Süddeutsche Zeitung

Unter Bayern:Wann wird Bayern umbenannt?

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz soll einen neuen zeitgemäßen Namen bekommen. Drohen ähnliche Neubenennungen auch dem Kulturstaat Bayern? Dann bleibt als letzte Oase des Bayerischen wohl nur noch der Mond.

Glosse von Hans Kratzer

Als der Philosoph Karl Valentin einst über das Fremde sinniert hat, kam er zu der Einsicht, so manchem Münchner sei das Hofbräuhaus nicht fremd, die Glyptothek und die Pinakothek aber schon. Daraus ergibt sich, dass das Reich der Hochkultur für einen Bierdimpfl eher uncool ist. Rein rhetorisch rückt der Dimpfl damit an die Seite der humorigen Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die zuletzt kundgab, sie halte den Namen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) für nicht cool und für nicht mehr zeitgemäß.

Das Echo, das Roth mit ihrer Aversion gegen Preußen auslöste, war vielstimmig. Auf Twitter meldeten sich haufenweise Grobiane zu Wort, die nicht nur alles Preußische zum Kotzen finden, sondern - höchste Zeit - auch alles Bayerische. Sogleich blähte sich im Netz die Frage auf: Wann wird Bayern umbenannt?

Eine Antwort serviert allwöchentlich TV-Nudel Hannes Ringlstetter, der nach jeder seiner Shows im Bayerischen Fernsehen verkündet: "Bayern wird nicht untergehen!" Und wenn, so lästert er gerne, dann erfahre man es zuerst bei ihm. Im Falle von Preußen fällt eine Geschichtsreinigung, wie der Politiker Wolfgang Thierse das Auslöschen von historischen Namen nennt, schon ein bisserl leichter. Der Staat Preußen wurde bereits im Februar 1947 vom Alliierten Kontrollrat aufgelöst, seine Kunstschätze gingen in eine Stiftung über, deren Name nun leider giftig ist.

Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Bayerische Staatsoper, lauter funkelnde Namen, die den Kulturstaat glänzen lassen. Zum Glück wird es noch dauern, bis die Barbaren der Cancel Culture auch hier zur Axt greifen können. Erst müssen sie nämlich noch Borussia (lateinische Bezeichnung für Preußen) Dortmund umbenennen.

Für Bayern könnte sich das Problem durch den Umstand verschärfen, dass die Posten der Staatsverwaltung seit Königs Zeiten überwiegend mit preußischen Landsleuten besetzt wurden. Der Grund: Diese überlegen nicht lange und geben sofort den Ton an, während die Bayern unten stehen und ihnen die Leiter halten. Welche Folgen das mit sich brachte, offenbart sich im Schulunterricht. Einst fragten die Kinder: "Was hoaßt des, Frau Lehrerin?" Jetzt werden sie gerügt: "Des heißt ned hoaßt. Des hoaßt heißt".

Den Freunden des Althergebrachten bleibt der Trost, dass das Bayerische auf dem Mond weiterleben wird. Dort gibt es einen Krater, der nach dem Astronomen Johann Bayer aus Donau-Ries benannt ist.

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