Streng geschützten Gebirgsbach umgegraben:Streit um das Rappenalptal: "Und ich werd hintnach als Krimineller dargestellt"

Streng geschützten Gebirgsbach umgegraben: Aus einem wild mäandernden Gebirgsbach ist ein Rinnsal in einem schmalen Kiesbett geworden: Der Rappenalpbach, nachdem ihn die Alpbauern kanalisiert und begradigt haben.

Aus einem wild mäandernden Gebirgsbach ist ein Rinnsal in einem schmalen Kiesbett geworden: Der Rappenalpbach, nachdem ihn die Alpbauern kanalisiert und begradigt haben.

(Foto: Udo Schmitz/dpa)

Bei dem Naturfrevel im Oberallgäu bezichtigen sich nun die Alpbauern und das Landratsamt gegenseitig der Lüge. Eine erste Gerichtsentscheidung stärkt indes die Kreisbehörde.

Von Christian Sebald, Oberstdorf

Im Streit um die Zerstörung des Rappenalptals überziehen sich die Almbauern und die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller (Freie Wähler) inzwischen mit schweren Vorwürfen. In einem Interview mit dem BR bezichtigt der Vorsitzende der Alpgenossenschaft und Oberstdorfer Hotelier, Hannes Thaumiller, Baier-Müller der Lüge: "Dass die Landrätin nun in der Öffentlichkeit die Tatsachen so verdreht und sich in ihren Lügen verstrickt, welche Schäden daraus für die gesamte Alpwirtschaft, unsere Existenz, für meine Familie und mich entstanden sind, das ist nicht wieder gut zu machen."

Baier-Müller konterte darauf: "Gegen Thaumiller ist ein Strafermittlungsverfahren wegen Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete anhängig. In einer solchen Lage ist es nicht angezeigt, über die Presse weiteres Öl ins Feuer zu gießen." Zumal Thaumiller selbst "in mehrfacher Hinsicht nachweislich die Unwahrheit gesagt hat".

Das Rappenalptal im Süden von Oberstdorf zählt zu den Naturjuwelen in Bayern und ist strengstens geschützt. Nach einem Hochwasser im August hatten die Alpbauern den Rappenalpbach, der es durchfließt, ausbaggern und begradigen lassen, sodass von dem ursprünglichen Gebirgstal samt seiner einmaligen Naturvielfalt auf 1,6 Kilometer Länge kaum etwas übriggeblieben ist.

Der Bund Naturschutz, der den Naturfrevel aufgedeckt hat, spricht von den schlimmsten Zerstörungen in einem Naturschutzgebiet seit vielen Jahren. Der Fall wiegt auch deshalb so schwer, weil das Rappenalptal nach deutschem wie europäischem Recht maximal geschützt ist. Von Anbeginn an beteuerte das Landratsamt, dass dort Baumaßnahmen von diesem Ausmaß nicht genehmigt waren und außerdem niemals genehmigungsfähig gewesen wären. Besprochen und abgestimmt waren nach Angaben des Landratsamts einzig kleinere Maßnahmen.

In dem Interview widerspricht Thaumiller der Kreisbehörde entschieden und verweist auf einen Aktenvermerk von ihr nach einer Besichtigung der Hochwasserschäden von August. Auf diesem habe man sich über die Beseitigung der Schäden geeinigt, den Aktenvermerk dazu hätten die Alpbauern als Genehmigung der späteren Bauarbeiten aufgefasst. "Für uns war das eine Baugenehmigung", sagt er. Außerdem erklärt Thaumiller, dass vonseiten des Landratsamts keine Kontrolle der Arbeiten stattgefunden habe. Thaumiller gibt sich "schockiert". Er führe ein Ehrenamt aus, sagt er. "Ich geh zum Landratsamt. Die machen eine Fehlentscheidung. Und ich werd hintnach als Krimineller dargestellt."

Aus Sicht des Landratsamts sind das "Schutzbehauptungen". Thaumiller habe bereits Ende Oktober bei einer Besichtigung des Naturfrevels in Anwesenheit zahlreicher Behördenvertreter selbst eingeräumt, den Rappenalpbach über den mit den Ämtern abgestimmten Umfang hinaus ausgebaut zu haben. Die Position von Landrätin Baier-Müller wird durch eine erste Gerichtsentscheidung gestärkt. Das Verwaltungsgericht Augsburg hat Anfang Dezember einen Eilantrag der Alpbauern gegen die Anordnung abgelehnt, den Hochwasserschutz am Alpbach wiederherzustellen und die Schäden in dem Naturschutzgebiet zu vermessen. Der Beschluss, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, umfasst 38 Seiten und beschäftigt sich ausführlich mit dem Charakter der Arbeiten und der Frage, ob sie genehmigt waren oder genehmigungsfähig gewesen wären.

Das Ergebnis der Richter ist eindeutig. Bei den Baumaßnahmen handle es sich "unzweifelhaft um einen genehmigungspflichtigen Gewässerausbau, der (...) der Planfeststellung durch die zuständige Behörde bedarf", heißt es in der Entscheidung. Das Verfahren hierfür, das extrem aufwendig ist, sei "ganz offensichtlich nicht durchgeführt worden". Das Fazit der Richter: Entgegen der Ansicht von Thaumiller ist der Aktenvermerk, auf den er sich bezieht, keine Genehmigung der durchgeführten Baumaßnahmen und kann auch nachträglich nicht als solche verstanden werden. Thaumiller will diese Entscheidung nicht hinnehmen. Seine Anwälte haben dagegen Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingelegt.

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