Bayreuth:Ein Spektakel, das zum Himmel stinkt

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Die Blüte des Titanwurz ist die Attraktion im Ökologisch-Botanischen Garten der Universität Bayreuth. Die Blüte dieses Aronstabgewächses gilt als größte Blume der Welt, sie stößt einen fauligen Geruch aus, um Aaskäfer als Bestäuber anzulocken. (Foto: Daniel Löb/dpa)

In Bayreuth war es wieder so weit: Wenn die „größte Blume der Welt“ blüht, kann das die Leute zu Hunderten anziehen. Die Titanenwurz ist schließlich eine Sehenswürdigkeit, die auch erschnüffelt werden will.

Glosse von Maximilian Gerl

Endlich, dieser lang ersehnte Geruch nach Aas. Schon im April 2018 und August 2021 hatte ja die Pflanze mit der Inventarnummer 213410 ihr gewaltiges Haupt ausgebreitet – und dabei einen intensiven Duft verströmt. Nun, im Juni 2024, wiederholte sie das Spektakel. „Größte Blume der Welt blüht in Bayreuth“, meldete umgehend der Bayerische Rundfunk, nur um eine Art Warnhinweis hinterherzuschicken: „Am ersten Tag der Blüte stinkt die Titanenwurz aber zum Himmel.“

Den Menschen aber stinkt es nicht. Oder gar nicht genug, je nachdem, wie man die Sache nimmt. Für botanische Einrichtungen sind blühende Titanen- oder Titanwurze ungefähr das, was Eisbärbabys für zoologische sind: ein Besuchermagnet, der die Leute zu Hunderten anziehen kann.

In Bayreuth haben sie am vergangenen Donnerstag, Freitag und Samstag eigens Öffnungszeiten ausgeweitet und eine Webcam aufgestellt, wenngleich das digitale Publikum gegenüber dem analogen im Nachteil war. Anders als viele Sehenswürdigkeiten will die Titanwurz auch erschnüffelt werden. Da kann sich das Gewächs, das ursprünglich aus Indonesien stammt, noch so sehr um mehrere Meter aufrichten.

In jedem Fall hat man in Bayreuth Erfahrung mit der Macht der Riesenblume. Von ihr hegt der Ökologisch-Botanische Garten mehrere Exemplare, die Blüte war dort die neunte seit 2014. Theoretisch gab es deshalb in Oberfranken schon einige Gelegenheiten, die Titanwurz in voller Pracht zu bestaunen und zu beriechen. Praktisch knifflig macht, dass man sich damit arg beeilen muss. Schon nach dem ersten Tag nehmen die Wurzaromen in der Luft ab; nach dem zweiten ist es dann auch mit der Blüte auf unbestimmte Zeit vorbei. Die Blume welkt rasch dahin, bis nur noch die Knolle in der Erde übrig ist.

So gesehen hat die Titanwurz einerseits wie kaum ein Gewächs die Marketingmechanismen unserer Zeit verstanden, die aus jedem Ereignis ein Event machen. Andererseits ist an der Weisheit auch was dran, dass man aufhören sollte, wenn’s am schönsten ist. Wer also das Fest für Auge und Nase verpasst hat, sollte sich schon mal im Kalender eine Notiz hinterlegen: Macht die Titanwurz mit der Nummer 213410 weiter wie bisher, wird sie im Sommer 2027 wieder ganz wunderbar zum Himmel stinken.

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