Architektouren 2024 in Bayern:So schön kann (um)bauen sein

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Der Stadl der Alten Post in Triftern wurde zu einem beeindruckenden Ausstellungs- und Veranstaltungsraum umgestaltet. (Foto: Sebastian Beck)

Bei den Architektouren wird an insgesamt 216 Projekten in ganz Bayern sichtbar, dass Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Barrierefreiheit und Kostenentwicklung entscheidende Faktoren für Neubauten sowie den Bestand sind. Viele der Ideen können damit wichtige Impulse geben.

Von Hans Kratzer

Die Architektouren bieten ihrer Besucherschar alljährlich eine Leistungsschau der bayerischen Architektur, wobei allerdings ein grundsätzliches Dilemma nicht wegzuzaubern ist. Zweifellos stechen sämtliche 216 Bauprojekte, die am Wochenende quer übers Land zu besichtigen sind, mit ihrem Vorbildcharakter heraus. Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass das überstrenge deutsche Baurecht häufig nicht in der Lage ist, den Ansprüchen der Ästhetik gerecht zu werden. Viele Neubausiedlungen und Gewerbegebiete sehen aus wie ein Kraut-und-Rüben-Verhau. Sie wirken wie ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Häusern jeglicher Form und Couleur, vieles wirkt kühl und steril, manches hässlich und im Verbund mit den beliebten Steinflächen sogar lebensfeindlich.

Gut, dass die Architektouren regelmäßig Hoffnungen auf allgemeine Besserung wecken. Die Besichtigungstermine haben ja schon häufig aufgezeigt, dass parallel zum Wildwuchs in den Siedlungen jederzeit Gebäude mit einer vorzüglichen Baukultur bestehen können. Und auch architektonische Ideen, denen man wünschen möchte, dass sie noch mehr Impulse ins weite Land abstrahlen. Das gilt nicht nur für Themen wie Barrierefreiheit und Energieeffizienz, sondern auch für die Entwicklung des Bestands. „Einfach (um)bauen“ lautet das diesjährige Motto der Architektouren, das die Bedeutung des nachhaltigen Planens und Bauens herausstellen soll. Ein sachkundiger Beirat hat sämtliche Projekte ausgewählt, die diesmal präsentiert werden. 

Ein leuchtendes Beispiel ist der Neubau einer Kinderkrippe am historischen Marktplatz im mittelfränkischen Neuhof an der Zenn (Landkreis Neustadt an der Aisch). Obwohl dort ein schönes Baugrundstück am Ortsrand zur Verfügung stand, entschied sich die Gemeinde dann doch für einen Neubau auf einer Brache im Ortszentrum, um auf diese Weise dessen Belebung zu forcieren. Dafür musste zwar eine ortsbildprägende alte Scheune abgerissen werden, aber die Kubatur des neuen Holzbaus orientiere sich formal am Altbestand, wie es der Architekt Jörg Franke (Architekten Stadtplaner Franke und Messmer Part GmbB) ausdrückt. Der klimagerechte Bau, der bereits ausgezeichnet wurde, ist zu besichtigen am Samstag von 15.30 bis 16.30 Uhr und am Sonntag von 11 bis 12 Uhr. 

Die Kinderkrippe in Neuhof an der Zenn wurde bewusst am historischen Marktplatz gebaut, um dort eine Belebung zu erreichen. (Foto: Gerhard Hagen)

Franke erwähnte auf Nachfrage noch, man habe bei dem Projekt eine Verwaltungsvereinfachung praktiziert, wie sie ja auch politisch angestrebt werde. Dies gelang, indem der Holzbau mit Genehmigung der Regierung von Mittelfranken während der Corona-Zeit als GU-Projekt (Generalunternehmer) ausgeschrieben wurde. „So gelang es uns, die geschätzten Kosten zu halten, während in dieser Zeit bei vielen Projekten die Kosten explodierten“, sagte Franke und schob – aus seiner langjährigen Erfahrung heraus – noch einen Vorschlag für eine gute und einfache, auch für Deutschland und Bayern ohne Konflikt mit der EU umsetzbare Verwaltungsvereinfachung nach, nämlich „die durchgängige Liberalisierung des Paragrafen 7 der VOB/A“ (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen). 

78 Bauwerke der diesjährigen Architektouren haben bereits das Prädikat „KlimaKulturKompetenz“ erworben. Dafür wurden mehrere Nachhaltigkeitskriterien geprüft, nämlich Energieeffizienz, Klimaanpassung, Flächensparen und Barrierefreiheit. Welche Projekte sich in welchen Kriterien besonders auszeichnen, ist sowohl auf der Website der Bayerischen Architektenkammer als auch im begleitenden Booklet der Architektouren ersichtlich. 

Besonders die für ihre Nachhaltigkeit ausgezeichneten Projekte lassen erkennen, „dass Architektur mehr ist als Bauwerke zu errichten“, sagt Lydia Haack, die Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer. Insofern definiert sie Architektur als einen „physischen Ausdruck unserer Werte, der ein Wegweiser in die Zukunft sein kann.“ Dass die Besucher bei den Architektouren mit Architektinnen und Architekten, Stadtplanern, Bauherren und Nutzern ins Gespräch kommen, passt natürlich bestens in dieses Konzept.

Heutzutage geht es vor allem um günstiges Wohnen, eine Vorgabe, die zum Beispiel die Stadtbau-GmbH Regensburg im Auftrag der Stadt zu erfüllen hat. Schon seit 1921 ist die Gesellschaft für die Erhaltung und Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen in Regensburg zuständig. Unter anderem soll sie sich um die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend zeitgemäßem Wohnraum zu sozial angemessenen Preisen kümmern. Etwa acht Prozent der insgesamt 93 500 Wohnungen der Stadt Regensburg werden von ihr als Mietwohnungen angeboten. Dazu zählt auch das Wohnhochhaus Alfons-Bayerer-Straße, das 1967 errichtet wurde. Nun wurde das Gebäude saniert, wobei 58 Wohneinheiten modernisiert und via Nachverdichtung 40 Wohneinheiten neu gebaut wurden. 

Das Wohnhochhaus Alfons-Bayerer-Straße in Regensburg wurde 1967 errichtet. Bei der Sanierung wurden Süd- und Westfront mit Photovoltaikflächen belegt, die der Energieerzeugung dienen. (Foto: Philip Molter)

Bemerkenswert ist, dass nun auch die Fassade der Energieerzeugung dient. Zu diesem Zweck wurden die Süd- und die Westfront mit Photovoltaikflächen belegt. Die neue Hülle lässt sich später wieder in ihre Einzelteile zerlegen und wahlweise neu nutzen oder recyceln. Das Projekt wurde nominiert für den Deutschen Bauherrenpreis 2024 in der Kategorie Bauen im Bestand (interdisziplinär verwirklicht vom Architekturbüro Studiomolter, den Energieplanern Nemeth & Stopper und den PV-Experten der Hochschule Rosenheim). Zu besichtigen ist das Gebäude am Samstag und am Sonntag jeweils von 13 Uhr an (Alfons-Bayerer-Straße 2, Regensburg). 

Noch hat das Bauen im Bestand einen schweren Stand. Die Abrissbirne folgt noch viel zu oft dem Argument, das Gebäude könne aus vielerlei Gründen nicht saniert werden, es gehe davon eine Gefahr aus. Ein treffliches Gegenbeispiel ist der Stadl der Alten Post in Triftern (Kreis Rottal-Inn). Hier retteten der Bauherr, der Bildhauer Bernd Stöcker und der Architekt Norbert Paukner einen einsturzgefährdeten denkmalgeschützten Stadl und schufen daraus einen beeindruckenden Ausstellungs- und Veranstaltungsraum, der jetzt ein Forum für regionale und internationale Bildende Künstler, Musiker und Schauspieler bietet. Geöffnet ist der Stadl am Sonntag von 10 bis 12.30 Uhr und von 14 bis 16 Uhr (Graf-Lenberger-Str.13, Triftern). 

Das Booklet und weitere Informationen zu allen 216 Projekten sind im Internet unter www.byak.de/architektouren abrufbar.

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