Die Bahnhofsmissionen in Bayern berichten von einer starken Zunahme Hilfe suchender Menschen. Im vergangenen Jahr habe es in den Einrichtungen im Freistaat fast eine halbe Million Kontakte gegeben, 26 Prozent mehr als im Jahr zuvor, teilte die Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Bahnhofsmissionen in Bayern am Mittwoch mit.
Auffällig sei, dass fast jeder dritte Gast unter psychischen Problemen oder Abhängigkeitserkrankungen leide. Auch die Nachfrage nach Lebensmitteln und materiellen Hilfen steige unverändert an. Dazu kommen Bahnreisende, die mit Problemen wie Verspätungen, überfüllten Zügen oder Online-Tickets zu kämpfen haben oder anderweitig Hilfe benötigen.
Insgesamt zählten die Bahnhofsmissionen im Freistaat im vergangenen Jahr mehr als eine Million Hilfeleistungen, 43 Prozent mehr als 2022. In fast der Hälfte der Fälle sei es um materielle Hilfen gegangen wie Notversorgung, Schlafsäcke, Decken oder Hygienemittel. Mehr als 375 000 Mal hielten sich Betroffene in den Räumen der Einrichtungen auf.
"Viele sind einsam, andere verzweifelt, manche sogar suizidgefährdet", berichten die Einrichtungen, die vom bayerischen Sozialministerium gefördert werden. Mehr als die Hälfte der Kontakte gab es in der Münchner Bahnhofsmission. Viele der erschienenen Menschen seien hochgradig psychisch belastet oder auch auffällig. "Ein großer Teil der Menschen, die zu uns kommen, lebt am Existenzminimum. Bei Krisen und akuten Notlagen führt immer öfters der Weg in die Bahnhofsmission", beschrieb Leiterin Barbara Thoma.
Auch Michael Lindner-Jung aus Würzburg meldet Rekordzahlen, bereits das zweite Jahr in Folge. Armut sei das beherrschende Thema, hinzu komme eine wachsende Zahl von Menschen in akuten Krisen oder mit wiederkehrenden Psychosen oder Depressionen. Als eine Ursache nennt er die Corona-Pandemie. "Viele unserer Gäste haben das wenige, das sie überhaupt hatten, verloren. Auch den Anschluss an die Gesellschaft, das Leben", sagte Lindner-Jung. Oft machten sich Existenzängste, Verzweiflung und Mutlosigkeit breit. "Wir nehmen täglich wahr, wie Armut und Aussichtslosigkeit krank machen."
Und dann sind da noch die Bahnreisenden, die Hilfe benötigen. Seit 2022 steige der Bedarf wieder, etwa weil Züge verspätet oder überfüllt seien. Auch die Digitalisierung mache das Bahnfahren für viele beschwerlich, vor allem für Ältere. "Unsere Ehrenamtlichen packen an, wo sie können", betonte Anita Dorsch, Leiterin der Bahnhofsmission in Nürnberg. Sie würde gerne noch mehr anbieten und noch stärker präsent sein. "Aktuell ist dies aber aufgrund der knappen Personalressourcen nicht einfach."
An den Bahnhofsmissionen sind nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft bayernweit rund 400 Ehrenamtliche im Einsatz, die von hauptamtlichen Kräften unterstützt werden