Hochschulen in Bayern:Aktionsplan gegen Antisemitismus

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Das Palästina-Protestcamp an der Ludwig-Maximilians-Universität in München ist Wissenschaftsminister Blume und dem Antisemitismusbeauftragten Spaenle ein Dorn im Auge. (Foto: Robert Haas)

Weil sich das Klima für Jüdinnen und Juden an Bayerns Unis massiv verschlechtert habe, ernennt Wissenschaftsminister Blume eigene Antisemitismusbeauftragte und plant eine Gesetzesänderung.

Von Anna Günther

Mit einem Aktionsplan gegen Antisemitismus will die Staatsregierung gegen Judenfeindlichkeit an Bayerns Universitäten und Hochschulen vorgehen. „Wir wollen klarmachen, dass wir an der Seite der jüdischen Lehrenden und Studierenden stehen“, sagte Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) am Montag in München. Es gelte ein „Null Toleranz-Ansatz“.

Der Aktionsplan umfasst fünf Punkte: Neben verstärkter Prävention, deutlich mehr Forschung zu Antisemitismus und Bildungsangeboten an den Hochschulen sind regelmäßige Gespräche mit jüdischen Studierenden und Lehrenden geplant. Zudem soll die verstärkte Zusammenarbeit von Hochschulen mit Polizei, Justiz und Politik wie ein „Bollwerk“ wirken. Darüberhinaus gibt es künftig an jeder der 33 Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Kunsthochschulen in Bayern eigene Antisemitismusbeauftragte.

Sind Bayerns Unis und Hochschulen also ein Hort des Antisemitismus? Manch Hochschulvertreter fühlte sich zuletzt ungerecht behandelt, es gebe in Bayern doch keine Berliner Zustände, hieß es. Offen sagt das freilich niemand. Tatsächlich gibt es nur wenige Vorfälle an den Hochschulen im Freistaat, die strafrechtlich relevant sind. Michael Weinzierl, Beauftragter der bayerischen Polizei gegen Hasskriminalität sowie Antisemitismus und Koordinator der Fortbildungen für die neuen Antisemitismusbeauftragten, spricht von etwa zehn strafrechtlich relevanten Fällen. Aber die Frage sei, „was ins Hellfeld kommt, was uns erreicht“.

Das klingt wenig bei insgesamt 405 300 Studierenden in Bayern. Konkrete Zahlen dazu, wie viele davon jüdischen Glaubens sind, gibt es nicht. Aber – das berichten Minister Blume wie Ludwig Spaenle, Antisemitismusbeauftragter der Staatsregierung (CSU) – seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel und dem darauffolgenden Krieg habe sich die Situation an den Hochschulen verschärft. Und es gehe gar nicht so sehr um die objektive Lage, sondern um das Grundrauschen, also um ein subjektives Sicherheitsgefühl der jüdischen Studierenden und Dozenten. „Das hat sich dramatisch verschlechtert, da ist viel Hass, viel Hetze und ganz viel offen zur Schau getragener Antisemitismus“, sagte Blume. Die Hochschulen seien zu einem Ort des „blanken Judenhasses geworden“, sagte Spaenle, Jüdinnen und Juden fürchteten sich an den bayerischen Hochschulen, „das ist in dieser Qualität erstens neu und zweitens nicht hinnehmbar“.

Lutz Edzard, Antisemitismusbeauftragter der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, berichtet zum Beispiel von Studierenden arabischer Herkunft, die in den sozialen Netzwerken dazu aufgerufen hatten, den Verkehr am Israeltag in Fürth zu blockieren. Andere Beispiele waren „sehr viele Hassplakate“, Schmierereien auf den Toiletten, eingeritzte Hakenkreuze, Schmähungen in Whatsapp-Gruppen oder der Parole „from the river to the sea, palestine will be free“, mit der Pro-Palästina-Demonstranten das Existenzrecht Israels infrage stellen. Geografisch begrenzen der Fluss Jordan und das Mittelmeer den Staat Israel. In Bayern gilt diese Parole seit November 2023 als Terrorkennzeichen und kann nach Paragraf 86a Strafgesetzbuch mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden.

Konkrete Zahlen lieferte am Montag die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) Bayern: Demnach hatte es in den sechs Monaten nach dem Oktober-Massaker 527 antisemitische Vorfälle mit Bezug zu Israel gegeben. Im Vorjahr waren es 43, das ist laut Rias-Bayern-Leiterin Annette Seidel-Arpacı ein Zuwachs um 1125 Prozent.

Markantestes Beispiel für Antisemitismus an Bayerns Hochschulen ist für Spaenle und Blume das Pro-Palästina-Camp vor der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Blume nannte es einen „echten Ort der Schande“. Für Spaenle ist es ein „echtes Problem, dass neben der Möglichkeit, sich für Palästina einzusetzen, antisemitischer Dreck verbreitet wird“. Dass dieses Camp von der Versammlungsfreiheit geschützt ist, missfiel Blume und Spaenle offensichtlich. „Leider kommt man auf dem Rechtsweg gegen das Camp nicht weiter“, sagte der Minister und deutete an, andere Wege gehen zu wollen.

Die Justiz habe „rechtliche Grenzen“, erklärte Oberstaatsanwalt Andreas Franck, der zentrale Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Justiz. Zum Beispiel, „wenn die Verwaltungsgerichte mal so und mal so entscheiden.“ Aber auch, wenn Jüdinnen und Juden erzählten, dass sie sich unwohl fühlen, wenn sie in der Uni sind, oder böse Blicke ernten, weil sie Hebräisch sprechen wie es seiner Aussage nach Charlotte Knobloch, der Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern, mit ihrer Enkelin in der U-Bahn passiert ist, dann könne die Justiz zwar Ansprechpartner sein, aber nicht rechtlich einschreiten. Mit den Antisemitismusbeauftragten an den Hochschulen werde nun eine „Lücke“ geschlossen.

Eine andere Lücke will Wissenschaftsminister Blume mit einer Novelle des Hochschulinnovationsgesetzes (HIG) schließen: Bei Vorfällen unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit sollen Uni- und Hochschulleitungen künftig ordnungsrechtliche Maßnahmen nutzen können, die neu im HIG verankert werden. Noch in diesem Jahr soll ein Entwurf im Kabinett behandelt werden.

Dabei sei die Exmatrikulation von Studierenden die „ultima ratio“. Die Hürden hierfür sind hoch, denn ein Ausschluss vom Studium berührt das Grundrecht auf Berufsausübung. Beispielsweise sollen Studierende oder Hochschullehrer, die antisemitisch auffallen, auch von Veranstaltungen ausgeschlossen werden können oder über längere Zeit die Unis nicht betreten dürfen.

Um die Antisemitismusbeauftragten der Hochschulen fit zu machen für die neue Aufgabe, werde es spezielle Workshops geben, sagte Weinzierl, der Antisemitismusbeauftragte der Polizei. Darin lernen sie unter anderem mit Rollenspielen, wie sich Juden und Jüdinnen fühlen, wenn sie in der Uni angemacht werden. Außerdem sollen die Beauftragten erfahren, wo sie sich Hilfe suchen oder Betroffene hin verweisen können. Das „Herzstück“ des Aktionsplans ist für den Kriminaloberrat die Zivilcourage aller Studierenden. Es gehe darum, einen „Geist“ zu schaffen, dass es nicht akzeptabel ist, wenn Studierende in Bayern mit Angst zur Uni gehen.

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