Gesundheit:Die Technik pflegt mit

Lesezeit: 3 Min.

Pflegen kann der Roboter Pepper nicht, aber er ist unterhaltsam. (Foto: Nina von Hardenberg)

Vom intelligenten Bett bis zum Unterhaltungsroboter: Auf der Altenpflegemesse in Nürnberg zeigen Anbieter Innovationen, die das Leben im Alter leichter machen sollen.

Von Nina von Hardenberg

Heimlich nachts aus dem Bett schleichen und in der Küche die Schokoladenvorräte plündern - das geht im Pflege-Haushalt der Zukunft nicht mehr. Das Bett selbst würde einen verpetzen. Scheinbar harmlos und gemütlich mit lila Kissen bezogen steht das neuartige Überwachungsinstrument auf der Altenpflegemesse Nürnberg im Ausstellungsraum der Firma Wissner-Bosserhoff, Europas größtem Pflegebettenhersteller, wie ein beflissener Messevertreter referiert. Das Bett, so erklärt er, misst nicht nur, ob jemand in ihm liegt, sondern auch wie viel der Mensch wiegt, wie oft er sich dreht. Und es kann die Daten direkt in die Pflegedokumentation einspeisen.

Willkommen auf der Nürnberger Pflegemesse 2023. Drei Tage stellen hier etwa 560 Aussteller ihre neuesten Produkte vor. Aus Bayern sind große Firmen wie das Nürnberger Software-Unternehmen Datev mit seinen 8500 Mitarbeitern und 1,2 Milliarden Euro Umsatz genauso vertreten wie das 220 Mitarbeiter starke Familienunternehmen Hans Müller Medizintechnik. Es findet sich dort aber auch der Schreinerei-Betrieb Furnawo aus der Nähe von Bayreuth, der Kochinseln auf Rädern zimmert, die man bis in die Bewohnerzimmer reinschieben kann. Oder das Münchner Start-up-Unternehmen Enna. Einer der Gründer hat einen einfachen Weg ins Internet erfunden, den auch seine Oma bedienen kann.

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Nichts aber zeigt die neuen Trends der Pflege so deutlich wie das Bett: Als innovativ galt früher, wenn sich ein Pflegebett bodentief herunterfahren ließ. Rutschte ein Mensch von der Matratze, tat er sich so nicht weh. Heute dagegen kann das Bett selbst Alarm schlagen, wenn der Bewohner rausfällt, aber eben auch, wenn er Gewicht verliert oder unruhig schläft. Die komplette digitale Überwachung ist angesagt.

Hier schläft derzeit keiner: "Out" steht in der gelben Anzeige auf dem Monitor hinter diesem Bett. (Foto: Nina von Hardenberg)

Auf der Messe betonen die Firmen freilich die Vorteile, die das für Heime wie auch die alten Menschen selbst birgt. Das Bett nimmt den Pflegekräften die lästige Dokumentation ab. Und mit Überwachung traut sich ein alter Mensch vielleicht länger alleine zu leben. So argumentieren auch Vertreter der Firma Gigaset. Die frühere Siemens-Tochter, bekannt für ihre Festnetztelefone, stellt in Nürnberg eine Art Raumüberwachungssystem vor. Sensoren messen Bewegungen und können so Angehörige warnen, wenn die Großmutter zu ungewöhnlichen Zeiten spazieren geht.

Eine derartige Kontrolle mag nicht jedem liegen. Konzepte aber, wie auch alte Menschen möglichst lange alleine zu Hause leben können, sind dringend nötig. Die Babyboomer-Generation erreicht die Rente und damit wächst die Zahl der alten Menschen in Deutschland. Darauf weist auch die Pflegebeauftragte der Bundesregierung Claudia Moll hin, die für einen kurzen Auftritt auf der Eröffnungsfeier aus Berlin angerauscht kommt. Waren Ende 2021 etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig, so könnten es nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes bis 2055 etwa 6,8 Millionen werden. Schon jetzt aber gibt es zu wenig Pflegekräfte, um die alten Menschen zu versorgen. Gegen intelligente Technik, wie etwa den Unterhaltungsroboter Pepper, habe sie nichts einzuwenden, sagt Moll, die Pflegekräfte aber könne das niemals ersetzen.

Pepper ist ein Roboter der Firma Aldebaran, der bereits in 70 Pflegeheimen die alten Menschen bespaßt. Auch in Nürnberg findet er schnell sein Publikum, als er anbietet, das Alter der Vorbeigehenden zu schätzen. "Du bist 27 Jahre alt und ein Mädchen", erklärt er einem erstaunten jungen Mann mit Mütze.

Zehn Stunden am Stück wischt dieser Putzroboter - ganz ohne Kaffeepause. (Foto: Nina von Hardenberg)

Mit "Servus" und "Hallo" heischen auf der anderen Seite des Raumes auch noch die Putzroboter der Firma Kenter um Aufmerksamkeit. Auch sie wischen bereits durch die Flure des Klinikums Nürnberg Nord, bis zu zehn Stunden am Stück, ganz ohne Kaffeepause. Auch sie aber putzen nur und pflegen nicht, wie der Vertreter betont.

Die echte Pflege, sie bleibt auch in Zukunft Aufgabe der Menschen, so wirkt es in Nürnberg. Man solle darum besser aufhören, diesen Beruf ständig so schlechtzureden, mahnt die Pflegebeauftragte Moll. Sie muss dann schnell zurück nach Berlin, dabei hätte sie auf der Messe durchaus noch positive Pflege-Geschichten finden können. Aus einem Stand etwa dringt derart lautes Vogelzwitschern, dass die Besucher unwillkürlich reinschauen müssen. Drinnen zeigt ein Video saftig grüne Bäume, eine glockenhelle Frauenstimme singt Volkslieder.

Friederike Bähr ist mit ihren Waldvideos für Demenzkranke zum ersten Mal auf der Messe. (Foto: Nina von Hardenberg)

Die Stimme kommt von Friederike Bähr, einer auf Demenzpatienten spezialisierten Pflegerin und Sozialpädagogin, die während Corona begonnen hat, Waldvideos zu drehen. Erst testete sie die Videos in einem Heim im unterfränkischen Marktheidenfeld. Jetzt ist sie erstmals auf der Messe, um sie auch anderen Heimen anzubieten. Die Bewohner mögen ihre Filme, sagt sie. Die Waldbilder beruhigen sie, die Lieder regen sie zum Mitsingen an. Genauso wichtig aber seien diese für die Pflegekräfte, die über die Filme und die Lieder wieder mit den Menschen, die sie pflegen, in Kontakt kommen.

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