Süddeutsche Zeitung

Agrarpolitik in Bayern:Bio-Bauern in der Krise

Steigende Lebensmittelpreise, sparsame Verbraucher und hohe Produktionskosten treffen auch die Öko-Szene. Die Bauern fordern mehr Förderung vom Freistaat. Ihre Befürchtung: Sonst wird das Ziel von 30 Prozent Bio-Landwirtschaft bis 2030 verfehlt.

Von Christian Sebald

Angesichts der immensen Inflation bei den Lebensmittelpreisen, der Verunsicherung der Verbraucher und den hohen Steigerungen bei ihren Produktionskosten fordern die bayerischen Bio-Bauern Unterstützung vom Freistaat. "Wir brauchen dringend mehr Förderung", sagt Hubert Heigl. "Sonst werden wir das Ziel 30 Prozent Bio-Landwirtschaft in Bayern bis 2030, das sich die Staatsregierung per Gesetz vorgegeben hat, nicht erreichen." Heigl, der in der Oberpfalz eine ökologische Schweinezucht führt, ist Vorsitzender der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau, der Dachorganisation der vier großen Ökoverbände Bioland, Naturland, Biokreis und Demeter. Seine Kernforderung: Der Freistaat soll den Bio-Bauern von 2023 an bis zu 317 Euro für jeden Hektar Ackerland bezahlen, den sie ökologisch bewirtschaften - so wie das die EU unlängst ermöglicht hat. Bisher beträgt der Höchstsatz 273 Euro.

Die Bio-Branche hat beispiellose Boomjahre hinter sich. Laut statistischem Bundesamt hat sich der Anteil der Bio-Lebensmittel am Lebensmittelumsatz in Deutschland binnen zehn Jahren mehr als verdoppelt, zuletzt belief sich der Umsatz der Branche auf 15,87 Milliarden Euro. Bio-Lebensmittel bekommt man längst nicht mehr nur im Naturkosthandel, sondern auch in Supermärkten und Discountern. Das Corona-Jahr 2020 war das Spitzenjahr der Branche, die Wachstumsrate explodierte förmlich um 22 Prozent. "Damals waren ja Restaurants und Wirtschaften genauso wie alle anderen Freizeitstätten monatelang zu, die Menschen waren im Home-Office, da haben sich viele hochwertige Lebensmittel gegönnt und aufs Kochen verlegt", sagt Heigl. "Davon haben wir sehr profitiert."

Die Zahl der Bio-Bauern ist stark gewachsen

Aber nicht nur Bio-Lebensmittel haben geboomt, sondern auch die Zahl der Bio-Bauern ist stark gewachsen. Viele konventionelle Bauern haben die Öko-Landwirtschaft als Zukunftschance für ihre Betriebe erkannt. Denn mit Bio-Weizen, Bio-Milch und ihren anderen Bio-Produkten haben sie bisher deutlich bessere Preise erzielt als mit den konventionellen Pendants. Außerdem waren die Erlöse für Bio traditionell sehr viel stabiler als in der konventionellen Landwirtschaft. Die Bio-Bauern waren nicht so einem Auf und Ab ausgesetzt wie ihre konventionellen Kollegen. Und das biologische Wirtschaften kommt Bauern entgegen, die nicht so stark wachsen wollen und offen sind für landwirtschaftliche Nischen.

Letzteres dürfte ein wichtiger Grund sein, warum die Bio-Landwirtschaft inzwischen in Bayern besonders ausgeprägt ist. Hier stehen traditionell besonders viele kleine und mittelgroße Bauernhöfe. Ein anderer wichtiger Grund ist, dass die Staatsregierung die Bio-Bauern besonders fördert. Nach dem überaus erfolgreichen "Volksbegehren Artenvielfalt - Rettet die Bienen" 2019 haben Staatsregierung und Landtag im bayerischen Naturschutzgesetz verankert, dass bis 2030 im Freistaat 30 Prozent der Agrarfläche ökologisch bewirtschaftet werden sollen, um die Artenvielfalt zu fördern. Das wären rund eine Million Hektar Agrarland.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Zwar ist das ökologisch bewirtschaftete Agrarland zuletzt jedes Jahr stets um mindestens zehn Prozent gewachsen. Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) rühmt Bayern deshalb stets als "Bio-Land Nummer eins in Deutschland". Ende 2021 wurden jedoch laut Zahlen der Landesanstalt für Landwirtschaft erst 379 000 Hektar oder zwölf Prozent des Agrarlands nach biologischen Richtlinien bestellt. Es fehlen also noch gut 600 000 Hektar oder 18 Prozentpunkte. Dabei sind es nur noch acht Jahre bis 2030. "Das 30-Prozent-Ziel war von Anbeginn an sehr ambitioniert", sagen Experten wie Professor Paul Michels, der an der landwirtschaftlichen Hochschule Weihenstephan-Triesdorf Ökonomie und Marktforschung lehrt. "Es war immer klar, dass es große Anstrengungen braucht, um es zu erreichen."

"Es herrscht maximale Verunsicherung"

Die Anstrengungen dürften eher noch größer werden. Der Ukraine-Krieg und in seiner Folge die Krise auf den Agrarmärkten und in der Lebensmittelbranche wirbeln nun auch die Öko-Szene durcheinander. "Es herrscht maximale Verunsicherung", sagt Heigl. "Bei den Verbrauchern, uns Bio-Bauern und den Verarbeitern." Die Inflationsrate bei Nahrungsmitteln betrug zuletzt elf Prozent. "Das belastet natürlich zuerst die teureren Produkte", sagt Heigl. "Und dazu gehört nun mal Bio." Er geht fest davon aus, dass viele Bio-Käufer sparen werden. "Die Richtung ist klar: Auch bei Bio geht es hin zu billiger", sagt Heigl. "Der Naturkosthandel spürt das bereits, dort sind die Umsätze eingebrochen." Aus seiner Sicht nützt es da wenig, dass "Bio-Kunden treue Kunden sind und auch in Krisen Bio-Lebensmittel kaufen", wie Professor Michels betont. "Die Umsätze dürften mindestens stagnieren", sagt Heigl.

Außerdem macht den Bio-Bauern zu schaffen, dass ihre Produktionskosten deutlich ansteigen. "Zwar arbeiten wir nicht mit Kunstdünger", sagt Heigl, "deshalb trifft uns dessen Verteuerung nicht." Aber wie ihre konventionellen Kollegen leiden die Bio-Landwirte unter den hohen Preise für Energie, Maschinen, den Bau neuer Anlagen und anderes mehr. Und noch etwas bereitet Heigl Sorgen. "Die Abstände zwischen den Erlösen für konventionelle und ökologische Produkte werden immer geringer", sagt er. "Beim Weizen bewegen sie sich schon ungefähr auf dem gleichen Niveau." Damit fällt aber ein wichtiger Grund weg, warum konventionelle Bauern auf Bio umstellen. "Denn wieso sollten sie all die Mühen der Umstellung auf sich nehmen, wenn sie danach nicht mehr Geld für ihren Weizen bekommen als vorher." Heigls Befürchtung: Auch die Bio-Landwirtschaft könnte dieses Jahr stagnieren.

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