Es ist kein seltenes Phänomen, dass vor allem Kinder lieber das hätten, was ein anderes Kind hat. Auch beim Essen. Wenn es daheim die schöne selbst gemachte Marmelade aus Himbeeren von eigenen Sträuchern gibt, erscheint das Nutellabrot der anderen umso verheißungsvoller, gerade weil es ungesund, viel teurer und deswegen im Elternhaus verpönt ist. Das war auch schon so, als von Nachhaltigkeit noch lange keine Rede war.
Selbst unnatürlich rosarote Wurst mit Bärchengesichtern schmeckt anderswo unglaublich lecker, weil die natürlich nie gekauft würde, solange es zu Hause die selbst gemachte Leberwurst aus der Hausschlachtung vom Opa gibt. Und erst diese Erfrischungsgetränke. Bei der goldenen Hochzeit der Großeltern ist eine Limo erlaubt, vielleicht sogar ein Spezi, ansonsten gibt es selbst gepressten Apfelsaft. Dieser Neid auf jene, die mit diesen kleinen bunten Saftpäckchen samt Strohhalm in die Schule geschickt wurden oder gar ganz selbstverständlich eine Cola aus dem Schulranzen ziehen.
So war das in den 1990er-Jahren und es gibt Hinweise darauf, dass sich so viel gar nicht geändert hat an der Gefühlslage diesbezüglich auf den bayerischen Pausenhöfen.
Denn die Läuterung setzt üblicherweise erst später ein. Dann, wenn man feststellt, dass der direktgepresste naturtrübe Apfelsaft in Bio-Qualität drei Euro pro Liter kostet und die Leberwurst aus dem Supermarkt um Welten nicht hinreicht an jene vom Dorfmetzger. Und wer weiß schon, was da alles drin ist.
Dann fährt man also wieder heim, insgeheim ein wenig reumütig, und hilft gerne beim Kirschenernten oder beim Heidelbeerensammeln und nimmt hernach dankbar die Marmeladengläser entgegen. Und wer einen Apfelbaum abernten darf, der telefoniert sich durch die Obst- und Gartenbauvereine der Gegend, um noch einen Termin zum Saftpressen zu kriegen. So werden auch an diesem Wochenende überall in Bayern Menschen Schlange stehen mit Kisten und Kartoffelsäcken voller Äpfel und ihren direktgepressten naturtrüben Apfelsaft in Bio-Qualität wie flüssiges Gold nach Hause bringen. Und den Kindern erzählen, dass das doch viel besser schmeckt und außerdem gesünder ist und nachhaltiger - das ist inzwischen nicht mehr wegzudenken aus dem Argumente-Repertoire - als das süße Zeug aus dem Getränkemarkt.
Ungetrübt von der Verballhornung, die der Begriff durch die Beinahe-Gleichsetzung mit einem dialektstarken Politiker erfahren hat.