Regierungserklärung:Aiwanger nutzt den Landtag für den Wahlkampf

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Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) gibt am Donnerstag eine Regierungserklärung im bayerischen Landtag ab. (Foto: Christoph Trost/dpa)

Der Freie-Wähler-Chef soll über die bayerische Wirtschaft reden, drischt aber nur auf die Ampel-Regierung in Berlin ein. Die Opposition vermisst einen Wirtschaftsminister, der „endlich handelt“.

Von Johann Osel

Ein Gastronom will seinen Parkplatz erweitern, und was dann? Das fragt Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger am Donnerstag im Plenum des Landtags, er hält eine Regierungserklärung für einen „starken Wirtschaftsstandort“. Und der Freie-Wähler-Chef gibt die Antwort selbst: Die Sache mit dem Parkplatz dauere Jahre, erst brauche es ein Gutachten zur Haselmaus, die auf der Fläche angesiedelt sein könnte, dann noch eines zum Laufkäfer. Bis dahin sei China mit einer neuen Fabrik fertig. Das Land müsse „schneller, günstiger, pragmatischer, ideologiefreier werden“, das ist Aiwangers These. Wo er die Hemmnisse dafür sieht, wird schnell klar und war ohnehin schon zuvor klar: keineswegs in Bayern, wo in seinen Augen nach Kräften eine gute Wirtschaftspolitik gemacht werde, sondern natürlich bei der Ampel in Berlin, bei Grünen und SPD. „Höchste Zeit, dass diese Ampel auf Nimmerwiedersehen verschwindet.“

Der fast einstündige Vortrag – Aiwanger trägt wie immer frei vor, ohne Redemanuskript – zieht den Bundestagswahlkampf frühzeitig auf die parlamentarische Bühne. Zur bayerischen Wirtschaftspolitik bietet Aiwanger aber keinen frischen Gedanken, auch wenn er eine fatale Bestandsaufnahme macht: Die Auftragsbücher im Freistaat seien nicht mehr voll, Kurzarbeit, Verunsicherung, Schlüsselindustrien unter Druck. Der Fehler aber – der liege in Berlin. Nur in Berlin.

Zum Beispiel? Eine „Ideologisierung der Wirtschaft“ rügt Aiwanger – wie das neue Auto und die neue Wohnung auszusehen hätten, „welche Branchen gut und welche pfui sind“. Oder das Bürgergeld, „der größte Fehler der gescheiterten Ampel“, das Fehlanreize schaffe und mit dem „Milliarden versickern“. Oder das „ideologische Missverständnis“, man könne einen Industriestandort nur mit Windrädern und Sonne aufrechterhalten. Damit Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck, sagt Aiwanger, „seinen Kai-Sörens mit dem Lastenrad erklären kann: Wir sind aus der Atomenergie ausgestiegen“. Aiwanger bringt damit einen Sprech in den Landtag, den er wohl bei Rechtsradikalen in den sozialen Netzwerken aufgeschnappt hat – seltsame Doppelnamen metaphorisch für Grünen-Anhänger zu verwenden.

Da ist aber der Zwischenruf aus der Opposition – und es gibt viele bei Aiwangers Rede, es wird laut, Landtagspräsidentin Ilse Aigner tadelt den „hohen Geräuschpegel“ – schon längst gefallen. „So ein Schmarrn“, fährt eine Stimme aus den Abgeordnetenbänken dazwischen, „wir haben die Energiekrise gelöst“. Die Urheberin ist im Getümmel nicht zu identifizieren.

Katharina Schulze, die grüne Fraktionschefin, folgt dieser Stoßrichtung: Kaum habe Aiwanger seine Ambitionen für den Bundestag angekündigt, sagt sie, lasse er sich wieder im Landtag blicken. Mit dieser „Wahlkampfrede“ habe er sich nicht dafür qualifiziert. Bayern brauche einen Wirtschaftsminister, „der nicht nur den Standort schlechtredet und nach Berlin schimpft, sondern endlich handelt“. Sie erinnert daran, dass es die Union gewesen sei, mit deren Energiepolitik man sich „an den Rockzipfel von Putin“ gehängt habe. Deutschland habe momentan so viel erneuerbare Energie im Netz wie nie zuvor, Habeck habe das Land „aus den Fängen Russlands befreit“. Schulze wirft Aiwanger, aber auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor, dass diese „das tote Pferd Atomkraft nur reiten, weil sie die Energiewende sabotieren wollen“. Sie sagt es direkt zu Söder auf der Regierungsbank, er ist für die Regierungserklärung und die ersten Reaktionen gekommen.

Die Grünen-Fraktionschefin fordert auch eine „Investitionsagenda“, unter anderem für Bildung und öffentliche Infrastruktur, dazu sei im Bund die Reform der Schuldenbremse nötig. Sie sei sehr froh, dass es bei CDU-Chef Friedrich Merz „erste Lockerungsübungen“ gebe. Dem solle sich Söder nicht verschließen. Der CSU-Chef hatte kürzlich angekündigt, man werde einer Reform der Schuldenbremse nur zustimmen, wenn sie an eine Änderung des Länderfinanzausgleichs gekoppelt sei: „Wir sind die Melkkuh der Nation.“

Die AfD findet, Aiwanger kopiere ihre Positionen „eins zu eins“

Auch SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer fragt: Wo sei Wirtschaftsminister Aiwanger bei akuten Bränden – Insolvenzen und Schieflagen – in Bayern, um zu löschen? Er habe „eine Strategie“ in der Regierungserklärung vermisst. Grießhammer trägt eine Liste mit „zielführenden Lösungen“ für den Freistaat vor: unter anderem einen deutlich aufgestockten Transformationsfonds für Unternehmen. Einen solchen legt die Staatsregierung gerade auf, er ist laut Grießhammer bei der Summe aber nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Die Staatsregierung habe die Energiewende „verschleppt“, auch historisch, mit „Planlosigkeit, Kurzsichtigkeit und einer gehörigen Portion Populismus“. Die SPD wolle konstruktiv daran mitarbeiten, Bayern fit für die Zukunft zu machen. „Allein mit Berlin-Bashing werden wir nicht das bayerische Wirtschaftsproblem in den Griff bekommen, das ist schlicht und einfach zu wenig.“

Beistand erhält Aiwanger an diesem Vormittag vom Koalitionspartner CSU. Fraktionschef Klaus Holetschek sagt, es sei „die DNA“ der Staatsregierung, Probleme zu lösen. Und Ingo Hahn (AfD) findet, Aiwanger beziehe in seiner Regierungserklärung Positionen, die er von seiner Partei „eins zu eins kopiert“ habe. Es sei aber Zeichen „dieser Söder-Aiwanger-Regierung“, das eine zu sagen und das andere zu tun. Die Freien Wähler jedenfalls, glaubt Hahn, werden auch mit dieser Rede und diesem „Wahlkampfgetöse“ nicht in den Bundestag kommen.

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