Der laute Protest aus Bayern hat nichts genützt, seit April ist der Besitz und Konsum von Cannabis teilweise legal. Die inzwischen gescheiterte Ampel-Regierung hat das beschlossen und auch wenn Bayerns Staatsregierung es Konsumenten weiterhin so schwer wie möglich machen möchte, so gilt das Cannabis-Gesetz auch im Freistaat. Unter anderem ist der Besitz bis zu 25 Gramm Marihuana damit straffrei. Das hat außerdem zur Folge, dass eine Amnestie erhält, wer vor dem 1. April mit einer Menge erwischt wurde, die nach dem neuen Gesetz nicht mehr strafbar ist. Entsprechende Einträge im Bundeszentralregister können auf Antrag gelöscht werden.
Allerdings sind solche Vergehen oft auch in den Datenbanken der bayerischen Polizei gespeichert. Das könnte nun dazu führen, dass frühere Sünder bei Kontrollen auch heute strenger überprüft werden, befürchten Kritiker.
Ein solcher ist der Grünen-Landtagsabgeordnete Florian Siekmann. Er fordert: Polizei-Datenbanken sollten so aufgebaut sein, „dass Delikte automatisiert gelöscht werden, wenn sie nicht länger polizeirelevant sind“. So dürfe die Polizei Daten nicht nach Belieben speichern, sondern brauche gute Gründe, etwa wenn es dazu diene, weitere Taten zu verhindern. „Wenn der Grund für das Speichern – die Strafbarkeit in der Vergangenheit – weggefallen ist, dann gibt es keinen Grund, warum es weiter gespeichert werden sollte“, sagt er am Telefon. In einer schriftlichen Anfrage an das Innenministerium wollte er deshalb wissen, wie viele Cannabis-Vergehen in den Datenbanken der Polizei vermerkt sind – und was mit ihnen passiert.
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308 155 Personen sind im Informationssystem der bayerischen Polizei mit mindestens einem Betäubungsmittel-Delikt (BTM) gespeichert, heißt es in der Antwort des Innenministeriums. Wie viele davon etwas mit Cannabis zu tun haben und wie viele mit anderen Drogen, könne nicht ausgewertet werden. Ebenso wenig sei eine „automatisierte Detektion“ jener Vergehen möglich, die vor der Gesetzesänderung illegal waren. Um herauszufinden, was gelöscht werden könnte, müssten also alle Einträge einzeln ausgewertet werden, was zu einem „nicht vertretbaren zeitlichen und personellen Aufwand“ führen würde, schreibt das Ministerium. Auf Nachfrage der SZ, ob an einer Automatisierung gearbeitet werde, heißt es, dass die „vielfältigen Parameter eine aufwendige manuelle Einzelprüfung nicht ersetzen“ könnten: „Insofern erfolgt die Löschung nur auf Antrag.“
Ein Unding, findet Florian Siekmann. In den vergangenen Jahren sei viel investiert worden, um polizeiliche Daten miteinander zu verknüpfen und mögliche Straftäter besser ausfindig zu machen. Das sei erst mal legitim, aber: „Wenn ich so viele Daten sammle, muss ich auch in der Lage sein, diese bürgerrechtsfreundlich zu bereinigen, ohne Tausende Einzelfallanträge zu bearbeiten“, sagt er. Betroffenen sei oft gar nicht bewusst, dass ihre Daten gespeichert sind. Siekmann befürchtet, dass bei Kontrollen von Personen, bei denen der Polizei ein BTM-Delikt angezeigt wird, strenger hingeschaut würde. Zumal in Bayern, wo bei Cannabis schon in kleinsten Mengen „sehr repressiv“ vorgegangen worden sei.
Das Innenministerium verweist auch auf das Cannabis-Gesetz selbst. Dort steht, dass über eine Tilgung des Eintrags im Bundeszentralregister „auf Antrag“ der Person entschieden wird. Das könne „auf polizeiliche Datenbestände übertragen werden“.