Augsburg:Erste Risse in Augsburgs schwarz-grüner Rathauskoalition

Augsburg: Im historischen Rathaus der Stadt Augsburg lenkt eine Koalition aus CSU und Grünen die Geschicke der Kommune.

Im historischen Rathaus der Stadt Augsburg lenkt eine Koalition aus CSU und Grünen die Geschicke der Kommune.

(Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Die Regierung aus CSU und Grünen war keine Liebesheirat, in den großen Themen funktioniert sie bislang. Die Meinungsverschiedenheiten werden allerdings größer.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Politik ist immer auch ein Ringen um Begrifflichkeiten. CSU und Grüne in Augsburg haben da jüngst wieder ein Beispiel geliefert, das Eingang in jedes Rhetorikseminar finden kann. Die Maximilianstraße, Prachtmeile der Innenstadt, wird versuchsweise und auch nur begrenzt bis zum Herkulesbrunnen eine Fußgängerzone. Ausnahmen sind eingepreist, für Anwohner zum Beispiel. Die Grünen jedenfalls sprechen nun am liebsten von "autofreier" Zone, während die CSU auf "autoarm" beharrt. Nicht, dass aus Versehen jemand die Stammwählerschaft verschreckt.

Augsburg hat ein paar Neuerungen erlebt nach der Kommunalwahl 2020: Eva Weber (CSU) ist die erste Frau im Oberbürgermeisteramt nach 2000 Jahren Stadtgeschichte und hat dann auch noch erstmals ein schwarz-grünes Rathausbündnis geschmiedet. Wie das läuft, da war sich nicht nur Weber zu Beginn sicher, darauf würden auch andere Kommunen in Bayern schauen. Dass das "keine Liebesheirat" ist, so nüchtern waren Politiker beider Parteien allerdings auch gleich zu Beginn.

Zur Halbzeitbilanz nach drei Jahren Koalition ist festzustellen, dass diese bis jetzt durchaus funktioniert hat, zumindest was den Krisenbewältigungsmodus in Zeiten von Corona, Krieg und Energiekrise anbelangt. Es ist aber auch klar, dass das keine Aussagekraft hat für die Mühen der täglichen Kommunalpolitik, und da zeigen sich inzwischen Meinungsverschiedenheiten nicht nur beim Thema Auto: Im Regierungsbündnis entstehen erste Risse.

"Es lässt sich jetzt beobachten, dass es in manchen Dingen auseinandergeht", sagt Weber. "Aber das ist auch okay so." Wie okay das die beiden Bündnispartner finden, wird sich noch zeigen. Etwa wenn die Grünen verdauen müssen, dass die Oberbürgermeisterin nun auch mal Sätze wie diesen öffentlich platziert: "Die Anti-Auto-Diskussion nervt extrem". Sie hat den Koalitionspartner dabei nicht namentlich erwähnt, aber nach der Erhöhung der Parkgebühren, dem Wegfall von Stellplätzen und der Ausweisung neuer Radwege grummelt es ein wenig in der CSU-Fraktion. Autos seien nicht per se etwas Schlimmes, zum Beispiel wenn hinten keine klimaschädlichen Gase rauskommen, betont die Oberbürgermeisterin.

Eva Weber hat ihre Partei sehr großstädtisch ausgerichtet im Wahlkampf. Manche sagten damals, sie hat sie grün angestrichen. Da war die Kooperation von CSU und Grünen folgerichtig, nicht nur aufgrund des Wahlergebnisses, das die bisher mitregierende SPD als großen Verlierer auswies. Weber hat es seitdem auch in der täglichen politischen Arbeit verstanden, Kernthemen der Grünen zu besetzen, zumindest durch Präsenz auf Veranstaltungen und schicke Fotos in sozialen Medien, sei es im Klimaschutz oder in der Mobilität.

Sie tut sich aber mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst und die dann bereits wieder näher rückende Kommunalwahl schwer, ihre CSU-Politik "mit stark grüner Handschrift", wie sie es einmal formulierte, öffentlich zu verkaufen. Wenn Ministerpräsident Markus Söder die Grünen als Hauptgegner stilisiert und zur Zielscheibe der CSU-Kampagne macht, ist es auch für Weber in Augsburg ratsam, konservativere Töne anzuschlagen.

Wobei die Zusammenarbeit bei den großen Themen ja funktioniert: die teure Sanierung des Staatstheaters, die Mobilitätsdrehscheibe am Hauptbahnhof, der seit Jahren saniert wird. Was den Klimaschutz anbelangt, sind die Beschlüsse nun teils sogar strenger als das, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Augsburg hat unter anderem eine Solarpflicht auf Neubauten verabschiedet. Die Grünen haben sehr viel mehr Punkte ihres Wahlprogramms umgesetzt, als das Beobachter zu Beginn der Koalition für möglich gehalten hätten. So sollen stadteigene Flächen seit kurzem vorrangig ökologisch bewirtschaftet werden. Das ist nichts, was die Koalition nachhaltig beeinträchtigen wird. Aber es zeigt, dass die Grünen im Koalitionsvertrag durch Detailarbeit ein paar Themen gesetzt haben, die die CSU so gar nicht richtig auf dem Schirm hatte - und die sie nun entsprechend nervt.

Die "unnatürlichen Partner", wie es CSU-Fraktionsvorsitzender Leo Dietz formuliert, hätten sich "in bemerkenswerter Weise zusammengerauft, um Verantwortung für die Stadt zu übernehmen". Es sei aber auch in Ordnung, da ist er sich mit seinen Pendants von den Grünen Verena von Mutius-Bartholy und Peter Rauscher einig, dass unterschiedliche Schwerpunktsetzungen nun mehr zur Geltung kommen werden. Ein Bruch der Koalition stehe nicht zur Debatte, sagt Mutius-Bartholy, außer es werde an Grundfesten des Koalitionsvertrags gerüttelt.

Augsburg hat einen großen Sanierungsstau, auch bei den Schulen. Da bleibt in der notorisch klammen Stadt kaum Spielraum für neue Großprojekte, die nachhaltigen Eindruck hinterlassen, so wie Webers Vorgänger Kurt Gribl mit dem Umbau des Königsplatzes und des Bahnhofs ein Erbe hinterlassen hat. Insofern bleibt der Oberbürgermeisterin kaum etwas anderes übrig: Als Ziel für die verbleibenden drei Jahre schwarz-grüne Regierung ruft sie aus, dass die Stadt funktioniert - etwa mit sanierten Straßen und einer effizienteren Verwaltung. "Das wünschen sich die Bürger nach Jahren der Pandemie." Da werden sie sich dann allerdings auch in der Koalition daran messen lassen müssen: Streit im Rathaus hat noch selten eine Stadt und ihre Bürger vorwärts gebracht.

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