Die gute Nachricht? Der Ausbildungsmarkt sei „weitgehend stabil“, sagt Markus Schmitz. „Das ist nicht selbstverständlich.“ Das ist es tatsächlich nicht. Schmitz ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Bayern der Arbeitsagentur, also quasi oberster Arbeitsamts-Chef im Freistaat; und als solcher hat er nur wenige Sätze vorher die höchste Oktober-Arbeitslosigkeit seit der Finanzkrise 2009 verkünden müssen. Die konjunkturelle Abwärtsspirale, in der sich auch Bayerns Wirtschaft in den vergangenen Monaten beständig nach unten geschraubt hat, schlägt offenbar auf den Arbeitsmarkt durch. Doch die berufliche Ausbildung sei eine „verlässliche Bank“, sagt Schmitz. Und: „Da geht noch was.“
Diese Hoffnung haben auch andere, die an diesem Mittwoch nach Taufkirchen zu Airbus Defence and Space gekommen sind. Die Regionaldirektion der Arbeitsagentur, mehrere Wirtschaftsorganisationen, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DBG) sowie das Kultus- und das Arbeitsministerium haben eingeladen, um über das Thema Ausbildung zu sprechen. Das Ambiente hier im Süden von München ist zukunftsoptimistisch. Im Showroom reihen sich an der linken Wand Flugzeug- und Helikoptermodelle, vor der rechten warten Arcade-Maschinen und andere Dinge, die Airbus-Auszubildende gefertigt haben.
Im hinteren Teil des Raums geht es dagegen um ganz gegenwärtige Probleme – und um Hoffnungsschimmer. Denn einerseits ist die Lage am Ausbildungsmarkt passabel. Mehrmals ist etwa die Rede davon, dass sie sich dem Vor-Corona-Niveau wieder angenähert habe. Fast 100 000 Lehrstellen wurden im vergangenen Ausbildungsjahr den bayerischen Arbeitsagenturen gemeldet, von denen wiederum bis September 82 600 besetzt werden konnten. Die Zahl derer, die sich für eine duale Berufsausbildung interessierten, stieg um gut 1700 auf knapp 62 000. Andererseits ist da die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Die Rezession ist am Arbeitsmarkt angekommen, Kündigungen inklusive. Bayernweit waren zuletzt 286 626 Menschen arbeitslos gemeldet – im Vergleich zum Oktober des Vorjahres ein Plus von 13,8 Prozent. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,4 Prozentpunkte auf 3,7 Prozent.
Bei Airbus rekrutiere man bereits „ein Jahr im Voraus“
Trotzdem gelten weiter gut 127 000 Stellen als unbesetzt, mehr als vor der Pandemie. Angesichts des allgemeinen Fachkräftemangels müssen viele Firmen den Stellenabbau als Sparmittel gut durchdenken: Wer sich in diesen schlechten Zeiten von Beschäftigten trennt, wird womöglich in besseren Zeiten keinen Ersatz für sie finden. „Wir müssen die Zeit in vier, fünf Jahren abdecken“, sagt etwa Thomas Christoph, Ausbildungskoordinator bei Airbus Deutschland. Noch gelinge es seinem Unternehmen zwar, alle Ausbildungsstellen zu besetzen. Doch ähnlich wie bei anderen Firmen werde das zunehmend schwer. Inzwischen rekrutiere man bereits „ein Jahr im Voraus“.
Die ersten Daten fürs zurückliegende Ausbildungsjahr lassen darauf schließen, dass vor allem der Bereich der Berufsorientierung besser funktioniert hat. So ist im Handwerk von gut vier Prozent mehr Ausbildungsverträgen die Rede, unter anderem bei Bäckern und Friseuren hätten die Zahlen angezogen. Auch bei den Industrie- und Handelskammern zeigt man sich „zufrieden“. Doch „perspektivisch werden die Herausforderungen nicht kleiner“, sagt Hubert Schöffmann, bildungspolitischer Sprecher des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags. Für ihn beginnen die drei größten Herausforderungen mit D: Digitalisierung, Deindustrualisierung und Demografie.
„Wir werden nicht mehr“, sagt Schöffmann. Außer es finden sich vielleicht Menschen im Ausland, die den Job in Bayern machen wollen. Mit inländischem Potenzial allein sei jedenfalls die Nachfrage nicht zu decken, sagt Arbeitsagentur-Mann Schmitz. Der Ausbildungsmarkt bleibe ein „Bewerbermarkt“. Stark wird sich das im kommenden Jahr bemerkbar machen. Durch die Umstellung von acht auf neun Gymnasiumsjahre wird es 2025 in Bayern kaum Abiturienten geben – und dem Ausbildungsmarkt ein Teiljahrgang fehlen.
Um die wenigen Jugendlichen und die vielen Stellen auch künftig zusammenzubringen, dürfte die Berufsorientierung in den Schulen noch wichtiger werden. „Sie ist der Schlüssel“, sagt Christof Prechtl von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Gerade kleineren Betrieben müsse man helfen, die Zusammenarbeit mit den Schulen zu verbessern. Das sieht man im Kultusministerium ähnlich, dort beschäftigt man sich derzeit mit der Einführung einer Art Qualitätsmanagement nur für die Berufsorientierung. Für die DGB-Jugend wäre außerdem bei den Azubi-Vergütungen anzusetzen: Diese seien oft zu niedrig, um etwa die hohen Mieten zahlen zu können, sagt Bezirksjugendsekretärin Anna Gmeiner. „Wer kann sich da noch ein Leben leisten?“