Wirtschaft:Bayern und China: Es ist kompliziert

Wirtschaft: Erst im Juni vergangenen Jahres hat BMW sein neues Werk in Shenyang eingeweiht. Angesichts der befürchteten Konflikte westlicher Staaten mit China könnte das eine riskante Investition gewesen sein.

Erst im Juni vergangenen Jahres hat BMW sein neues Werk in Shenyang eingeweiht. Angesichts der befürchteten Konflikte westlicher Staaten mit China könnte das eine riskante Investition gewesen sein.

(Foto: IMAGO/Yang Qing/IMAGO/Xinhua)

Der Landtag beschäftigt sich mit dem komplexen Beziehungsgeflecht zwischen dem Freistaat und China - und der Frage, wer da noch durchblickt.

Von Maximilian Gerl

Wie skizziert man etwas, das Hochschulseminare trägt und in Bibliotheken Regalreihen füllt, wenn man dafür nur fünf Minuten Redezeit zur Verfügung hat? Vielleicht, indem man sich auf die zentrale Botschaft beschränkt. "Ich sage nicht viel", schickt also Claudia Wessling vom Mercator Institute for China Studies vorweg. Aber: Die Kommunen hierzulande sollten sich drauf vorbereiten, dass China mit ihnen Kontakt aufnehmen könnte. Für die Städte und Gemeinden sei es deshalb wichtig zu wissen, mit wem sie es da eigentlich zu tun hätten. "China ist ein globaler Akteur, da kommen wir nicht dran vorbei."

Wie weiter, wenn man schon nicht vorbeikommt - das fragt man sich mit Blick auf China derzeit vielerorts, auch in Bayern. Neun Sachverständige hat der Landtag deshalb an diesem Dienstagnachmittag nach München eingeladen, in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen. Das Thema: "Chinas subnationale Diplomatie und die Aktivitäten der Volksrepublik im Freistaat und seinen Kommunen". Oder, stark vereinfacht: Wer blickt noch durch in diesem komplizierten Beziehungsgeflecht, das den Freistaat und das Reich der Mitte miteinander verknüpft?

Die Staatsregierung nicht - finden die Landtags-Grünen, auf deren Betreiben hin die Anhörung stattfindet. Deren europapolitischer Sprecher Florian Siekmann ließ bereits tags zuvor wissen, dass es "mehr China-Kompetenz" und "mehr Unterstützung für die Kommunen im Umgang mit China" brauche. "Bisher agiert die Söder-Regierung zu blauäugig." Dabei stellt man sich derzeit nicht nur in Bayern die Frage, wohin die Beziehungen mit dem mächtigen Partner in Fernost steuern sollen. China tritt zunehmend autoritär auf, die Sorge, dass der Konflikt um Taiwan eskalieren könnte, ist groß. Angesichts der jüngsten Erfahrungen mit Russland würde man da weitere Abhängigkeiten gerne vermeiden, ob in Brüssel, Berlin oder eben München.

So problematisch wie kompliziert macht, dass die Abhängigkeiten längst bestehen. Darauf weisen am Dienstag auch die geladenen Expertinnen und Experten hin - zumindest soweit man sie verstehen kann, der Livestream aus dem Landtag kommt an den Endgeräten stellenweise ohne Ton an. Durchaus symptomatisch für ein Thema, für das die Politik nach einer gemeinsamen Sprache und Haltung sucht. Die Bundesregierung etwa arbeitet seit Monaten an einer China-Strategie, von der sich bislang nur absehen lässt, dass sie den einen zu weit gehen wird und den anderen nicht weit genug.

Sicher ist, dass in Bayern ohne China wenig läuft. Das Land ist wichtig als Zulieferer und Hersteller sowie als Absatzmarkt. Man darf darüber hinaus annehmen, dass sie das auch in China wissen. Dennoch ist dessen Einfluss abseits der Außenhandelsbilanz nur schwer in Zahlen zu messen. Zum Beispiel führt das Wirtschaftsministerium keine Statistiken darüber, wie viele Firmen im Freistaat mehrheitlich chinesischen Investoren gehören. Bekannt sind der Staatsregierung aber "elf bayerische Gemeinden und acht Landkreise", die Partnerschaften mit Kommunen in China pflegen - so ist es einer Antwort auf eine Grünen-Anfrage aus dem Oktober vergangenen Jahres zu entnehmen. Genannt werden unter anderem die Städte Ingolstadt (Zusammenarbeit mit Foshan), Passau (Liuzhou) und Dinkelsbühl (Jingjiang) sowie die Landkreise Rosenheim und Traunstein (beide Hangzhou). Hinzu kommen diverse Hochschulkooperationen und Vereine zur Förderung der chinesisch-bayerischen Beziehungen.

"Wirtschaftlich wäre es ein Desaster"

Auch die Sachverständigen können nur bedingt für bayernspezifisches Datenmaterial liefern. Die Forschung konzentriert sich auf Kontinente und Regionen; auf chinesische Investments in Afrika und Europa zum Beispiel, auf mal mehr, mal minder verdeckte Versuche von Einflussnahme in einzelnen Staaten, auf den Abfluss von Wissen und High Tech. Dafür bieten sich bei der Anhörung ein paar Einblicke, wie ein typisch bayerisch-chinesischer Austausch auf kommunaler Ebene ausschaut. So schildert Regensburgs Wirtschaftsreferent Stephan Barfuß, wie gegenseitige Delegationsbesuche ablaufen. "Mein Eindruck ist, dass so etwas immer auf Augenhöhe passiert", sagt er. "Kontroverse Themen" würden ausgeklammert, allerdings sei die Gegenseite oft besser informiert "als wir über sie". Und was, wenn der Austausch reduziert oder gar abgebrochen würde? "Wirtschaftlich wäre es ein Desaster", sagt Barfuß. Allein für Regensburg stünden Tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel. Energie könne man kurzfristig anderswo einkaufen, Absatzmärkte nicht.

Das macht die Lage aus bayerischer Sicht eher mehr als weniger kompliziert, das wird in der Anhörung deutlich. Wohlstand und Wissenstransfer, Sicherheit und Menschenrechte, Forschung und Spionage - wenn es um China geht, kommen viele Aspekte zusammen. Manche gehen zusammen, andere stehen in Widerspruch. Und Außenpolitik ist - auch wenn das Ministerpräsidenten schon mal anders interpretieren - keine Aufgabe der Bundesländer. Am pragmatischsten ist deshalb vielleicht ein Vorschlag, wie ihn Wessling macht: Um mehr über chinesische Aktivitäten zu erfahren, brauche es generell mehr Vernetzung und Austausch. Und Barfuß befindet: "Gott steh' uns bei, wenn die Chinesen in Taiwan einmarschieren." Das sei der "Worst Case" für die Menschen dort. Doch auch Deutschland und Bayern sehe er weder militärisch noch finanziell vorbereitet. "Hoffentlich treffen wir uns nicht in einem Jahr hier und sagen, darüber hätten wir nachdenken können."

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