Bobbahn am Königsee:"Man muss leider damit rechnen, dass ähnliches immer wieder passiert"

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Eine vom Starkregen ausgelöste Schlamm- und Gerölllawine hat die Bob- und Rodelbahn am Königssee im Juli schwer beschädigt. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Bob- und Rodelbahn am Königssee ist durch die Unwetter erheblich beschädigt worden. Lohnt sich der Wiederaufbau überhaupt?

Von Gregor Grosse

1332 Meter lang ist die älteste Bob- und Rodelbahn der Welt, Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 120 Stundenkilometern können auf ihr erreicht werden. Wann und ob auf der traditionsreichen Kunsteisbahn am Königssee je wieder Bobs, Rennrodel und Skeletons herunterrasen können, steht weiterhin in den Sternen. Regenmassen und Schlammlawinen haben im Juli weite Teile der Anlage massiv beschädigt. Geröll und Schutt vom naheliegenden Grünstein setzten der Eisbahn schwer zu. Bayerische Rennrodler und Politiker zeigen sich bestürzt über die dramatischen Ereignisse.

Der Vorstandsvorsitzende des Bob- und Schlittenverbands (BSD), Thomas Schwab, schätzt die Höhe der Schäden im zweistelligen Millionenbereich. Eine konkrete Summe könne er noch nicht benennen. Betroffen seien vor allem die Hauptversorgungsleitung und die daran hängenden Ventilstationen. Darüber hinaus gibt es laut Schwab "nicht abschätzbare Fundamentunterspülungen". Landrat Bernhard Kern (CSU) sagt, dass die Stromversorgung und zwei Bahnsegmente komplett erneuert werden müssten. Außerdem müssten vier Fünftel der Bahnschale saniert werden.

Der Hauptgrund für die schweren Schäden ist nach Angaben des BSD-Vorsitzenden eine an der Bobbahn gelegene Brücke über den Klingerbach. Sie war während des Unwetters verstopft worden. "Die Geröllmassen haben sich bis nach oben hin angesammelt", sagt Schwab. Deshalb habe sich der Klingerbach seinen Weg nach rechts durch die Bobbahn gebahnt. Der Zustand der Bahn war für Schwab und die anderen Verantwortlichen zunächst aber zweitrangig. Priorität habe die Hilfe für geschädigte Anwohner gehabt, deren Häuser und Privatbesitz in Gefahr waren. Schlamm- und Geröllmassen hätten sich auf halber Höhe um die anliegenden Häuser gelegt. "Ob die Bahn eine Woche früher oder später geräumt werden sollte, war uns völlig wurscht", sagt Schwab. Doch wie geht es in Zukunft weiter mit der "Mutter aller Bobbahnen" und lohnt sich der Wiederaufbau überhaupt? Und noch wichtiger: Kann so etwas wieder passieren?

Georg Hackl hat auf der Bahn zahlreiche Titel gewonnen. (Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Peter Ramsauer (CSU), Ex-Bundesverkehrsminister und lokaler Direktkandidat für den Bundestag, fordert einen schnellen Wiederaufbau. Die Kunsteisbahn habe eine erhebliche Bedeutung für das Berchtesgadener Land, gerade im Hinblick auf Tourismus und Breitensport, lässt Ramsauer mitteilen. Daneben besitze sie eine zentrale Bedeutung für andere Institutionen, wie zum Beispiel für die Kaderschmiede der deutschen Spitzenathleten oder der Sportförderung der Bundeswehr. "Daraus ergibt sich konsequenterweise eine erhebliche bundessportpolitische Dimension für die gesamte Bahn", sagt er. Der Bundestagsabgeordnete hat bereits kurz nach der Katastrophe die Bahn besichtigt und gemeinsam mit Parteifreunden überregionale Hilfe versprochen. "Es wird sowohl Bundes- wie Landeshilfe geben", sagt Ramsauer. Wie genau die finanzielle Unterstützung aussehen soll, weiß er aber noch nicht. "Wie wir die Instandsetzungskosten zwischen Bund und Land aufteilen, bleibt noch zu klären", sagt Ramsauer.

Der Grünen im Berchtesgadener Land wollen sich dagegen noch nicht für oder gegen einen Wiederaufbau der Kunsteisbahn aussprechen. "Es gibt auf Kreisebene keine Angaben darüber, wie hoch die Schäden sind, was getan werden müsste oder wer das finanzieren soll", sagt deren Sprecher Bernhard Zimmer. Deswegen sei es zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, zu der Thematik konkret Stellung zu beziehen. "Wir wissen lediglich, dass etwas kaputt ist und man was tun muss. Es macht jedoch keinen Sinn ins Blaue reinzuraten", sagt Zimmer. Keinesfalls dürften die Kommunen auf den Kosten sitzen bleiben. Das Unglück muss nach Worten des Grünen-Sprechers gründlich aufgearbeitet werden. "Das ist an einer Stelle passiert, wo nichts hätte passieren dürfen", sagt Zimmer. Er bezieht sich dabei auf ein geologisches Gutachten, dass den Hang hinter der Eisbahn als sicher einstufte. "Daher muss hinterfragt werden, ob man das an gleicher Stelle noch mal machen kann". Es brauche "Gründlichkeit und Geduld", um eine Entscheidung treffen zu können. "Im Wahlkampf sind viele leider sehr ungeduldig", sagt Zimmer.

Der Bund Naturschutz (BN) hat schon 2009 kritisiert, dass der Startpunkt der Rodelbahn weiter nach oben verlegt wurde. "Das Gelände ist in den geologischen Karten als Hochrisikogebiet ausgewiesen", sagt die örtliche BN-Chefin Rita Poser. Die Naturschützerin hält es für fragwürdig, dass ebendort nun mit einem "Heidenaufwand" der Wiederaufbau vorangetrieben werden soll. Darum sollte man ihrer Meinung nach sorgfältig prüfen, ob die Wiederherstellung der Bobbahn wirklich sinnvoll ist. "Man muss leider damit rechnen, dass ähnliches immer wieder passiert", sagt Poser. Zumal es viele weitere Probleme gebe. "Die Politik hängt sich da jetzt sehr weit aus dem Fenster, insbesondere in Person von Ramsauer", sagt Poser. "Man sollte jetzt den Fachleuten den Vortritt lassen." Es dürfe nicht politisch entschieden werden, sondern auf Basis der Geologie.

Auch Ramsauer will nach seinen Worten auf die Expertise von Geologen und Ingenieuren setzen. Der aktuelle Stand aus seiner Sicht: Der obere Teil der Bahn, der bisherige Herrenstart, soll zugunsten der Hang- und Bachbett-Verbauung aufgegeben werden. "Dadurch können die Bahn als solche sowie die Anwohner der Bahn künftig zuverlässig vor weiteren Muren-Abgängen und ähnlichem definitiv gesichert werden", betont Ramsauer.

So sieht das auch der BSD-Vorsitzende Schwab. "Der gefährdete Bereich der Bobbahn wird dadurch komplett verschwinden", sagt er. Dafür sollen 150 Meter der Strecke komplett ersetzt werden. Es habe bereits etliche Spendenanfragen für die Wiederherstellung der Bobbahn gegeben. Schwab verweist dabei stets auf geschädigte Anwohner, die hiervon weitaus mehr profitieren könnten. "Die Eisbahn kostet mehrere Millionen - was bringen da 80 000 Euro an Spenden?", fragt er. Für die Anwohner aber sei schon eine "stattliche Summe" eingegangen.

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Ein Zeitpunkt für den Wiederaufbau der traditionsreichen Bobbahn steht noch nicht fest. Schwab hofft, dass damit noch in diesem Jahr begonnen werden kann. Insbesondere für die Nachwuchsarbeit wäre eine längere Schließung der Bahn aus sportlicher Sicht "tödlich", meint der Verbandschef. Die Grünen im Berchtesgadener Land dagegen bleiben skeptisch: "Es sind Steuergelder, die da ausgegeben werden", sagt ihr Sprecher, "das muss ordentlich ablaufen."

© SZ vom 30.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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