Süddeutsche Zeitung

Brauchtum an Pfingsten:Zünftige Wasserschlacht

Das Pfingstbrauchtum wird dominiert von Klassikern wie dem Kötztinger Umritt. In manchen Dörfern aber ist das Wasservogelsingen das Großereignis der Feiertage - und hat oft das Ziel, hübsche Mädchen zu erobern.

Von Hans Kratzer

Der seltsame Brauch des Wasservogelsingens weckt unweigerlich Erinnerungen an das Haberfeldtreiben im 19. Jahrhundert, denn hier wie dort haben wir es mit vermummten Gestalten zu tun, die in dubioser Absicht in ein Anwesen eindringen. Nur dass die Wasservögel, obwohl sie die Hausbewohner mit frechen Sprüchen beehren, am Ende selber wie begossene Pudel dastehen - und nicht unangetastet wie die Haberfeldtreiber als selbsternannte Strafjustiz. Wer also das Wasservogelsingen weiter pflegen will, der sollte nicht zimperlich und vor allem nicht wasserscheu sein.

Dieser eigentlich schon vergessene Pfingstbrauch erfreut sich im Bayerischen Wald wieder zunehmender Beliebtheit, auch wenn die Medien bislang kaum davon Notiz nehmen und den Fokus lieber auf die bekannten Pfingstbrauchtümer richten, also auf den Kötztinger Pfingstritt, auf die Bogenberger Wallfahrt und auf das Englmarisuchen in Sankt Englmar.

Der Wasservogel besteht aus einer Gruppe junger Burschen, die in der Nacht vom Pfingstsonntag auf Montag mehrere Anwesen aufsuchen, entweder auf eine milde Gabe hoffend oder auf die Anwesenheit hübscher Mädchen. Was im Folgenden abläuft, hat der Volkskundler Reinhard Haller in jahrelanger Feldforschung beobachtet und in einem Buch dokumentiert. Seine Schilderungen zeigen, wie schnell sich ein Brauch ändern kann, vor allem durch den zunehmenden Alkoholkonsum bei den Teilnehmern.

Zunächst wecken die Burschen mit ihrem Gesang die vermeintlich schlafenden Hofbewohner auf. Die Wasservogelgruppe besteht aus dem Ansinger, dem Oarkater (Eierkater) sowie aus den Begleitern, die in den Refrain des Wasservogelliedes einstimmen. Wohlweislich streifen sie sich wasserfeste Umhänge und Feuerwehrmäntel über, denn noch während ihres Gesangs schicken sich die Frauen auf dem Balkon an, unter Jubelschreien aus Kübeln, Gießkannen und Krügen Wasser auf die Sänger zu schütten. Rechtzeitig werden zu diesem Zweck alle verfügbaren Behälter mit Wasser gefüllt und auf den Balkon geschleppt.

Im Dorf Voitschlag, in dem Haller den Brauch beobachtet hat, umfasst der Gesang des Wasservogels 35 Strophen, wobei deren Vortrag wie "ein monotones Psalmodieren" anmutet. Das klingt dann etwa so: "Der Bauer hat a faule Dirn, de woaß ihr gor koa Wasser z'kriang!" Nach dem Refrain erfolgt das erste Wasserschütten vom Balkon, das die Sänger aber nicht beeindruckt.

"Es tuat uns recht vodriassn, wenns da net besser giassn!" Nun setzt ein Guss von allen Seiten ein, dem die patschnassen Wasservögel aber gesanglich so lange trotzen, bis die Hausbesitzer Geschenke herausrücken. Früher wurden den Burschen Eier ausgehändigt, heute gibt's auch Münzen und Schnäpse.

Mancherorts gehen nun auch die mit Schläuchen und Wasserbomben lauernden Männer, Jugendlichen und Kinder zum Angriff über, sodass das Geschehen in eine unkontrollierte Wasserschlacht mündet. Anstelle des Wasservogels ist in manchen Gegenden Ober- und Niederbayerns der Pfingstl unterwegs.

Das ist ein Bursche, der am ganzen Körper mit Birkenlaub vermummt wird. Auf seiner archaischen Betteltour begleiten ihn Mädchen, die ihm den Weg weisen, und Treiber, die den Neugierigen Hiebe versetzen. In Bischofsmais ist dieses Brauchtum am Pfingstmontag von 9 Uhr an mitzuerleben.

Weitere Informationen in Reinhard Hallers Buch "Alte und neue Jahresbräuche, Volkskundliche Protokolle aus fünf Jahrzehnten", Ohetaler-Verlag.

Dieser Text ist am 17. Mai 2013 in der Süddeutschen Zeitung erschienen.

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SZ vom 17.05.2013/wib/kast
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