Süddeutsche Zeitung

Inklusion am Arbeitsplatz:"Wo rufe ich jetzt eigentlich an?"

Eine neue Hotline will Menschen mit Behinderung und Arbeitgeber zusammenbringen.

Interview Von Jasinta Then

Menschen mit Behinderung in Arbeit zu bringen - das ist manchmal eine besondere Herausforderung, besonders dann, wenn Betriebe die Einstellung scheuen. Dem will eine neue Hotline vorbeugen: Wer als Chef bei der kostenlosen Service-Nummer 0800 90 40 001 des Integrationsfachdienstes in Bayern anruft, soll Unterstützung bei der Inklusion am Arbeitsplatz erhalten. Ein Anruf beim Vorstandsvorsitzenden Johannes Magin.

SZ: Herr Magin, eine Hotline für Arbeitgeber - wer ruft da bei Ihnen an?

Johannes Magin: Prinzipiell kann jeder anrufen. Seit Start der Hotline Ende März haben 80 Arbeitgeber die Nummer gewählt - vom mittelständischen Handwerksbetrieb mit 25 Mitarbeitenden bis zu einer Firma, die schon im Austausch mit dem Integrationsfachdienst stand. Das ist schon ganz gut, aber natürlich noch ausbaufähig.

Warum ist so eine Hotline überhaupt notwendig?

Viele Arbeitgeber fragen sich: Wo rufe ich jetzt eigentlich an? Unsere Service-Nummer soll dafür sorgen, dass sie wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie Fragen zur Einstellung von Menschen mit Behinderung haben. Wir sitzen aber nicht vor dem Telefon und warten, bis jemand anruft. Wir gehen aktiv auf Arbeitgeber zu.

Was sind typische Vorbehalte, die Betriebe haben, Menschen mit Behinderung einzustellen?

Das am meisten verbreitete Argument ist das des Kündigungsschutzes: dass Menschen mit Behinderung quasi nicht gekündigt werden kann. Das ist allerdings ein Irrtum. Vor einer Kündigung ist ein zusätzlicher Prüf- und Beratungsprozess des Inklusionsamtes notwendig. Dann wird der Integrationsfachdienst hinzugezogen, der versucht, das Beschäftigungsverhältnis zu erhalten. Manchmal ist aber auch ein Teamwechsel angebracht, um noch mal einen Neustart zu wagen.

Wann war denn eine Beratung erfolgreich?

Als Erfolg sehe ich zum einen, wenn ein Arbeitgeber, der noch nie etwas mit dem Thema zu tun hatte, in Kontakt mit dem Integrationsfachdienst tritt. Ein zweiter wichtiger Erfolg ist dann, wenn ein Arbeitgeber Beratungsgespräche in Anspruch nimmt - zum Beispiel, wie der Arbeitsplatz passend ausgestattet werden kann. Das ist natürlich sehr individuell und erfordert genau abgestimmte Konzepte.

Ab einer bestimmten Größe sind Betriebe verpflichtet, fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Erfüllen sie diese Vorgabe nicht, ist die Schwerbehindertenabgabe fällig. Sind diese Ausgleichsabgaben dann nicht sogar ein Hindernis, wenn es so einfach ist, die Quote nicht zu erfüllen?

Die Mentalität, "ich kaufe mich frei davon", ist definitiv vorbei. Menschen mit Behinderung sind am richtigen Arbeitsplatz genauso leistungsstark wie Menschen ohne Einschränkung. Und die Anstellung von Menschen mit Behinderung wirkt sich insgesamt positiv auf das Selbstbewusstsein des Betriebes aus. Bei allen Herausforderungen kann die Zusammenarbeit ein Gewinn für beide Seiten sein.

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