Bienen-Volksbegehren:"Noch lange, lange nicht auf der Zielgeraden"

Bienen-Volksbegehren: Der Rote Apollo zählt zu den prächtigsten heimischen Schmetterlingen. Einst war der Falter, der es sonnig und trocken mag und sich gerne an felsigen Hängen tummelt, in Bayern weit verbreitet. Inzwischen sind fast alle Vorkommen verschwunden.

Der Rote Apollo zählt zu den prächtigsten heimischen Schmetterlingen. Einst war der Falter, der es sonnig und trocken mag und sich gerne an felsigen Hängen tummelt, in Bayern weit verbreitet. Inzwischen sind fast alle Vorkommen verschwunden.

(Foto: imago stock&people)

Vier Jahre nach dem Volksbegehren "Rettet die Bienen" kritisieren ÖDP, Grüne und LBV, den schleppenden Ausbau der Bio-Landwirtschaft. 30 Prozent der Betriebe sollen bis 2030 in Bayern so arbeiten, bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Von Christian Sebald

Es ist vier Jahre her, dass 1,7 Millionen Wähler die Staatsregierung aufgefordert haben, deutlich mehr für den Naturschutz zu tun als bis dahin. 18 Prozent der Wahlberechtigten sprachen sich im Februar 2019 für das "Volksbegehren Artenvielfalt - Rettet die Bienen" aus, die Initiative von ÖDP, Grünen, Landesbund für Vogelschutz (LBV) und diversen kleineren Organisationen war das erfolgreichste Volksbegehren überhaupt im Freistaat. Der Biologe Andreas Segerer, der an der Zoologischen Staatssammlung arbeitet und zu den renommiertesten Schmetterlingsexperten Bayerns zählt, unterstützte die Initiative nach Kräften. Fragt man Segerer heute, was sie gebracht hat, bekommt man eine ernüchternde Antwort.

"Es gibt zwei zentrale Ursachen für den dramatischen Artenschwund - auch hier bei uns in Bayern", sagt Segerer also. "Das sind der massive Einsatz von Dünger und chemischem Pflanzenschutz in der konventionellen Landwirtschaft und die Zerstückelung und Versiegelung unserer Landschaften durch immer neue Bauprojekte." Wer wirklich etwas für den Erhalt der Artenvielfalt tun wolle, müsse diese beiden Punkte angehen. "Dafür braucht es aber einen Systemwechsel - sowohl in der Landwirtschaft, als auch beim Flächenverbrauch", sagt Segerer. "Das Volksbegehren war dafür allenfalls der Anfang."

Bei der ÖDP-Politikerin Agnes Becker, die das Volksbegehren seinerzeit gestartet hatte, hört sich die Vier-Jahres-Bilanz so an: "Wir hatten ja gehofft, dass Ministerpräsident Markus Söder nach unserem Erfolg verstanden hat, wie wichtig den Menschen in Bayern eine intakte Natur ist", sagt sie. Inzwischen sei sie eines Besseren belehrt worden. "Unsere Bewegung war so groß, dass Söder erkannt hat, dass er ihren Erfolg nicht verhindern kann", sagt sie. "Deshalb hat er sich gesagt, dann stell ich mich wenigstens an ihre Spitze. Das, worum es geht, hat er nicht verstanden." Ludwig Hartmann von den Landtags-Grünen nennt Söder gar den "größten Versprechensbrecher Bayerns im Natur- und im Artenschutz". Und selbst LBV-Chef Norbert Schäffer, seit jeher der zurückhaltendste der drei und auch nicht in einem Landtagswahlkampf, sagt, "dass wir noch lange, lange nicht auf der Zielgeraden sind".

Mehr Bio in Kantinen und Großküchen

Wie Segerer sehen Becker, Hartmann und Schäffer das größte Problem beim Umbau der Landwirtschaft: 30 Prozent Bio-Landwirtschaft soll es bis 2030 in Bayern geben - so hat es das Volksbegehren gefordert, so hat es die Staatsregierung in das neue Naturschutzgesetz geschrieben. Allein es geht nicht recht voran. 2022 haben 300 Bauern mit zusammen 7000 Hektar Agrarland auf Bio umgestellt. Das hat Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) am Sonntag bekannt gegeben. Damit beträgt die Zahl der Öko-Betriebe in Bayern nun 12 000. Sie bewirtschaften knapp 415 000 Hektar. Der Anteil der Bio-Bauern beträgt erst 13 Prozent. Das ist deutschlandweit Mittelfeld und bis 2030 sind es nur noch sieben Jahre.

Dabei hätte es die Ministerin in der Hand, sagen Becker, Hartmann und Schäffer. Sie hätte längst ein Programm für Bio-Lebensmittel in staatlichen Kantinen und Großküchen auflegen können, sagt Becker. "Das würde die Nachfrage nach Bio sofort anheben und außerdem das Bewusstsein der Verbraucher befördern." Bislang verweigert sich die Staatsregierung der Forderung. Mit dem üppigen Förderprogramm für die Bio-Bauern, das Kaniber zu Jahresbeginn gestartet hat, ist es nach Beckers Sicht nicht getan. Auch was den Biotop-Verbund anbelangt - bis 2030 soll er 15 Prozent der offenen Landschaften umfassen -, sehen die Initiatoren großen Nachbesserungsbedarf.

Aber es gibt auch Erfolge: So hat sich die Staatsregierung der Forderung nach verpflichtenden Gewässerrandstreifen gebeugt. Das sind fünf Meter breite Streifen entlang von Bächen und kleinen Flüssen, die frei von Dünger und Pflanzenschutzmitteln bleiben müssen und auf denen die Bauern nicht ackern dürfen. Sie sind nun Standard und werden die Artenvielfalt an den Ufern und in den Gewässern voranbringen. Oder der Streuobstpakt. Dabei sollen nicht nur der Bestand an Streuobstbäumen erhalten, sondern außerdem eine Million neue gepflanzt werden. Diese Projekte stoßen auch bei Becker, Hartmann und Schäffer auf Anerkennung. Der Biologe Segerer lobt sie ebenfalls - mit einer Einschränkung: "Allein damit werden wir die Artenvielfalt nicht erhalten können."

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