Landespolitik:Bürgerentscheide treiben Klimaschutz voran

Landespolitik: Der Streit um die Windkraft spiegelt sich auch in der Statistik der Bürgerbegehren in Bayern wider. Das zeigt jetzt ein Bericht des Vereins "Mehr Demokratie".

Der Streit um die Windkraft spiegelt sich auch in der Statistik der Bürgerbegehren in Bayern wider. Das zeigt jetzt ein Bericht des Vereins "Mehr Demokratie".

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Das zeigt eine Auswertung von "Mehr Demokratie in Bayern". Der Verein fordert Erleichterungen für die Initiativen.

Von Christian Sebald

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind ein willkommenes Instrument für Klimawandel-Leugner und Gegner der Energiewende. So kann man es immer wieder hören. Nach Überzeugung des Vereins "Mehr Demokratie in Bayern" ist das ein Vorurteil und schlichtweg falsch. Aus seiner Sicht ist das Gegenteil der Fall. "Die direkte Demokratie treibt den Klimaschutz voran", sagt Steffen Krenzer von "Mehr Demokratie". "Und zwar gerade in Bayern." Der Verein, der sich für Bürgerbegehren, Bürgerentscheide und andere Formen der direkten Demokratie einsetzt, stützt seine Aussage auf eine Auswertung in seinem aktuellen Bürgerbegehrensbericht.

Danach ist Bayern nicht nur bundesweit Spitze, was Bürgerbegehren, Bürgerentscheide und Ratsbegehren insgesamt anbelangt. Seit ihrer Einführung 1995 gab es insgesamt 3485 solche Initiativen, das entspricht 40 Prozent der direktdemokratischen Verfahren in ganz Deutschland. Sondern Bayern ist außerdem führend in Sachen direktdemokratische Klimaschutz-Initiativen. Allein in den letzten zehn Jahren gab es 153 Stück, das entspricht 13 Prozent aller direktdemokratischen Initiativen im Freistaat und 40 Prozent der direktdemokratischen Klimaschutz-Initiativen in ganz Deutschland in dem Zeitraum. Zwei Drittel wollten den Klimaschutz befördern, indem sie beispielsweise schärfere Klimaschutzziele für ihre Region einforderten. "Nur ein Drittel wollte ihn bremsen", sagt Krenzer, diese Initiativen richteten sich beispielsweise gegen Pläne für einen Wind- oder einen Solarpark.

Der erbitterte Streit um die Windkraft der zurückliegenden Jahre bildet sich auch in der Bürgerbegehrens-Statistik ab. Mit 37 Stück war sie das häufigste Thema der klimapolitischen Initiativen der vergangenen zehn Jahre. Zählt man die sechs Initiativen hinzu, in denen um die spezifischen Bedingungen für den Bau von Windkraftanlagen gestritten wurde, waren es sogar 43. Auf Rang zwei der klimapolitischen Initiativen folgten Verkehrsthemen (27 Stück), auf Rang drei PV-Freiflächenanlagen (25 Stück), Rang vier belegten Fußgänger- und Radentscheide.

Außerdem zeigt sich laut Krenzer sehr deutlich, dass der Klimaschutz den Menschen immer wichtiger wird. "Die Zahl der Klimaschutz-Initiativen ist im Lauf der letzten Jahre deutlich angestiegen", sagt er. Im Fünf-Jahres-Zeitraum 2013 bis 2017 waren es 61 Stück, zwischen 2018 und 2022 bereits 92. Aber nicht nur das. Die Zahl der Initiativen, die den Klimaschutz befördern wollten, hat sich von einem Fünf-Jahres-Zeitraum auf den anderen mehr als verdoppelt, die Zahl der bremsenden dagegen ist rückläufig.

Verein fordert Erleichterungen

Die große Zahl der Bürgerbegehren, gleich ob sie nun den Klimaschutz, Bauprojekte, öffentliche Einrichtungen oder andere Themen betreffen, zeigt für "Mehr Demokratie" das immense Bedürfnis der Bevölkerung, sich direkt in die Gestaltung ihres Lebensumfelds einzuschalten. Deshalb fordert der Verein Erleichterungen für die Initiativen - vor allem eine Absenkung der Zustimmungsquoren. In Kommunen bis 50 000 Einwohner etwa müssen 20 Prozent der Abstimmungsberechtigten ein Bürgerbegehren per Bürgerentscheid befürworten, damit es erfolgreich ist. "Das ist zu hoch", sagt "Mehr Demokratie"-Geschäftsführer Jan Renner. "Jedes vierte Bürgerbegehren scheitert an dieser Hürde." Oder die Bindungswirkung eines Bürgerentscheids von einem Jahr. "Sie wird vielfach als Verfallsdatum fehlinterpretiert, manche Kommunen sitzen sie einfach aus und starten dann einen neuen Anlauf für das umstrittene Projekt", sagt Renner. "Sie gehört weg oder wenigstens auf drei Jahre verlängert."

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