Atommüll:"Das ist eine enorme Verunsicherung für die nächsten Jahre"

Castor-Behälter in einem Zwischenlager

Wohin mit dem strahlenden Müll? Im Kernkraftwerk Gundremmingen stehen Castor-Behälter mit verbrauchten Kernbrennstäben.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)

Ministerpräsident Markus Söder lehnt strikt ab, dass zwei Drittel Bayerns für ein Endlager infrage kommen sollen. Im Bayerischen Wald fühlt man sich zudem noch von tschechischer Seite bedroht.

Von Viktoria Großmann und Christian Sebald

Man hätte fast meinen können, der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder wäre kalt erwischt worden davon, dass die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) so viele Gebiete in Bayern ins Visier nimmt. "Das ist eine enorme Verunsicherung für die nächsten Jahre", sagt Söder am Montag auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz. "Fast zwei Drittel Bayerns sind betroffen, das sind acht Millionen Menschen." Daraufhin zählt er alle Regierungsbezirke auf, die in dem Bericht der BGE genannt sind - alle sieben. "Das ist die maximale Spannbreite dessen, wo wir in Bayern diskutieren würden." Es folgt die Breitseite gegen die BGE. Wenn man derart ausführlich über das Endlager diskutiere, frage er sich, warum man "Gorleben fundamental ausschließt", stichelt Söder. Das sei eine "Schwäche in der Diskussion". Schließlich habe man den Salzstock in Niedersachsen jahrzehntelang erforscht.

Zwar erklärt Söder auch, dass sich Bayern dem weiteren Suchprozess für den Endlager-Standort nicht verschließen und es "keine Totalblockade" geben wird. Aber seine erste Reaktion macht die Pole klar, zwischen denen sich der bayerische Beitrag bei der Suche bewegen wird. CSU und Freie Wähler (FW) werden bei ihrem harten Kurs bleiben. Er lautet: "Wir sind überzeugt, dass Bayern kein geeigneter Standort für ein Atomendlager ist." So hat es bisher eine jede Staatsregierung gehalten. So steht es im Koalitionsvertrag von CSU und FW von 2018. Und so hat es Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) in den vergangenen Wochen permanent wiederholt. Auch die Fokussierung auf Gorleben ist nicht neu. Glauber hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass es in seinen Augen "sinnvoller gewesen wäre, den Standort Gorleben weiter zu untersuchen".

Erstaunlich ist freilich, dass die Staatsregierung sich so überrascht gibt vom BGE-Bericht. Experten in den Behörden des Freistaats haben seit Jahresanfang prophezeit, dass sich die neue Debatte nicht mehr nur auf den Bayerischen Wald und das Fichtelgebirge beschränken wird. Sondern wenigstens alle Gebiete nördlich der Donau umfassen wird. Der Grund ist das Granitgestein dort. Nach dem Standortauswahlgesetz (Stand AG) von 2017 kommt nämlich nun auch Granit für ein Endlager infrage. Das Gestein kommt praktisch überall in Nordbayern vor, selbst wenn es großteils Hunderte Meter tief unter der Erdoberfläche liegt.

Doch egal um welche Regionen es geht, Söder wird mit aller Macht dagegenhalten. In seinen Worten: "Heute ist der Auftakt zu einer lebhaften Debatte. Wir werden sie mit langem Atem und guten Argumenten begleiten und uns, wo es um Entscheidungen geht, einbringen." Dabei hatte die Staatsregierung dem Suchprozess zugestimmt, als das Stand AG im Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde. Nun, da es umgesetzt wird, sagt Söder, dass ihm die "Fairness" fehle. Er habe das Gefühl, "dass alles nach Bayern gehen soll".

In Tschechien haben sie ein Endlager im Blick - eventuell an der Grenze zu Bayern

Im Bayerischen Wald haben sie die Entwicklung früh kommen sehen. Dort wirken sie nicht so überrascht. "Natürlich haben wir alle gehofft, dass wir nicht dabei sind", sagt Martin Behringer. "Aber man muss realistisch sein. Es war klar, dass sich die BGE die Option für ein Endlager bei uns nicht so schnell nehmen lassen wird." Behringer ist Bürgermeister des 2500-Einwohner-Orts Thurmansbang. Dort setzen sie jetzt auf die Macht der CSU. Behringer: "Sie muss sich klar positionieren, dass unser Granit untauglich ist für das Endlager."

Zumal sie sich im Bayerischen Wald auch noch von tschechischer Seite bedroht fühlen. Dort ist die Regierung von Ministerpräsident Andrej Babiš ebenfalls auf Endlager-Suche. Seit Juni sind vier Standorte im Gespräch, dazu fünf Ersatzstandorte. Einer mit dem Namen Birkenbach liegt nur 80 Kilometer von der Grenze zu Bayern entfernt. Schon seit 18 Jahren kämpfen die Menschen im nahen Dorf Chanovice gegen ein Endlager in ihrer Region. 550 Meter unter der Erde soll Platz für 7600 Behälter mit verbrauchten Brennstäben und 3000 Betoncontainer mit anderem radioaktiven Abfall geschaffen werden.

Es ist der Granitboden, der das Gelände aus Sicht der tschechischen Atommüllbehörde interessant macht. Derselbe Granit, der nun praktisch ganz Bayern nördlich der Donau im BGE-Bericht auftauchen lässt. Bayerns Umweltminister Glauber hält den tschechischen Granit natürlich ebenfalls für untauglich und hat die dortigen Pläne schon kritisiert.

Aber auch die tschechischen Behörden scheinen nicht völlig von dem Granit an dieser Stelle überzeugt zu sein. Ihre Empfehlung vermerkt für Birkenbach eine "angemessene" Beschaffenheit, der Untergrund der drei anderen Orte gilt dagegen als "ausgezeichnet". Ob das Chanovice hilft, weiß die Gemeinde vielleicht schon 2022, wenn sich die Auswahl auf zwei Standorte verengt. 2025 soll dann die Entscheidung fallen. So oder so ist das Atomkraftwerk Temelín nur 70 Kilometer entfernt, und von Abschalten ist nicht die Rede.

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