Die guten Nachrichten muss man an diesem Montag suchen, zu sehr verstecken sie sich zwischen all den schlechten. Auf elf Seiten hat der Landesverband Bayerischer Bauinnungen die Situation seiner Mitgliedsbetriebe skizziert, mit vielen Zahlen und Diagrammen – von denen letztere nur wenige positiv und umso mehr negativ konnotierte Balken zeigen. Die Umsätze: bei vielen Baufirmen „rückläufig“. Die Geschäftslage: „keine Besserung“ in Sicht. Der Auftragsbestand: insgesamt „zu klein“. Zwar gebe es „erste Anzeichen“, dass mancherorts die Auftragseingänge wieder leicht steigen könnten, sagt Georg Gerhäuser, Präsident des Landesverbands. Im industriellen Bereich etwa habe der Tiefbau zuletzt stark zugelegt. Aber folgt man den übrigen Zahlen und Balken, dann rutscht Bayerns Baugewerbe eher tiefer in die Krise. Gerhäuser sagt: „Vor allem der Wohnungsbau ist unser Sorgenkind.“
Dabei macht das Bauen vielen Menschen schon genug Sorgen. Seit Längerem klagen Bayerns Baubetriebe über fehlende Aufträge und ruhende Baustellen. Vor allem im Wohnungsbau herrscht Pessimismus. Und die Folgen könnten Mieterinnen und Mieter bald noch mehr als bisher im Geldbeutel spüren.
„Die Wohnungsbauampel leuchtet tiefrot“, haben die bayerischen Bauinnungen ihre halbjährliche Konjunkturumfrage überschrieben, die sie an diesem Montag im Münchner Presseclub präsentieren. Oder anders formuliert: Die Baubranche befinde sich nach wie vor in einem „tiefen konjunkturellen Tal“, sagt Gerhäuser. 63 Prozent der befragten Unternehmen gaben demnach in der Umfrage an, dass der Auftragsbestand sie nicht auslaste. 53 Prozent erwarten im nächsten halben Jahr eine Verschlechterung ihrer Geschäftsaussichten – und nur drei Prozent eine Verbesserung. Und ungefähr jeder dritte Betrieb hat schon Stellen im Vergleich zu 2023 gestrichen.
Gründe für die Misere lassen sich viele aufzählen. Das Baugewerbe klagt über zu viel Bürokratie, fehlende Fachkräfte, gestiegene Baustoffpreise oder die allgemeine Konjunkturflaute – die gewerbliche Auftraggeber manchmal zögern lässt, jetzt Neu- und Umbauten anzugehen. Lieber wartet man auf bessere Zeiten oder schaut sich im Ausland nach Standorterweiterungen um. Für viele Baubetriebe und ihre Zulieferer hierzulande bedeutet das aber weniger Projekte und verengte wirtschaftliche Spielräume. Als prominentes Beispiel gilt manchen in der Branche die Insolvenz des größten Sägewerks Europas im Landkreis Tirschenreuth. Die Betreibergesellschaft Ziegler Group soll sich für ihren Expansionskurs bei vielen Banken Geld geliehen haben, die aber nun in der Krise die Reißleine zogen.
Auch im Wohnungsbau sind vor allem die am Markt finanzierten Projekte weggebrochen. Schon für 2023 verzeichnete deshalb das Landesamt für Statistik bei den Wohnungsgenehmigungen einen deutlichen Rückgang. Damals wurde bayernweit dem Bau von rund 58 000 Wohnungen stattgegeben – gut 23 Prozent weniger als im Vorjahr. Für 2024 droht sich das Minus zu vergrößern. Denn von Januar bis September dieses Jahres schlägt wieder ein Rückgang um 14,9 Prozent zu Buche. Der ist besonders groß in den Großstädten. Dort sind die Genehmigungszahlen für Gebäude mit drei und mehr Wohnungen um 15,3 Prozent gesunken – und gar um 30 Prozent bei Häusern mit ein oder zwei Wohnungen.
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum dürfte sich vorerst verschärfen
Das Problem: Werden jetzt weniger Bauanträge gestellt und genehmigt, bedeutet das weniger neue Wohnungen in den nächsten Jahren. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum dürfte sich damit gerade in den Ballungsräumen vorerst verschärfen – und die Mieten dürften weiter steigen.
Das einst von der Staatsregierung ausgegebene Ziel, 70 000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen, sieht auch der Landesverband Bayerischer Bauinnungen in weiter Ferne. In der Pflicht sieht man aber vor allem die künftige Bundesregierung: Diese müsse die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft so setzen, dass sie wieder anziehe. Dazu gehöre an allererster Stelle der Beschluss eines Bundeshaushalts fürs Jahr 2025, der neue öffentliche Aufträge für Brücken, Straßen und Wohnungsbau ermögliche. Außerdem müsse der Bund dafür sorgen, dass Bauen wieder günstiger werde, indem er Gesetze zusammenlege und Vorschriften vereinfache. „Was hilft es, wenn der Umsatz pro Auftrag hoch ist, wenn es sich keiner leisten kann“, sagt Verbandspräsident Gerhäuser. Ähnlich sehen das andere Bauorganisationen in Bayern. Von der Architektenkammer etwa stammt die Initiative zum „Gebäudetyp E“, der Bauherrn durch flexiblere Vorgaben neue finanzielle Möglichkeiten eröffnen soll.
Doch auch im Freistaat ließe sich womöglich zusätzlicher Schwung erzeugen. Denn gefragt nach den Ursachen, die den Baubetrieb gerne behindern, nannten in der Konjunkturumfrage 39 Prozent der Betriebe „Verzögerungen bei Genehmigungsverfahren“. Dabei läge es bei insgesamt weniger Genehmigungsverfahren nahe, dass diese umso schneller abgearbeitet würden. Warum stattdessen das Gegenteil der Fall ist? „Das fragen wir uns auch“, sagt Andreas Demharter, Hauptgeschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen. Ein möglicher Grund neben der steigenden Zahl an Vorschriften und Stellungnahmen: der Zustand der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung. „Wir brauchen ein durchgehend digitales Bauverfahren“, sagt Demharter. Dass man den Bauantrag digital einreichen könne, sei gut – es helfe aber nichts, wenn der Antrag dann in den Behörden ausgedruckt werde. Besser und schneller ginge es, wenn man digital parallel arbeiten könne.