Eine Sache muss man Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dann doch zugutehalten, findet Florian Degenhart: „Er hat als Politiker mal sein Wort gehalten. Es wurde angekündigt, die Legalisierung so restriktiv wie möglich zu gestalten – und genau so kam es dann auch.“ Verhindern konnte Söder trotzdem nicht, dass bald etwas Grünes in seinem weiß-blauen Bayern noch beliebter werden dürfte. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) erteilte am Mittwoch erstmals drei Cannabis-Clubs im Freistaat eine Anbaugenehmigung.
Einer der drei Vereine ist der CSC Inntal Raubling (Landkreis Rosenheim), der von Florian Degenhart gegründet wurde. Den Antrag auf Anbaugenehmigung hat er bereits am 12. Juli vergangenen Jahres beim LGL gestellt. Doch immer wieder forderte die Behörde zusätzliche Unterlagen an. „Das hat alles sehr lange gedauert“, sagt Degenhart. Dabei hatte das LGL eigens zwanzig Stellen für die Bearbeitung der Anträge geschaffen. Dennoch beschreibt Degenhart die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden als „kooperativ“ und „sehr positiv“. Sein Eindruck: „Ich hatte immer das Gefühl sie möchten, dürfen aber nicht.“

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Um diesen Eindruck zu gewinnen, muss man sich nicht erst den bürokratischen Aufwand einer Anbaugenehmigung antun. Ministerpräsident Söder kündigte nach der Teillegalisierung persönlich einen Abwehrkampf gegen Cannabis in Bayern an ( „Wir werden uns an allem beteiligen, was dieses Gesetz außer Kraft oder verzögert oder später oder anders in Szene setzen lässt“). Er gab damit die Marschrichtung für seine Verwaltung vor: maximale Bürokratie für Cannabis-Vereine, maximale Kontrolle auf den Straßen, maximale Strafen im landeseigenen Cannabis-Bußgeldkatalog, maximale Abschreckung, maximale Restriktion.
Was das in der Praxis bedeutet, zeigt sich am sogenannten Mitwirkungskonzept. Hier muss ein Verein laut LGL darlegen, „in welchem zeitlichen Umfang die Mitglieder am Cannabis-Anbau mitwirken und wie die Mitwirkung sichergestellt sowie dokumentiert wird“. Insbesondere für größere Vereine mit 500 Mitgliedern ist das ein Problem, wenn beispielsweise jedes Mitglied dazu verpflichtet wird, sechs Stunden pro Jahr beim Anbau mitzuhelfen. Abgesehen davon, dass nicht jedes Mitglied Zeit und Lust hat, sich zu beteiligen.
Für Degenhart war der letzte Schritt zur Anbaugenehmigung eine Besichtigung mit dem LGL und der örtlichen Polizei im Februar, bei der das Sicherheitskonzept besprochen wurde. Der Verein musste das Konzept anschließend leicht anpassen, erfüllte sonst aber alle Anforderungen. Dass seinem Verein nun die Genehmigung erteilt wurde, hängt für Degenhart mit den Koalitionsverhandlungen in Berlin zusammen. „Die sind für uns relativ gut ausgegangen. An der Cannabis-Legalisierung wird nichts geändert.“ Zwar soll die Freigabe „ergebnisoffen evaluiert“ werden, wie es im Koalitionsvertrag heißt – allerdings plante das Gesundheitsministerium ohnehin eine wissenschaftliche Begleitung der Teillegalisierung.

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Degenhart vermutet, dass die Landesregierung die Genehmigungen so lange wie möglich hinauszögern wollte – in der Hoffnung, die Legalisierung bei den Koalitionsverhandlungen doch noch zurückdrehen zu können. Zudem hätten die Vereine bei einer erteilten Genehmigung, die später wieder zurückgenommen worden wäre, Schadenersatzansprüche gegen die Behörden geltend machen können. Das bayerische Gesundheitsministerium machte am Donnerstag keinen Hehl aus seinem Unmut. Die Freigaben seien lediglich aufgrund „unausweichlicher rechtlicher Zwänge“ erfolgt. Ein „Freifahrtschein zum uneingeschränkten Kiffen in Bayern“ sei das aber nicht, betonte Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU).
Bis Degenhart sein eigenes, legal angebautes Gras ernten kann, steht ihm und seinem Verein noch einiges bevor. Es geht nun an die Umsetzung des Sicherheitskonzepts: Sicherheitstüren, vergitterte Fenster, Alarmanlagen. Der Umbau muss anschließend erneut vom LGL abgenommen werden. Erst danach darf mit dem Anbau begonnen werden. Und bis zur ersten Ernte? „Das dauert wahrscheinlich noch fünf oder sechs Monate.“ Die ersten positiven Effekte der Genehmigung spürt er aber jetzt schon. Seit Dienstag sind bereits zehn neue Mitgliedsanträge eingegangen.