wenn ein Kind positiv getestet wurde, sei extrem aufwendig. Welchen Unterricht hatte der Betroffene? War es Sport, müssen alle Kinder, die sich in der gleichen Kabine umgezogen haben, in Quarantäne? Wer sind die Sitznachbarn? War die Sitzordnung so wie immer? Wie ist das beim Werkunterricht?

"Die Lehrer halten den Kopf hin"

"Die Realität in der Grundschule ist, dass man nicht von acht bis 13 Uhr am Platz sitzt", erklärt Schulleiterin Zarn. Das mache die Kontaktverfolgung schwieriger. Und das Chaos geht weiter: Wer kommt in den Distanzunterricht und wer leitet diesen? Denn ein Lehrer der vormittags Präsenzunterricht mit der halben Klasse mache, muss dann nachmittags die andere Hälfte im Distanzunterricht betreuen. Wann soll das Vor- und Nachbereiten stattfinden? "Die Lehrer halten den Kopf hin und die Schulleiter müssen das alles organisieren." Aber nicht nur das. Sie müssten auch selbst weiter unterrichten.

Nitsche erläuterte, dass in der Regel sechs bis sieben Stunden pro Woche für Leitungsaufgaben vorgesehen seien. Das sei schon in normalen Zeiten sehr knapp bemessen, in Pandemiezeiten überhaupt nicht zu bewerkstelligen. Für diese Aufgaben gibt es an Grund- und Mittelschulen gut 100 Euro mehr Gehalt. "Für die Kinder, für die Kollegen", das sagen alle Rektoren, das sagen Simone Fleischmann und Gerd Nitzsche, auf die Frage, die keiner ernsthaft stellt: Warum tut man sich das an? So sei es auch wenig verwunderlich, dass immer wieder Leitungspositionen längere Zeit unbesetzt sind. In Unterfranken zum Beispiel sind es 16 von 348 Stellen. Aus einer Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag geht hervor, dass 57 Schulleiterstellen an bayerischen Grund- und Mittelschulen unbesetzt seien.

Oft müssten Rektoren eine zweite Schule leiten und auch für diese Digitalisierungskonzepte erarbeiten oder sogenannte Alltagskompetenzwochen durchführen. Das alles soll zwischen Pooltests, dem Trennen von Gruppen und den Kernaufgaben eines Lehrers passieren: "Wir sollten eigentlich für die Kinder da sein", sagt Zarn und schiebt gleich hinterher: "Wann soll ich das machen?"

Der Frust sitzt tief, auch in der Kommunikation mit den Eltern. Denn für diese seien Entscheidungen kaum nachvollziehbar: Warum muss das eine Kind in Quarantäne und das andere nicht? Warum ist es an der einen Schule so und an der anderen so? Zwar gelten verbindliche Regeln, aber der Einzelfall sei eben immer komplexer. Mit allen Eltern zu kommunizieren und die Entscheidungen darzulegen, dauere eben. Und Zeit fehle an allen Ecken und Enden.

Die Forderungen, die Simone Fleischmann ableitet, sind denkbar einfach: mehr Zeit für Leitungsaufgaben, mehr Personal, klarere Kommunikation seitens der Staatsregierung. Die müsse die "schulischen Realitäten" mehr in ihre Entscheidungen einbeziehen.

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