Rohstoffknappheit:Schaffe, schaffe, Häusle teuer

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Bei Konstruktionsvollholz sind die Preise innerhalb eines Monats um 83 Prozent gestiegen, bei Dachlatten um 45,7 Prozent.

(Foto: Imago)

Kabel sind nicht lieferbar, Steckdosen ausverkauft und die Preise für Dachlatten um 45,7 Prozent gestiegen: Wer jetzt ein Haus baut, könnte lange bauen. Und viel zahlen.

Von Maximilian Gerl und Sarah Höger, Regensburg/München

Eigentlich wollte Carina Angeli längst in ihr Haus eingezogen sein. Die 30-Jährige und ihr Lebensgefährte bauen gerade ein Einfamilienhaus in Regensburg, im Sommer 2019 war Baubeginn. "Es zieht sich ganz schön", sagt Angeli. Die Fenster seien sieben Monate zu spät geliefert worden, auch sonst gebe es Probleme. Der Bodenleger, den Angeli schon vor Monaten beauftragt hat, kann nicht liefern: Zu schlecht sei die Qualität des Materials, das er von seinem Großhändler bekäme, wurde ihr gesagt. Und anderes Material ist schwer zu beschaffen.

Seit Monaten kämpft Bayerns Bauwirtschaft mit Materialmangel - und mit steigenden Preisen für Baustoffe. Anfangs fehlte es vor allem an Holz, jetzt mal an Metall, Gummi oder Kunststoff, mal an Elektronik- oder Sanitärprodukten. Die Folgen: Bauzeiten werden länger, Planungen stehen auf der Kippe, Bauherren wie Dienstleistern drohen Mehrkosten.

Das Ausmaß der Not ist dabei sogar für Branchenkenner schwer abschätzbar. "Wir hatten ja gehofft, dass das Ganze in der zweiten Jahreshälfte nachlässt", sagt Wolfgang Schubert-Raab. Er ist Präsident des Landesverbands bayerischer Bauinnungen und führt mit seiner Frau Gisela Raab die gleichnamige Baufirma im oberfränkischen Ebensfeld. Als er anruft, steht er gerade im Stau, nichts tut sich, wie passend. Seit 1983 arbeite er in der Branche, erzählt Schubert-Raab, Material sei immer mal wieder knapp gewesen, Stahl zum Beispiel. Aber so einen Mangel wie jetzt habe es seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr gegeben. Sogar Filigrandecken oder Fertigteile seien kaum zu haben. "Da können sie sich vorstellen, was für eine Freude auf der Baustelle herrscht."

Immerhin: Nicht nur auf Schubert-Raabs Baustellen, auch auf vielen anderen laufen die Arbeiten weiter. Kurzarbeit scheint derzeit nur punktuell angesagt zu sein. Überhaupt trifft die Materialnot nicht alle gleichermaßen. Wer sich in der Branche umhört, trifft auch auf Betriebe und Bauherren, die kaum Probleme melden. Ein Bauleiter berichtet von Lieferschwierigkeiten und Verzögerungen um die zwei, drei Wochen; die angepeilten Fertigstellungstermine seien trotzdem zu halten. Er könne allerdings nicht nachvollziehen, warum die deutschen Hersteller von Baumaterialien sich zu einem derartigen "Ausverkauf hinreißen lassen".

Tatsächlich sind auch anderswo Baustoffe knapp. Die Ursachen sind vielfältig. Unter anderem hat sich die Weltwirtschaft schneller vom Corona-Schock erholt als gedacht; die hohe Nachfrage überraschte viele Hersteller. Wichtige Produktionsstätten in Asien und Amerika wurden durch Wintereinbrüche, Überschwemmungen oder andere Katastrophen lahmgelegt. Ein Bauboom in den USA zwang die dortigen Firmen, viel Holz im Ausland einzukaufen, auch in Deutschland und Bayern. Im Mai registrierte das Bundesamt für Statistik hierzulande Holz-Rekordpreise: Bei Konstruktionsvollholz waren sie im Vergleich zum Vorjahresmonat um 83 Prozentgestiegen, bei Dachlatten um 45,7 Prozent.

So gesehen hatte Bauherrin Angeli noch Glück: Ihr Dach ist schon drauf. "Laut unserem Zimmerer würden wir das Doppelte bezahlen, wenn wir erst jetzt mit dem Dachstuhlbau beginnen würden", sagt sie. Und trotzdem, das Haus wird und wird nicht fertig. Nur dank Kontakten konnte Angeli kurzfristig einen anderen Bodenleger beauftragen. Der kann den ursprünglich geplanten Epoxidharzboden nun aber nicht einbauen - wieder fehlt der Rohstoff. "Es gab nur ein einziges Muster zur Auswahl, entweder ich muss das nehmen oder noch Monate warten", sagt Angeli. "Ich bin aber natürlich heilfroh, dass wir überhaupt einen Boden bekommen."

Kreatives Recycling: Abbruchreife Supermärkte als Fundgrube

Yusuf Yesilova kann den Unmut der Bauherrin nachvollziehen. Der Elektriker ist Geschäftsführer der eTechnik Schmidt GmbH in Regenstauf. "Wir haben diese Woche fast Baustopp, weil wir unsere Teile nicht bekommen", klagt er. Kabel fehlen und Plastikteile wie Steckdosen oder Schalter. Wenn dann endlich Material komme, sei es 50 bis 70 Prozent teurer als sonst. Mittlerweile gebe es beinahe wöchentlich Preissteigerungen. Kunden könne er kaum noch Angebote machen, "ich weiß ja nicht, wie sich die Preise entwickeln". Am Ende bleibe immer das Risiko, auf den Mehrkosten sitzen zu bleiben.

Dabei plagt sich die Branche eh schon mit der Frage, wie sich dem Klima zuliebe Ressourcen effizienter einsetzen lassen. Wer kann, hat in den vergangenen Monaten Aufträge nach hinten geschoben, sofern Budgets, Verträge und alle Beteiligten mitmachen. Bisweilen helfen sich Betriebe gegenseitig mit Material aus. Mancherorts wollen sich auch Waldbesitzer und Holzbetriebe für mehr Planungssicherheit enger zusammenschließen, so etwa in Traunstein und im Berchtesgadener Land. Der Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure fordert zudem eine "regulative Stärkung" des Baustoffmarktes - freilich "ohne den globalen Baustoffhandel einzuschränken". Der Verfügbarkeit von gerade nachhaltigen Rohstoffen müsse ein höherer Stellenwert beigemessen werden.

Punktuell helfen können auch neue Wege beim Re- und Upcycling. Bei der Baufirma Raab haben sie dazu eine Baustoffbörse ausprobiert. Die Ausstattung zweier abbruchreifer Supermärkte wurde kostenlos an Abnehmer in der Region abgegeben. Das "Experiment", wie Gisela Raab es nennt, verlief erfolgreich: Etliche Teile, die sonst auf der Schrotthalde gelandet wären, fanden anderswo Verwendung, Glasscheiben, Kühlgeräte, Regenrinnen. Als das Experiment begann, war die Materialnot noch kein Thema. Doch als die Preise anzogen, waren plötzlich sogar die Holzbalken vom Dach gefragt. "Wir überlegen jetzt, wie können wir dieses Projekt verstetigen", sagt Raab. Ein Bauträger habe schon Interesse angemeldet.

Zumindest beim Holz scheint sich die Lage zu stabilisieren. Ein generelles Ende der Materialnot ist für Wolfgang Schubert-Raab nicht in Sicht. "Wir leben quasi von Tag zu Tag, in der Hoffnung, dass wir weiterarbeiten können." Auch Carina Angeli klingt nicht richtig optimistisch, als sie sagt, dass ihr Haus spätestens im Winter fertig sein soll. Zu groß ist die Sorge, dass wieder eine Hiobsbotschaft bezüglich Lieferzeiten und Kosten dazwischen grätscht.

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