Historische RezepteDer Biber geht als Fastenspeise durch - bis heute

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Mit Rosmarin und Lorbeer gewürzt soll Biber manchen recht gut schmecken.
Mit Rosmarin und Lorbeer gewürzt soll Biber manchen recht gut schmecken. (Foto: Patrick Pleul)

Gedünstet, gebraten, als Ragout oder Wurst: Früher haben die Menschen in Bayern zur Fastenzeit gerne Biber gegessen. Schwimmt im Wasser, ist also ein Fisch. Kein Fleisch. Auch heute werden wieder Biber geschossen, die im Kochtopf landen.

Von Florian Fuchs

Ein bayerisches Rezept aus dem Jahr 1802 rät dem Koch, einen Biber wie ein Lamm zu vierteilen, eines der Stücke dann zu waschen und in einen Topf zu legen, gemeinsam mit Lorbeer, Rosmarin, Nelke und Zitronenschalen. Anschließend dünsten, mit etwas Erbsensuppe, Wein und Essig, Zwiebeln und Butter. Schließlich den Biber am Spieß braun braten und mit Semmelbrösel bestreuen.

Biber haben die Menschen in Bayern über Jahrhunderte gegessen, vor allem zur Fastenzeit. Was schwimmt, gilt als Fisch – zwischen Aschermittwoch und Ostern sind die Katholiken schon immer erfinderisch gewesen, um nicht auf ihr Fleisch verzichten zu müssen. So mussten in diesem Zeitraum auch Fischotter oder Enten verstärkt daran glauben. Heute ist der Biber wieder so großflächig im Freistaat angesiedelt, dass jährlich unter Auflagen etwa 2500 Tiere entnommen werden dürfen – und dann auch zum Teil auf dem Teller landen.

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Der Bibermanager des Bundes Naturschutz für den Süden Bayerns etwa, Gerhard Schwab, hat schon öfter mal Biber gekocht. Ein junger Biber, sagt er, lässt sich vom Geschmack nur schwer von Rindfleisch unterscheiden. „Kocht man ihn mit Rotweinsauce, schmeckt man vor allem die Rotweinsauce.“ Ältere Biber hätten ähnlich wie alte Wildsäue schon eher einen Eigengeschmack, der sich aber schwer beschreiben lasse. Langsam gebraten bei 80 Grad im Ofen von morgens bis nachmittags: Das habe dann ein bisschen den Geschmack von Bibergeil, sagt Schwab, einem Sekret, das die Tiere in zwei Drüsensäcken nahe dem After bilden.

50 000 Biber gibt es heute in Deutschland, etwa die Hälfte davon lebt im Freistaat. Recht viel vermehren werden sie sich in Bayern nicht mehr, dafür reicht der Platz nicht. Aber ausbreiten wird sich der Biber weiter gen Norden, sodass dort die Zahl der Tiere noch steigen wird, da ist sich Biberexperte Schwab sicher.

Gerade weil die Wiederansiedlung des großflächig ausgerotteten Tiers eine solche Erfolgsgeschichte und der Freistaat so dicht besiedelt ist, gibt es öfter mal Ärger um den Biber, wenn er Dämme baut oder Deiche untergräbt. Der Biber, schimpfen nicht nur Landwirte, muss dann weg. Gerhard Schwab moderiert solche Konflikte. Im Oberallgäu streiten der Bund Naturschutz und das Landratsamt momentan vor Gericht wegen eines Erlasses der Behörde, das die Tötung von Bibern ohne Einzelgenehmigung innerhalb von 30 Metern um Bundes-, Staats- und Kreisstraßen sowie an Schienenwegen erlaubt.

Der Handel mit Biberfleisch ist streng untersagt

Eigentlich sind Biber durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt, jeder Fang oder Abschuss muss durch das örtliche Landratsamt genehmigt werden – und ist auch nur zwischen September und Mitte März erlaubt. Die Tiere dürfen weder verkauft noch zu kommerziellen Zwecken erworben werden. Jäger, die einen Biber erlegen, dürfen das Fleisch aber selbst essen, sie dürfen es auch an Freunde verschenken. Einen Handel, etwa in die Gastronomie, darf niemand betreiben.

Insofern werden altbayerische Biberrezepte keine breit angelegte Renaissance erleben auf den Speisekarten von Dorfgaststätten. Gerhard Schwab ist es ohnehin lieber, wenn die Tiere aus Bayern ins Ausland transportiert werden, wie kürzlich 19 Biber nach Portugal, die dort neu angesiedelt werden sollen. Aber das geht bei 2500 entnommenen Exemplaren im Jahr nicht immer. „Wenn sie schon getötet werden müssen, dann sollen sie nicht umsonst sterben, sondern verwertet werden“, sagt er deshalb.

Bestes Biofleisch mit wenig Stresshormonen

„Mit Bibergulasch und Starkbier, zum Beispiel in Andechs, da sind die Mönche gut durch die Fastenzeit gekommen, ohne an Umfang zu verlieren“, sagt Schwab. Es ist nicht so, dass der Biber früher als Delikatesse galt. Aber es ließ sich schon gut mit ihm leben, als Fisch deklariert, zur eigentlich fleischlosen Zeit. Und mehr Bio geht ja nicht: Am Ende liegt ein Stück Fleisch auf dem Teller, das im Vergleich zu Produkten aus der Massentierhaltung deutlich gesünder und mit weniger Stresshormonen belastet ist.

Der in heißem Wasser entschuppte Schwanz des Bibers zu Wurst verarbeitet, wie es die Menschen vor 200 Jahren getan haben, mitsamt Gedärmen, Majoran und anderen Gewürzen, oder Biberschwanz paniert als Schnitzel, das trifft heute sicherlich nicht jedermanns Geschmack. Der inzwischen gestorbene Gastronom Jürgen Füssl im oberpfälzischen Altenstadt hat ab und an Freunden und Bekannten Biber serviert und auch in verschiedenen Medien davon geredet, als Fleischpflanzerl etwa, mit Blaukraut, Rosenkohl und Pastinakenpüree. Andere verarbeiten das Fleisch zu Geschnetzeltem, schmoren es oder kochen ein Ragout.

Vorbehalte sind Gastronomen wie Füssl ein Rätsel, da braucht es gar keinen Anlass wie die Fastenzeit. Allerdings muss man beim Biber schon auch aufpassen, wie überhaupt beim Wild. „Jäger machen eine Fleischbeschau, wie beim Reh, und entscheiden dann, ob sie das Fleisch essen“, erläutert Schwab. Wenn das Tier abgemagert wirkt oder Eiterbeulen hat, landet es eher nicht im Kochtopf.

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