Bericht zur Affäre Gablingen:Justizminister: Übergriffe auf Gefangene „absolute Ausnahmefälle“

Lesezeit: 2 Min.

Ein Trakt der JVA Gablingen bei Augsburg – die Ermittlungen gegen 17 Bedienstete, darunter die Anstaltsleitung, dauern an. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Im Abschlussbericht zur Aufarbeitung der Affäre Gablingen betont Minister Eisenreich dennoch, dass es bessere Kontrollen und Haftbedingungen brauche – und hat eine ganz klare Meinung zu den besonders gesicherten Hafträumen.

Von Florian Fuchs

80 Seiten Abschlussbericht, das ist in Ausschüssen des bayerischen Landtags nicht üblich. Zehn bis 15 Seiten schon eher, insofern drückte auch Toni Schuberl von den Grünen ein Lob für Minister Georg Eisenreich (CSU) aus, der am Donnerstag über die Fortschritte in den Ermittlungen gegen frühere Bedienstete der Justizvollzugsanstalt Gablingen aufklärte. Eisenreich sprach erneut von „gravierenden Vorwürfen“, betrachtet die mutmaßlichen Misshandlungen aber als Einzelfälle. Aus anderen Justizvollzugsanstalten, das hätten umfangreiche Auswertungen belegt, seien solche Vorwürfe nicht bekannt.

Eisenreich wiederholte all seine Maßnahmen zur Aufklärung des Skandals, in dem noch immer gegen ehemalige 17 Bedienstete der JVA Gablingen ermittelt wird – wegen des Verdachts von Übergriffen auf Gefangene und weil sie diese teils zu lange und unter prekären Bedingungen in besonders gesicherte Hafträume eingesperrt hätten. Mehr als ein Lob für den Umfang des Abschlussberichts war vonseiten der Opposition dennoch nicht drin: Toni Schuberl kritisierte die Staatsanwaltschaft Augsburg, er kritisierte den Leiter Strafvollzug im Justizministerium und fragte Minister Eisenreich nach seinen Schlussfolgerungen: Gab es in der Vergangenheit in Bayern zu viele Unterbringungen in besonders gesicherten Hafträumen? Und wie reagiert die Staatsregierung auf die steigende Anzahl an psychisch labilen sowie suchtkranken Häftlingen?

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Etwa die Hälfte aller Gefangenen in Bayern hätten „einen Suchtmittelhintergrund“, wie es Eisenreich ausdrückt. Berichte der Anstaltsleitungen zeigten, dass die Zahl von psychisch auffälligen Häftlingen in den vergangenen Jahren signifikant gestiegen sei. „JVAen brauchen Unterbringungen in besonders gesicherten Hafträumen“, betonte deshalb Eisenreich. Die Anzahl der Unterbringungen unterliege einer natürlichen Fluktuation und könne nicht pauschal bemessen werden. Akute Psychosen, „wahnhaftes Erleben“, verminderte Steuerungsfähigkeiten – Häftlinge müssten teils vor sich selbst geschützt werden, teils müsse man andere vor ihnen schützen. „Das ist keine bayerische Erfindung“, sagte Eisenreich.

Dennoch stellte der Minister klar, dass „wir bessere Kontrollen und Haftbedingungen“ bräuchten. Der Justizvollzug müsse eine bessere Balance zwischen Schutzmaßnahmen und Grundrechten finden. Helfen soll dabei die interdisziplinäre Kommission, die auch einen Weg finden soll, wie ein Richtervorbehalt für Unterbringungen in besonders gesicherten Hafträumen ausgestaltet werden könne.

Diskutiert werden müsse zudem, was Vollzug leisten könne angesichts von Fachkräftemangel, gerade was Ärzte und Psychiater anbelange. Eisenreich sieht die Lösung in einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen Gefängnissen und Bezirkskrankenhäusern und weniger in angestelltem Personal in Justizvollzugsanstalten: „Ich denke, dass man hier zu neuen Konzepten kommen wird.“

Das Unverständnis des Grünen-Abgeordneten Schuberl über die Staatsanwaltschaft Augsburg, die nach einer Beschwerde der früheren Anstaltsärztin in Gablingen keinen Anfangsverdacht erkennen wollte, teilt Eisenreich nicht. Die Ärztin habe keine konkreten Fälle benennen können, insofern seien die Ermittlungen nicht vorangeschritten. Dass der Leiter der Abteilung Strafvollzug im Ministerium der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter im Herbst unangekündigte Kontrollen untersagen wollte, sei nicht seine Haltung, betonte Eisenreich erneut. Inzwischen habe er verfügt, dass jede JVA in Bayern einmal im Jahr unangekündigt kontrolliert werde. Ob es aber so richtig sein könne, wie Schuberl kritisierte, dass dieser Beamte noch immer im Amt sei und damit auch in Zukunft unangekündigte Besuche mittragen müsse – darauf ging Eisenreich nicht ein.

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