Insolvent sei seine Brauerei nicht, sagt Rudolf Hopf. Trotzdem müsse man irgendwann „einen Punkt“ setzen. Den hat der Geschäftsführer von Lang-Bräu in Wunsiedel inzwischen gemacht: Voraussichtlich zum 31. Mai 2025 wird seine Familienunternehmen das Brauen einstellen, notgedrungen, nach 170 Jahren. Gründe dafür gibt es mehrere. Hopf spricht am Telefon von einer „Schere“, die immer weiter auseinandergegangen sei; von einem „toxischen Mix“ aus sinkenden Absätzen und steigenden Kosten, Preisdruck und Investitionsbedarf. Zum Beispiel müssten das Brauereigebäude und die Technik darin erneuert werden. Das würde auch angesichts gestiegener Zinsen rund zwölf Millionen Euro kosten – zu viel. Langfristig lasse sich der Betrieb nicht „seriös“ aufrechterhalten, sagt Hopf, es fehle die Perspektive. Also hat er sich für den Abschied aus freien Stücken entschieden. „Bevor wir aus der Schwäche heraus schließen, sperren wir lieber aus der Stärke heraus zu.“
Damit befindet sich Lang-Bräu dieser Tage unfreiwillig in guter Gesellschaft. „Der Gesamtmarkt spielt gegen uns“, sagt Hopf, „auch gegen jede andere Brauerei.“ Dabei hat die Braukunst das Bild Bayerns mitgeprägt. Doch nun könnte sich im Bierland etwas zusammenbrauen: Der Pro-Kopf-Konsum sinkt, der Wettbewerb wird härter. Wer kann, sucht nach neuen Absatzwegen. Wer nicht kann, sperrt womöglich zu.
Der Zwiespalt zeigt sich auch in den Zahlen. Laut Bundesamt für Statistik setzten Deutschlands Brauer im Jahr 2024 fast 14 Prozent weniger Bier ab als 2014. Dafür mehrten sich die Brauereischließungen. 26 davon gab es allein in Bayern zwischen 2019 und 2023. Für 2024 liegen noch keine abschließenden Zahlen vor, aber regional prominente Namen. Das Karmeliter-Bräu in Bad Neustadt an der Saale machte nach 672 Jahren zu, die Gesellschaftsbrauerei Viechtach nach 471 Jahren, die Schlössle-Brauerei in Neu-Ulm nach 334 Jahren; die Marken werden nun teils von anderen Brauereien weitergebraut. Für 2025 wurden dem Bayerischem Brauerbund bereits zwei Schließungen angekündigt. Auch die Partner-Branche Gastronomie meldet Probleme. Einer Umfrage des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga zufolge fürchtet jeder dritte der befragten Betriebe, in diesem Jahr „in die Verlustzone zu rutschen“.
Trotzdem steht die bayerische Brauwirtschaft immer noch vergleichsweise gut da - dank des Dursts im Ausland. Die Exportquote lag zuletzt bei gut 24 Prozent. Auch deshalb wuchs der Gesamtabsatz auf rund 26 Millionen Hektoliter, alkoholfreies Bier eingerechnet. Mancherorts wird sogar kräftig investiert. So bohrt in der Landeshauptstadt mit Münchner Kindl inzwischen eine achte Biermarke nach Wasser. Und in Abensberg (Landkreis Kelheim) hat die Brauerei zum Kuchlbauer viel Geld in die Hand genommen, um ein klimapositives Logistikzentrum zu bauen.
Die jüngeren trinken weniger – und sind weniger
Während die einen Geld in die Hand nehmen, gelten bei den anderen die Finanzen als an- bis überspannt. Dabei gibt es seit Langem Warnungen vor Überkapazitäten und Investitionsrückständen. Während der Corona-Jahre litt die Branche dann unter geschlossenen Wirtsstuben und abgesagten Volksfesten, rutschten insbesondere Brauereigasthöfe durchs Raster der Corona-Hilfen; so groß war die Not, dass Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zu einem „Brauerei-Gipfel“ nach München lud. Hinzu kommen demografische Verschiebungen. Jüngere Menschen trinken tendenziell weniger Bier als die Generationen vor ihnen. Und weniger Köpfe und Kehlen sind sie auch noch.
Es kommt also gerade viel zusammen. Es seien „herausfordernde Zeiten“, heißt es auf der Jahrespressekonferenz des Bayerischen Brauerbunds am vergangenen Donnerstag. Der Kostendruck sei extrem, ob bei der Energie, beim Personal oder beim Transport. „Das alles wäre noch verkraftbar“, sagt Vizepräsident Michael Möller – wenn die Umsätze denn mitzögen. Aber „die Erlösentwicklung hinkt schon seit Jahren hinter der Kostenentwicklung hinterher“. Dazu befinde man sich „in einem fundamentalen Umbruch“, die Rolle des Bieres in der Gesellschaft verändere sich. Selbst beim Export herrschen Fragezeichen, etwa wie weit sich die USA auch gegenüber ausländischem Bier abschotten werden.
Aus Sicht des Brauerbunds ist Hopfen und Malz aber nicht verloren. Wie andere Wirtschaftsorganisationen fordert er von der künftigen Bundesregierung weniger Bürokratie, mehr Planungssicherheit und günstigere Energie. Außerdem brauche es eine „differenzierte Alkoholpolitik, die zwischen Genuss und Missbrauch unterscheidet“. Daneben gewinnt für die Brauereien alkoholfreies Bier an Bedeutung. Sein Anteil am Gesamtabsatz lag in Bayern im Jahr 2024 bei knapp neun Prozent, Tendenz weiter steigend.
In der Branche ist schon vom „Verramschen“ des Biers die Rede
Allerdings ist alkoholfreies Bier nicht für alle Unternehmen gleichermaßen eine Lösung. Zum einen fehlen kleineren Brauereien bisweilen die Herstellungsmöglichkeiten, zum anderen gilt der Markt trotz aller Wachstumsprognosen als umkämpft. Dabei ist der Bier-Wettbewerb ohnehin härter geworden. Jeder Hektoliter zählt. Manche Brauereien setzen dazu auf Kampfpreise, in der Hoffnung, so im Getränkehandel genug Kisten absetzen zu können. Dem können oder möchten nicht alle Brauer etwas entgegensetzen. Von einem „Verdrängungswettbewerb“ ist deshalb in der Branche schon die Rede, von einem „Konzentrationsprozess“, der vor allem den breiten Brauereimittelstand treffe. Von einem „Verramschen“, das am Ende alle teuer zu stehen kommen werde.
Bei Lang-Bräu in Wunsiedel hat man lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende gewählt. Nun geht es darum, dem „Familienunternehmen sauber und geordnet auf den letzten Metern Ehre zu erweisen“, wie es Chef Hopf in einem Beitrag auf der Firmenwebseite formuliert hat. Am Telefon sagt er, das Wichtigste seien die Mitarbeiter. Man versuche, sie bei anderen Betrieben in der Region unterzubringen. Auch das zur Brauerei gehörende Bräustüberl Schönbrunn soll bleiben, der Pachtvertrag läuft weiter. Nur Bier werden sie dort wohl bald anderes ausschenken müssen.