Süddeutsche Zeitung

Unter Bayern:Willkommen im Bayerischen Bundestag

Was wäre, wenn der Freistaat aus Ärger über die Wahlrechtsreform einfach sein eigenes nationales Parlament gründet - und zwar in Niederbayern?

Glosse von Roman Deininger

München, 24. März. Im Streit mit der Ampel um die Wahlrechtsreform hat die Staatsregierung die Einrichtung eines zusätzlichen Bundestags auf bayerischem Boden beschlossen. "Wer sich auf Berlin verlässt, ist verlassen. Wir machen lieber etwas Eigenes", sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Freitag bei der Grundsteinlegung des neuen Parlamentsgebäudes im niederbayerischen Freyung. "Mit 2071 Abgeordneten wird unser Bundestag der größte in ganz Deutschland sein", so Söder. "Wo andere Demokratie abbauen, bauen wir sie auf."

Laut Söder soll jede der 2056 bayerischen Gemeinden ebenso wie jedes der 15 anderen Bundesländer jeweils einen direkt gewählten Vertreter in den neuen Bundestag entsenden. "Mit diesem simplen Verteilungsschlüssel ist eine starke Stimme Bayerns in Deutschland gewährleistet." Das "klare, leicht verständliche Wahlsystem" werde "das Vertrauen der Bürger in die repräsentative Demokratie wiederherstellen". Söder betonte, dass die bayerische Wahlrechtsreform sich keinesfalls gegen den Bundestag in Berlin richte: "Der darf schon bleiben. Aber er ist halt nur noch einer von zwei Bundestagen."

Der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sagte, er habe dem Standort Freyung gerne zugestimmt, weil zugleich der neue Dritte Senat des Bundesverfassungsgerichts in Grafenau angesiedelt werde. "Dann ist das auch für uns eine runde Geschichte", so Aiwanger. "Wir gehen von mehreren Dutzend neuen Arbeitsplätzen aus, es kommen ja neben den Richtern auch normale, anständige Leute nach Grafenau." Söder dankte Aiwanger für seine Unterstützung: "Man sieht, wenn der Wille zu Reform und Kompromiss da ist, kommt man zu guten Ergebnissen. Das hat in Berlin über Jahrzehnte gefehlt." Söder betonte, dass die Bau- und Verwaltungskosten für den neuen Bundestag "vollständig von den Einnahmen aus unserem geheimen Fracking-Projekt in Niedersachsen gedeckt" seien.

Der Bayerische Bundestag soll sich nach Angaben der Staatsregierung noch vor Ostern konstituieren und schon in seiner ersten Sitzung eine Neuregelung des Länderfinanzausgleichs beschließen. "Ich bin gespannt, zu welcher Lösung das freie Spiel der parlamentarischen Kräfte da kommt", so Söder. Ampel-Vertreter kritisierten die bayerischen Pläne am Freitag als "Anschlag auf die Demokratie", "eine massive Manipulation des Wählerwillens" und "absolut verfassungswidrig". Grünen-Chefin Ricarda Lang kündigte eine Verfassungsklage an: "Das wird Grafenau ganz sicher nicht so stehen lassen."

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