Gut sind die meisten Zahlen nicht, die Markus Schmitz und die Regionaldirektion der Agentur für Arbeit an diesem Freitag verschickt haben. Im Gegenteil. So ist die Arbeitslosenquote für den Dezember 2024 gestiegen, auf bayernweit 3,8 Prozent, ein Plus von 0,4 Punkten im Vergleich zum Dezember davor. Auch in allen Städten und Landkreisen des Freistaats fällt sie höher aus als ein Jahr zuvor. Aber auch gute Nachrichten gibt es. „Wir haben immer noch einen sehr aufnahmefähigen Arbeitsmarkt“, sagt Schmitz, Chef der bayerischen Arbeitsagenturen und Jobcenter. Und: „Wir haben nicht das Jahr 2005, wir haben das Jahr 2025.“ Massenarbeitslosigkeit? Heute kein Thema, zum Glück. Dafür kommt gerade genug anderes zusammen, das der Wirtschaft das Wirtschaften schwer macht. „Wir blicken in ein sorgenvolles Jahr“, sagt Schmitz.
Denn der Arbeitsmarkt zeigt nun deutlich, wie tief Bayern in einem Strukturwandel steckt. Zuletzt galten 293 189 Menschen hierzulande als arbeitslos – 30 291 mehr als im Dezember 2023. Rechnerisch dürften es in den kommenden Monaten wohl noch ein paar mehr werden. Zu laut und zu regelmäßig ertönen vor allem aus der Industrie die Hiobsbotschaften, Stellenstreichungen inklusive.

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Entsprechend wenig Raum für Optimismus lässt der neue Arbeitsmarktbericht der Regionaldirektion. Auffällig ist demnach unter anderem der Anstieg in der Arbeitslosenversicherung. Sie wurde von 21 323 Menschen mehr als im Vorjahr bezogen, ein Plus von 16,3 Prozent – „ein typisches Anzeichen für den anhaltenden Abschwung“ und damit Spiegelbild der Wirtschaftsschwäche. Ähnlich sieht es bei der Kurzarbeit aus. Diese wurde in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres bayernweit für 380 Betriebe und 10 700 Menschen mehr realisiert. Zahlen für das gesamte Jahr 2024 liegen hier noch nicht vor; allerdings dürfte sich die Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte fortgesetzt haben. Auch die Nachfrage nach Personal ging insgesamt zurück, vor allem in der Arbeitnehmerüberlassung und im verarbeitenden Gewerbe.
Trotzdem: Wer das Positive suchen will, kann es finden. Formal befindet sich Bayern immer noch nah an jener Schwelle zur Vollbeschäftigung, von der Volkswirtinnen und Volkswirte ab drei Prozent sprechen. Auch mit Blick auf andere Länder schneidet Bayern gut ab, die Arbeitslosenquote für Deutschland rangiert bei sechs Prozent. Hinzu kommt ein Beschäftigungswachstum trotz Krise. 2024 wurden erstmals mehr als sechs Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Freistaat gezählt. Allein im Gesundheitswesen hat die Zahl der Beschäftigten binnen Jahresfrist um rund 12 000 zugenommen.
Aiwanger gibt sich trotzdem optimistisch
Und so klingen am Freitag die ersten Stellungnahmen teils unterschiedlich, obwohl sie sich im Kern durchaus einig sind. „Bayerns Arbeitsmarkt steht im Bundesvergleich immer noch am besten da“, ist etwa über einer Pressemitteilung von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) zu lesen. Er selbst blicke trotz „Ampel-Chaos“ optimistisch ins neue Jahr, jedoch benötige die Industrie endlich bessere Rahmenbedingungen. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft stellt in ihrer Aussendung hingegen den „Abwärtstrend“ voran: „Jahresende zeigt keine Besserung“, heißt es dort im Titel. Und der Deutsche Gewerkschaftsbund Bayern fordert „wirtschaftspolitische Impulse“: Die Stärke der bayerischen Wirtschaft und des bayerischen Arbeitsmarktes sei kein Selbstläufer.
Wie unterschiedlich die Lage ist, zeigt auch der Blick in die Regionen. In Schweinfurt etwa liegt die Arbeitslosenquote mit 6,7 Prozent deutlich über dem Bayernschnitt – immer noch eine Folge einer Kündigungswelle, die in den 1990er-Jahren über die Stadt hinwegrollte. Auch in Nürnberg (6,7 Prozent), Coburg (sieben Prozent) oder Hof (7,3 Prozent) wirkt der Strukturwandel anders als in den Landkreisen Donau-Ries, Bad Tölz-Wolfratshausen oder Main-Spessart (alle 2,4 Prozent).
Zu weiterer Unwucht im System führt der Fachkräftemangel. Die Generation der Babyboomer geht schneller in Rente, als Schulabgänger und Einwanderer nachrücken. Krisenbedingt sinkt deshalb die Nachfrage nach Personal und bleibt dennoch groß: Branchenübergreifend führten die Arbeitsagenturen und Jobcenter im Bestand zuletzt immer noch 119 825 Stellen.
Ein mögliches Szenario für die Zukunft ist deshalb die Fortsetzung der Vergangenheit: Auf der einen Seite könnte die Arbeitslosigkeit weiter steigen, weil etwa im Autobau Jobs wegfallen – während auf der anderen Seite der Fachkräftemangel in anderen Branchen bestehen bleibt. Dabei sind längst nicht alle Gewerke in der Krise. In Wirtschaftskreisen wird etwa, Stichwort „Zeitenwende“, dem Bereich Rüstung Potenzial beschieden. Geschätzt ein Drittel der wehrtechnischen Industrie Deutschlands sitzt in Bayern. Auch der Pflege und vielen Handwerksberufen dürfte die Arbeit nicht ausgehen – wenn es ganz blöd läuft aber die Menschen, die sie erledigen.

Angesichts dessen dürfte die Frage, wie Beschäftigte für neue Tätigkeiten qualifiziert werden können, künftig noch wichtiger werden. „Das wird uns über viele Jahre begleiten“, sagt auch Regionaldirektions-Chef Schmitz. Es gehe dabei aber nicht darum, Menschen quasi in andere Berufe „umzutopfen“: Weiterqualifizierung werde auch weiterhin anhand persönlicher Neigungen stattfinden. Dazu wollen die bayerischen Arbeitsagenturen und Jobcenter in diesem Jahr 670 Millionen Euro investieren.
Die nächsten Monate ist trotzdem eher mit mehr schlechten als guten Nachrichten zu rechnen. Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geht für 2025 sogar davon aus, dass die Arbeitslosigkeit in Bayern insgesamt stärker wachsen könnte als im Bund. In welche Höhen sich dabei die Arbeitslosenquote schrauben könnte? Da möchte Schmitz keine Prognose wagen. Weitere Lichtblicke erwartet er frühestens zur Jahresmitte 2025.