Ausgestorbene Berufe: Bader:„Magst a Fasson oder gleich a Glatzn?“

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Das historische, undatierte Bild aus der Sammlung des Festrings Perlach zeigt Georg Devigneux, der Bader für die Münchner Ortskrankenkasse war, zusammen mit einem Lehrbuben vor seinem Geschäft in Perlach, das damals noch nicht zu München gehört hatte. Ihrer Kleidung nach könnte das Foto im frühen 20. Jahrhundert entstanden sein. (Foto: Festring Perlach)

Die Palette der Dienstleistungen eines Baders reichte vom Zähneziehen übers Blutegel setzen bis zum Haareschneiden – das heißt allerdings nicht, dass er alles gleich gut konnte.

Glosse von Hans Kratzer

Der November bringt es mit sich, dass man durch Friedhöfe streift. Das ist insofern eine beruhigende Tätigkeit, als man dem hektischen Treiben des Weltenlaufs für kurze Zeit entfliehen kann. Darüber hinaus wird man atmosphärisch angeregt, der Zerstreuung durch mannigfaltige digitale Zeitfresser für kurze Zeit zu entsagen und sich Gedanken über den Sinn des Lebens zu machen. Und man wird mit alten Grabsteinen und Gedenktafeln konfrontiert, die von bemerkenswerten Geschichten und Schicksalen künden. Auf einem einsam gelegenen Gottesacker im Vilstal ist zum Beispiel ein Mann begraben, der vor gut 40 Jahren gestorben ist und den heute vergessenen Beruf des Baders ausgeübt hat.

Der Bader war ein Alleskönner. Er hat Wunden versorgt, Blutegel gesetzt, Zähne gerissen und die Haare geschnitten. Trotz ihrer Universalität litten auch die Bader unter Konkurrenzdruck. Im Dezember 1771 beschwerte sich ein Mathias Reichel, dass sich ein „ausländischer“ Arzt in seinem Heimatort Velden aufhalte und ihm in seinem Handwerk Schaden zufüge. Er bat um dessen Ausweisung. Da aber dieser Arzt gerade die Ehefrau des örtlichen Bierbrauers medizinisch versorgte, die vorher schon vom Bader erfolglos behandelt worden war, wurde dem Arzt eine Verlängerungsfrist von drei Wochen zugestanden.

Mancherorts, wie etwa in der mittelfränkischen Gemeinde Roßtal, hat sich sogar ein barockes Baderhaus erhalten. Ansonsten flackert die alte Baderherrlichkeit nur noch im Friseursalon auf. Auf dem Land sagt man zum Friseur wie eh und je Bader, und nicht selten ist auch die ironische Erweiterung Baderwaschl zu hören. Diese ist wohl davon abgeleitet, dass ein Friseur zum Einseifen einen Waschl benützt. Baderwaschl werden, obwohl sie ein scharfes Messer in der Hand halten, gerne getratzt, was folgender Spruch belegt: „Baderwaschl hod koa Geld im Taschl!“ Der Schriftsteller Eugen Oker (1919-2006) wollte niemals ein Bader werden. „Naa naa!“ hat er stets gesagt, „a Schuilehrer und 99 Bader san 100 Narren.“

Die Bader aus alter Zeit pflegten noch Freistil-Haarschnitte. Entweder setzten sie einem einen Topf aufs Haupt und scherten dann drum herum, oder sie murksten beim Scherenschnitt, bis die Frisur voller Löcher und Staffeln war. Gut beherrschten sie allerdings den Stiftlkopf. Bei dieser Version waren die Haare so kurz geschnitten, dass sie wie Stiftl vom Kopf wegstanden. Ein Zampano in Sachen Stiftlfrisur war der Dorffriseur Wastl Pitz aus Neufraunhofen. Schelmisch fragte er seine Kunden vor dem kunstvollen Anfertigen einer Frisur: „Magst a Fasson oder gleich a Glatzn?“

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