Süddeutsche Zeitung

Seonalm:Kahlschlag am Brünnstein

  • Am Brünnstein haben Waldbesitzer auf einer Fläche von zehn Hektar alle Lärchen abgeholzt.
  • Der von Felsblöcken durchsetzte Lärchenwald hinter der Seonalm war eine Besonderheit.
  • Umweltminister Thorsten Glauber (FW) ist entsetzt. "Das ist ein schwerer Eingriff in einen sehr sensiblen Naturraum", sagt er.

Von Christian Sebald

Die Almen rund um den Brünnstein, das Steilner Joch und den Großen und Kleinen Thraiten sind eines der beliebtesten Wandergebiete in den Bergen südlich von Rosenheim. Hat man erst einmal die Anstiege vom Ursprungtal, der Rosengasse, dem Gießenbachtal oder von Mühlau aus hinter sich, breiten sich auf 1400 Meter Höhe weitläufige sattgrüne Bergwiesen mit zahlreichen Almhütten aus. Zu den Besonderheiten dort oben zählte ein uriger, von Felsblöcken durchsetzter Lärchenwald hinter der Seonalm.

Vor allem nach den ersten herbstlichen Frostnächten bot er einen herrlichen Anblick. Dann nämlich leuchteten die Lärchen, die als einzige Nadelbaumart über den Winter die Nadeln abwerfen, hellgelb in der Landschaft. Der Lärchenwald an der Seonalm ist Vergangenheit. Er ist in rabiaten Fällaktionen plattgemacht worden. Sogar Umweltminister Thorsten Glauber (FW) ist entsetzt. "Das ist ein schwerer Eingriff in einen sehr sensiblen Naturraum", sagt er. "Dabei ist unsere Bergnatur besonders schutzwürdig."

Öffentlich gemacht hat den Naturfrevel der Wanderer und Journalist Martin Adamczyk im Donaukurier. Adamczyk ist immer wieder in dem Almgebiet unterwegs, so auch an einem Wochenende in diesem November. Als er vom Sudelfeld zur Seonalm aufgestiegen war, war er entsetzt. "Das einst so idyllische Hochtal war eine Mondlandschaft", sagt er, "statt dem vormaligen Lärchenwald gab es nur noch Baumstümpfe, der Waldboden und die Wanderwege waren von schweren Maschinen zerpflügt, an einem Wegrand lag ein gigantischer Stapel Baumstämme."

Mitten auf der verwüsteten Waldfläche entdeckte Adamczyk ein Schild, das die Wanderer darauf hinweist, dass sie sich einem Landschaftsschutzgebiet mit seltenen Pflanzen und Wildtieren befinden. "Für mich war das der reinste Hohn", sagt er.

Auch die Förster sind bestürzt. "Wenn man das sieht, blutet einem das Herz", sagt Marius Benner vom Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten in Rosenheim. Er ist für die Almen von Brünnstein bis zum Großen und Kleinen Thraiten zuständig. Nach seinen Worten sind an der Seonalm etwa zehn Hektar Lärchen- und Fichtenwald Opfer der Sägen geworden. Die Fällungen haben sich demnach über mehrere Jahre hingezogen.

Und da war es geschehen. Der größte Teil des Lärchenwalds war umgelegt

"Erste Hinweise haben wir 2016 bekommen", sagt Benner. "Darauf haben wir mit den beiden Waldbesitzern gesprochen und sie eindringlich darauf hingewiesen, dass die sehr sensibel vorgehen sollen, eben weil es sich um einen besonderen Wald handelt." Lärchen gedeihen von Natur aus in Hochlagen bis etwa 2500 Meter. Auf 1400 Metern Höhe sind sie eher ungewöhnlich. Der Lärchenwald an der Seonalm war laut Benner etwa hundert Jahre alt, er wurde einst von Almbauern angelegt.

Nach dem Gespräch mit den beiden Waldbesitzern war erst einmal Ruhe. "Wir waren 2017 auf der Seonalm und haben keine weiteren Fällungen festgestellt", sagt Benner. Im Spätherbst 2018 meldeten erneut Wanderer massive Baumfrevel. "Aber dann kam uns der schneereiche Winter dazwischen", sagt Benner, "wir konnten erst im Frühsommer 2018 hinauf zur Seonalm." Und da war es geschehen. Der größte Teil des Lärchenwalds war umgelegt.

Die Schäden, die der Wanderer Adamczyk beobachtet hat, sind gleichsam der Schlusspunkt des Frevels. Die Waldbesitzer an der Seonalm sind ein Kleinunternehmer aus der Region und Rolf Sachs, Sohn des Industrieerben und Fotografen Gunter Sachs. Die Familie Sachs unterhält seit vielen Jahren oben am Brünnstein ein weitläufiges Bergjagdrevier mit etlichen Almen und eigener Jagdverwaltung. Weder der Kleinunternehmer noch die Jagdverwaltung Sachs waren für Stellungnahmen erreichbar.

Welche Konsequenzen der Frevel haben wird, ist derzeit offen. Zumal die Rechtslage schwierig ist. Auch wenn das für Laien schwer verständlich ist: Im Sinne des Waldgesetzes sind etwa Drittel des vormaligen Lärchenwalds kein Wald. Sondern Weideland und damit Agrarfläche, die frei von Bewuchs und damit frei von Bäumen gehalten werden darf. Das verbleibende Drittel sei zwar Wald gewesen, sagt Bennet.

Aber ihn hätten die Besitzer vom Waldgesetz her ebenfalls umlegen dürfen - "auch wenn sie richtig unsensibel vorgegangen sind". Handhabe könnte nur das Naturschutzgesetz bieten - wenn die Waldbesitzer mit der rohen Aktion ein gesetzlich geschütztes Biotop zerstört haben. Dann könnten sie verpflichtet werden, es wieder herzustellen. Das Rosenheimer Landratsamt, das sich auch in den Fall eingeschaltet hat, und Förster Benner rechnen damit, dass dies zumindest für Teile des einstigen Lärchenwalds angeordnet werden wird.

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SZ vom 29.11.2019/vewo
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