Bildungspolitik:Der Jubel für den Entwurf des neuen Hochschulgesetzes bleibt aus

Bildungspolitik: Verglichen mit der Aufregung, die den Entstehungsprozess des Entwurfs für das neue Hochschulgesetz begleitet hat, fallen die ersten Reaktionen eher entspannt aus.

Verglichen mit der Aufregung, die den Entstehungsprozess des Entwurfs für das neue Hochschulgesetz begleitet hat, fallen die ersten Reaktionen eher entspannt aus.

(Foto: Stephan Rumpf)

Minister Sibler hält es für einen großen Wurf, die Betroffenen kommentieren es noch eher vage: Was sich nun an Hochschulen verändern könnte.

Von Sabine Buchwald, Andreas Glas und Lea Weinmann

Da liegt es nun, dieses Papier, das die Hochschulen in Schrecken versetzt hat, noch bevor die erste Zeile geschrieben war. 62 Seiten, eng bedruckt. "Ein großer, ein überzeugender Wurf", findet Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU), der den Entwurf für das Hochschulinnovationsgesetz am Dienstag präsentiert hat. Aber stimmt das wirklich? In jedem Fall ist es ein Entwurf, der von den Hochschulleitungen erst eingehend durchgearbeitet werden muss, weshalb ihn die wenigsten voreilig kommentieren wollen.

Zu den ersten Gratulanten gehörte die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW), die sich freute, dass "Unternehmergeist und Unternehmertum" im Entwurf "deutlich gefördert" würden. Ist das Papier also wirklich "der neoliberalen Mottenkiste" entsprungen, wie die SPD nun lästert? Eben das gehörte zu den Sorgen an Bayerns Universitäten und Hochschulen: Dass da ein Gesetz kommt, das die Häuser zu Wirtschaftsunternehmen umbaut.

Mehr Freiheit, mehr Innovation, weniger Bürokratie, das waren die Versprechen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an die Hochschulen. Lange drang wenig nach außen über das geplante Gesetz, außer eines Eckpunktepapiers, das Gerüchte und Sorgen nur noch weiter anheizte. Jetzt, da der Gesetzentwurf vorliegt, ist Minister Sibler darum bemüht, die Bedenken endgültig wieder einzufangen. Das Gesetz mache aus Universitäten und Hochschulen "keine Dax-Firmen", sagt er und betont etwa den Fokus auf Talentförderung, mehr Chancen für Start-ups und den Landesstudierendenrat, der verankert worden sei.

Verglichen mit der Aufregung, die den Entstehungsprozess des Entwurfs begleitet hat, fallen die ersten Reaktionen eher entspannt aus. Das Ministerium habe "ausführlich Hausaufgaben gemacht", sagt Max-Emanuel Geis, Professor für Hochschulrecht und bayerischer Landeschef des Deutschen Hochschulverbands (DHV). Er sieht den Entwurf "durchaus positiv", nur in wenigen Details und Formulierungen müsse nachgeschärft werden.

Viele der Sorgen, die die Hochschulen im Herbst 2020 beschäftigten, seien beseitigt worden. So sei der Dreiklang aus Lehre, Forschung und Transfer - im Eckpunktepapier noch als neuer Auftrag der Hochschulen festgeschrieben - entschärft. Der "Wissens- und Technologietransfer" wird nun zwar genannt, aber nicht in einem Atemzug mit Forschung und Lehre. "Die totale ökonomische Sichtweise ist deutlich zurückgefahren worden", sagt Geis. Andererseits fragen sich manche, was damit letztlich übrig geblieben ist vom Innovationssprung, den Söder versprochen hat - und ob das mit dem großen Wurf nicht etwas übertrieben ist. Gar so viel ändere sich nicht, auch so ein Satz, der häufiger fällt.

Was DHV-Landeschef Geis freut: Mit einer Zweidrittelmehrheit kann der Senat künftig die Hochschulleitung abwählen - quasi als Notbremse gegenüber einem Präsidium. Die Neuregelung stelle die Balance zwischen den Organen wieder her, sagt Geis. Entgegen der Befürchtungen sei der Entwurf ein "ausdrückliches Bekenntnis zur akademischen Selbstverwaltung". Es bleibt den Hochschulen selbst überlassen, ob sie Körperschaften des öffentlichen Rechts werden und damit losgelöst von der Obhut des Ministeriums über Budget, Bauvorhaben und Stellen entscheiden. Das dürfte diejenigen beruhigen, die eine Allmacht der Unipräsidenten befürchteten.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) Bayern lehnt den Entwurf dezidiert ab. Sprecherin Christiane Fuchs kritisiert den "starken Fokus auf Unternehmertum". Studierendenvertreter beklagen derweil, dass ihr Recht auf demokratische Beteiligung in dem Papier nur unzureichend festgehalten sei, trotz Studierendenrats. "Insgesamt sind wir demokratisch eher schlechter gestellt als vorher", sagt Anna-Maria Trinkgeld, Sprecherin der Landes-Asten-Konferenz (LAK) Bayern. Zudem hatten die Studierenden gehofft, Nachhaltigkeit würde eine größere Rolle spielen. Zwar sind der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, Klimaschutz und Bildung für nachhaltige Entwicklung im Entwurf als allgemeine Aufgaben verankert. Doch es fehle gänzlich an festen Strukturen, Anreizen, konkreten Zielvorgaben, sagt Trinkgeld. Hier müsse der Freistaat nachbessern, fordert auch das Netzwerk Hochschule und Nachhaltigkeit Bayern.

Margit Weber, Sprecherin der Frauenbeauftragten der Hochschulen, lobt das Kaskadenmodell bei den Besetzungen von Professuren, auch die 40-Prozent-Regelung zugunsten der Frauen in der Hochschulleitung sei ein guter Schritt. Beides hatte sie immer wieder gefordert. Sie kritisiert, dass die gesetzlich vorgegebene beratende Mitgliedschaft der Frauenbeauftragten in der Hochschulleitung nicht aufgenommen wurde. "Das wäre innovativ und ein Zeichen für Chancengerechtigkeit gewesen."

Sabine Doering-Manteuffel, die Augsburger Uni-Präsidentin und Sprecherin der Universitäten, äußert sich noch recht vage. Der Entwurf sei "gegenüber dem Eckpunktepapier in wesentlichen Teilen verändert worden". Von einem "Bündel passender Instrumente zur Weiterentwicklung" der Universitäten spricht sie. Sie werde das Papier genauer durcharbeiten mit der Frage: Wie stark will ein Ministerium loslassen? Echte Euphorie hört sich anders an. Am 11. und 12. Juni diskutieren Sachverständige den Entwurf im Wissenschaftsausschuss.

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