Vor den Kameras und Mikrofonen herrscht Einigkeit. „Ich glaube, es ist völlig klar, dass sich unser Land in vielen Bereichen verknotet hat“, sagt etwa Karsten Wildberger. Der Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung (CDU) ist am Montagvormittag zu Besuch in München, um sich mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik über Entbürokratisierung und Digitalisierung auszutauschen; zum „Forum Digitale Transformation“ in der Zentrale der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW). „Ausgesprochen konstruktiv“ nennt Wildberger die Gespräche hinterher vor der Presse. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stellt dem Gast aus Berlin sogar ein „übereinstimmendes Mindset“ aus. Daher könne man „völlige Rückendeckung“ signalisieren. „Das tun wir ja in Bayern ohnehin gerne für die Bundesregierung.“
Zumindest eint die Regierungen in München und Berlin manchmal mehr, als sie trennt. Beide haben sich nämlich die Staatsmodernisierung auf die Fahnen geschrieben. In Bayern habe man bereits 700 Maßnahmen angestoßen, sagt Söder und verweist unter anderem auf die überarbeitete Bauordnung. Aber, auch da sind sich am Montag offiziell alle einig: Das reicht noch nicht, gerade angesichts der anhaltenden Wirtschaftsflaute. „Der Staat muss seine administrativen Ansprüche deutlich zurückstellen“, fordert VBW-Präsident Wolfram Hatz.
Tatsächlich machen andere Staaten vor, wie sich der Umgang mit der Bürokratie simpler – und digitaler – gestalten ließe. Geht es nach Söder und Wildberger, dann soll die öffentliche Verwaltung hierfür künftig mit Künstlicher Intelligenz arbeiten. Daneben setzt man im Bund unter anderem auf Zentralisierungen. Ein Kabinettsbeschluss von Anfang Oktober sieht vor, die digitale Kfz-Zulassung zu bündeln, weg von den lokalen Behörden, hin zu einem deutschlandweiten Online-Service. Auch Unternehmensgründungen sollen einfacher werden. Das begrüßt Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW): Insgesamt müsse man schneller und besser werden, „sonst verlieren wir Wohlstand“. Einen Großteil der Bürokratie sieht Aiwanger indes in Brüssel verortet. „Wir sind zu kompliziert, wir können gegen Amerika, China & Co. nicht mehr konkurrieren, wenn wir so weitermachen.“
Doch bisher scheitert die Digitalisierung der Bürokratie mitunter an grundsätzlichen Dingen. Zum Beispiel fehlenden Schnittstellen. So herrscht auf der kommunalen Ebene ein Wildwuchs an Programmen, der den Datenaustausch zwischen Ämtern und Behörden erschwert. Bei den Grünen im Landtag sieht man deshalb die Ankündigungen der Staatsregierung kritisch. „Ministerpräsident Söder redet über digitale Freiheit, aber seine eigene Verwaltung bleibt offline“, teilt Benjamin Adjei mit, Fraktionssprecher für Digitales. Innovation scheitere in Bayern nicht an Ideen, sondern an Zuständigkeiten und Mut in der Staatsregierung. „Wer digitalisieren will, muss auch bereit sein, eigene Strukturen zu modernisieren – statt immer nur auf den Bund zu zeigen.“
Der dort Verantwortliche warnt vor dem „Trugschluss“, dass die alten Strukturen in kurzer Zeit umbaubar seien. „Wir haben gefühlt 20 Jahre Beton ausgetragen“, sagt Wildberger. Dann geht es für ihn weiter nach Augsburg, zusammen mit Bayerns Digitalminister Fabian Mehring (FW). Er wolle sich „vor Ort überzeugen“, sagt Wildberger, wie die Digitalisierung der Verwaltung gelingen könne.

