Hufgeklapper bestimmt zurzeit die Geräuschkulisse Bayerns: Prachtvolle Pferdegespanne ziehen Wägen mit Jung- und Schalkfrauen, Blaskapellen und allerlei Politprominenz zu Ehren des Heiligen Leonhard umher. In Bad Tölz, bei der größten und berühmtesten Wallfahrt, geschieht das seit 1772. Jetzt, schlappe 252 Jahre später, plädieren die Tierschützer von Peta für eine radikale Reform: „Die Pferdenutzung bei Leonhardifahrten ist keine gute Tradition und gehört abgeschafft.“ Als Schutzpatron der Pferde gilt der heilige Leonhard – da sei es absurd „Pferde ausgerechnet zu seinen Ehren zu missbrauchen“, heißt es.
Doch scheint die Forderung nicht ganz zu Ende gedacht: Wie sonst sollen die Wägen den steilen Kalvarienberg hinaufkommen? Muss die Tradition künftig etwa von motorisierten Kaltblütern erhalten werden? Man stelle sich einen Tesla Cybertruck vor, festlich geschmückt mit bunten Kränzen, wie er den Wagen der Geistlichkeit durch die Altstadt karrt. Oder soll, ebenso tier- und umweltfreundlich, ein Wasserstoff-Lkw die Stadtkapelle ziehen, während sie den Schützenmarsch zum Besten gibt?
Dabei liegt das eigentliche Problem ganz woanders: Von alters her ist es guter Brauch, dass nach der Andacht die Frauen Schnaps von den Wägen an die Besucher ausschenken. Bei einem Stamperl bleibt es da selten, der Leonhardi-Rausch ist fast genauso alt wie die Wallfahrt selbst. Schon 1803 wurde in Bad Tölz angemahnt, wie die Bauern „im Rausche manche Sünden, anderntags schon bereuende Frevel, begehen“.
Ein Jahrhundert später beklagte 1904 der spätere Papst Pius XII., die „Bier- und Schnapstrinkerei während des Hochamtes dürfte in mehr gemäßigten Grenzen gehalten werden“. 2010 kam es erneut zum Eklat, mit Bussen reisten scharenweise Touristen an, die sich mit mitgebrachten Schnaps-Gläsern auf Stamperl-Jagd begaben. Laut Tölzer Kurier glich der Leonhardi-Ritt „einem regelrechten Saufgelage“. Seitdem wird die Wallfahrt verschoben, wenn der 6. November auf ein Wochenende fällt. Wer am nächsten Tag in die Arbeit muss, reißt sich halt doch etwas am Riemen.
Die völlige Eskalation war damit vorerst gebannt, nüchtern ist Leonhardi aber wohl nirgendwo in Bayern. Und für Reiter und Gespannfahrer gibt es keine Promillegrenzen. Betrunken reiten sollten sie natürlich trotzdem nicht. Beim Cybertruck wäre die Lage klar: Da ist bei 0,5 Promille Schluss – Tradition hin oder her. Angesichts eines Pferdeverbots stellt sich so die Frage: Wer, beim Heiligen Leonhard, soll da noch fahren dürfen?