Mitten in Bayern:44 Jahre für einen Bericht

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Sehnsuchtsort Landtag: Der Landkreis München entsendet zwei direkt gewählte Parlamentarier ins Maximilianeum. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der bayerische Landtag hat im November 1977 einen Bericht der Staatsregierung "zum frühestmöglichen Zeitpunkt" angefordert. Eingetroffen ist er bis heute nicht - doch zumindest die Einhaltung einer Frist wäre noch möglich.

Von Matthias Köpf

Die Anfrage der FDP-Abgeordneten Julika Sandt stammt vom 31. August dieses Jahres, und für die Antwort hat die Staatsregierung eigentlich gar nicht so lang gebraucht: Schon Ende September ist das elfseitige Schriftstück im Landtag eingegangen. Die Antwort kam also sogar noch innerhalb der Vier-Wochen-Frist, aber die hat sich der Landtag in seiner Geschäftsordnung ja nur selber auferlegt, ohne dass sie deswegen auch für die Staatsregierung bindend wäre.

Förmliche Beschlüsse des Landtags sind für die Staatsregierung allerdings schon verbindlich. Der Beschluss vom 23. November 1977 etwa, der in Drucksache 8/6738 nachzulesen ist und mit dem die Abgeordneten ebenfalls einen Bericht angefordert haben. Dieser Beschluss, schreibt Finanzminister Albert Füracker (CSU) nun in seiner Antwort an Sandt, sei "noch nicht vollzogen" und dem Landtag also "nie ein entsprechender Bericht vorgelegt" worden.

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Aber es ist ja erst Oktober. Noch also wäre es möglich, die damals "zum frühestmöglichen Zeitpunkt" angeforderten Angaben, wenn schon nicht binnen vier Wochen, so doch noch innerhalb von 44 Jahren vorzulegen. Andererseits scheinen auch nicht alle Abgeordneten händeringend auf den Bericht gewartet zu haben. FDP-Fraktionschef Martin Hagen zum Beispiel, dem Sandt als Stellvertreterin zur Seite steht, ist ja überhaupt erst 40. Er hat den Bericht damals ebenso wenig bestellt wie Sandt oder irgendein anderer aktueller Abgeordneter. Allein wegen der Vorbildwirkung des Staates würde Sandt jetzt aber schon gerne noch wissen, wie viele schwerbehinderte Menschen in den kommunalen Verwaltungen und Unternehmen in Bayern beschäftigt sind.

Diese Kommunen, Unternehmen, Verwaltungsgemeinschaften und Zweckverbände seien aber viel zu viele, als dass sich das noch erfassen ließe, heißt es achselzuckend aus Fürackers Haus, das bei 2134 Behörden plus 311 Verwaltungsgemeinschaften zu zählen aufgehört hat - ob nach vier Stunden, vier Wochen oder fast 44 Jahren ist offen. Schneller geht es bei den direkten Staatsbediensteten. Da liegt der Freistaat als ganzer gerade mal einen halben Prozentpunkt über der gesetzlichen Vorgabe, mindestens fünf Prozent der Stellen mit Schwerbehinderten zu besetzen. Die Vorgabe und auch die Vorbildfunktion klar verfehlt hat er bei den Lehrern und beim Hochschulpersonal.

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