Best of Bayern: Amigo-Affäre von Max StreiblAls Bayerns Ministerpräsident wegen kostenloser Flugreisen zurücktreten musste

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Im Februar 1993 war Ministerpräsident Max Streibl (stehend) noch im Amt. Dann musste er wegen der Amigo-Affäre gehen.
Im Februar 1993 war Ministerpräsident Max Streibl (stehend) noch im Amt. Dann musste er wegen der Amigo-Affäre gehen. (Foto: imago stock&people/Werek)

Am politischen Aschermittwoch 1993 grüßte der damalige Ministerpräsident Max Streibl die Gäste noch mit „Saludos Amigos“. Drei Monate später musste er wegen der Amigo-Affäre zurücktreten. Zum 80. SZ-Jubiläum hier der Originaltext vom 28. Mai 1993.

Von Christiane Schlötzer-Scotland

Erstmals ist in Bayern ein Ministerpräsident der CSU zurückgetreten, weil er das Vertrauen seiner Partei in einen künftigen Wahlsieg verloren hat. Vor dem Landtag erklärte der 61-jährige Max Streibl am Donnerstag, er lege „sein Amt“ in die Hände des Parlaments „zurück“. Mit dem Regierungschef trat sein gesamtes Kabinett zurück. Streibl, der im Oktober 1988 die Nachfolge des verstorbenen Franz Josef Strauß angetreten hatte, rechtfertigte seinen Schritt mit dem „Schaden“, der dem Amt des Ministerpräsidenten durch eine „beispiellose Kampagne“ in den letzten Monaten entstanden sei. Streibl machte erneut deutlich, daß er sich selbst keiner Schuld bewußt sei. „Die Vorwürfe, die seit Januar gegen mich erhoben wurden, entbehren jeder Grundlage“, betonte er vor den Abgeordneten in einer 20-minütigen Erklärung.

Streibl war auch innerparteilich unter heftigen Druck geraten, nachdem bekannt wurde, daß er sich von dem Flugzeughersteller Burkhart Grob auf Fernreisen hatte einladen lassen. Die Kritik an Streibl reichte aber auch in der CSU weiter. Die Partei traute ihm zuletzt nicht mehr zu, 1994 noch einen erfolgreichen Wahlkampf zu bestehen. 1990 hatte die CSU mit Streibl ein Landtagswahlergebnis von 54,9 Prozent erzielt. Nachfolger Edmund Stoiber, der heute im Landtag in das Amt des Ministerpräsidenten gewählt wird, hat schon betont, er wolle für die CSU wieder die absolute Mehrheit erringen und werde diesem Ziel „alles unterordnen“.

Landtagspräsident Wilhelm Vorndran (CSU), der seinen eigenen Stuhl im Rahmen der Kabinettsneubildung verteidigen will, eröffnete die historische Stunde des Parlaments mit den schlichten Worten: „Der Ministerpräsident hat um das Wort für die Abgabe einer Erklärung gebeten.“ Streibl erinnerte darin dann noch einmal an die Stationen seines 30-jährigen Politikerlebens. Aus seiner Zeit als Regierungschef hob er die Vollendung von Großprojekten – des Rhein-Main-Donau-Kanals und des Münchner Flughafens – hervor. Die CSU spendete 60 Sekunden Schlußapplaus und nur einmal Zwischenbeifall, als Streibl seine „klare Wertorientierung“ bekannte.

Die Opposition verzichtete auf eine Generalabrechnung mit Streibl. Sie zollte dem Politiker auch Respekt für sein langes Wirken. SPD-Fraktionschef Albert Schmid ließ sich aber nicht nehmen, Streibl darauf hinzuweisen, daß die „Kampagne“ gegen ihn in den letzten Monaten auch von der eigenen Fraktion geführt worden sei. Schmid würdigte Streibls Leistungen als erster Landesumweltminister in der Bundesrepublik.

Die Grünen vermißten in Streibls Abschiedsworten das „Eingeständnis von Fehltritten“, die in Wahrheit sein Amt belastet hätten. Grünen-Sprecherin Ruth Paulig forderte, der Landtag müsse mit einer Debatte über politischen Stil Konsequenzen aus der Tatsache ziehen, daß fast 40 Jahre Macht in Bayern die CSU in den„Dunst von Freundschaften und Spezis zur gegenseitigen Begünstigung“ gebracht hätten. Streibl, der sich mit Handschlag von den Fraktionschefs der SPD und der FDP verabschiedete, verweigerte den Grünen diese Geste. Die CSU quittierte das mit donnerndem Applaus.

Auch FDP-Fraktionschef Jürgen Doeblin forderte erneut einen Ehrenkodex für Politiker. Beifall von seiten der CSU erhielt Doeblin, als er die „verdruckste und spießbürgerliche Haltung“ von Denunzianten kritisierte, die versucht hätten, den CSU-Vorsitzenden Theo Waigel unter Hinweis auf sein Privatleben öffentlich anzuschwärzen.

Edmund Stoiber kündigt die Motive seiner ersten Regierungserklärung an: „Gelassenheit, Mut und Bescheidenheit“

Alle Oppositionsredner hatten für Streibl auch persönliche Wünsche parat, die allerdings nicht ohne Anspielungen auf die Amigo-Affäre blieben. So wünschte Schmid dem zurückgetretenen Regierungschef „echte Freunde“ und, „daß die Phase der Bitterkeit nicht allzu lange andauert“. Ruth Paulig empfahl Streibl „Erholung und Entspannung bei Wanderungen in den Oberammergauer Bergen“. Doeblin begnügte sich mit „Gesundheit und Wohlergehen“.

CSU-Fraktionschef Alois Glück würdigte Streibl ausführlich als Konservativen, dessen Politik nie das „modisch Progressive“ gesucht habe. Er unterstrich Streibls Verwurzelungen in Heimat und Tradition, seine Leistungen in der Finanzpolitik und die Form, in der er nach dem Tod von Strauß Stabilität für die CSU garantiert habe. Streibls Verdienste um die Idee des Föderalismus in der Europa- Politik nannte Glück „historisch“. Nach der gut eineinhalbstündigen Aussprache verließ Streibl, der Abgeordneter bleiben wird, den Saal.

Max Streibl (links) bei der Übergabe der Amtsgeschäfte in der Staatskanzlei an Edmund Stoiber.
Max Streibl (links) bei der Übergabe der Amtsgeschäfte in der Staatskanzlei an Edmund Stoiber. (Foto: Frank Mächler/dpa)

Der Landtag ging dann ohne Pause zu seiner üblichen Tagesordnung über. Behandelt wurde die Erste Lesung eines Entwurfes zur Änderung des Bayerischen Feuerwehrgesetzes. Viele Abgeordnete, besonders der CSU, hielt es aber nicht mehr auf ihren Stühlen. In den Wandelgängen vor dem Plenarsaal scharten sich viele um den „Neuen“. Edmund Stoiber verkündete derweil in Kameras und Mikrophone Leitmotive für seine erste Regierungserklärung: „Gelassenheit, Mut und Bescheidenheit.“

Einige Abgeordnete der CSU zeigten auch „Wehmut“ angesichts der Stunde. SPD-Fraktionschef Schmid empfand vor den Saaltüren „fast Mitleid mit Streibl, weil er die Welt nicht versteht“. Die Grünen sahen dagegen in der Verweigerung des Handschlags den „letzten Fehltritt“ Streibls.

Auf der Besuchertribüne hatte eine von Landtagspräsident Vorndran eingeladene Gruppe aus Unterfranken die Gelegenheit, die außergewöhnliche Stunde im Landtag mitzuerleben. Zu der Gruppe gehörte auch der Würzburger Domkapitular Wilhelm Heinz, der sich seine eigenen Gedanken zur Amigo-Affäre gemacht hat. „In allen Ämtern“, so der Kirchenmann, müsse man darauf achten, „daß aus einer herausgehobenen Stelle nicht Bevorzugungen werden“. Sonst empfand es die Gruppe „fast als Geschenk“, in so einer „geschichtsträchtigen Stunde“ dabei gewesen sein zu dürfen. „Wir haben uns ja schon vor einem Jahr angemeldet.“

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