Verwaltungsgericht München:Verfassungsschutz darf Bayern-AfD weiter beobachten

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Stephan Protschka, Landesvorsitzender der bayerischen AfD, verteidigt den österreichischen Rechtspopulisten Gerald Grosz, der ebenfalls beim Politischen Aschermittwoch als Redner aufgetreten war. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Zumindest vorerst. Das Verwaltungsgericht München lehnte entsprechende Anträge der Partei ab. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren steht noch aus.

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz darf die Landes-AfD weiter beobachten. Das Verwaltungsgericht München lehnte entsprechende Anträge der Partei am Montag ab. Demnach darf der Landesverband auf Basis offen zugänglicher Informationen bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren beobachtet werden. Wann diese erfolge, lasse sich bisher nicht sagen, teilte das Gericht am Montag mit.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begrüßte die Entscheidung. "Das Gericht hat festgestellt, dass es bei der AfD ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Partei gibt: Aus Äußerungen von Parteimitgliedern geht hervor, dass diese Partei die Menschenwürde für Muslime und das Demokratieprinzip außer Kraft setzen möchten", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Zudem zeigen diese Äußerungen, dass Mitglieder der AfD wiederholt gegen die Institutionen und Repräsentanten des Staates sowie demokratische Parteien agitieren." Auch wenn die Äußerungen nur von einem Teil der Mitglieder stammten, offenbare dies einen offenen Richtungsstreit in der AfD, dessen Entwicklung laut Verwaltungsgericht weiter beobachtet werden muss.

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Nachrichtendienstliche Mittel durfte der Verfassungsschutz in Bayern bei der Beobachtung der Bayern-AfD seit einer Entscheidung des Gerichts im Oktober 2022 vorläufig nicht mehr einsetzen. Eine Entscheidung über deren Zulässigkeit traf das Gericht am Montag nicht. Man gehe derzeit nicht davon aus, dass der Verfassungsschutz solche Mittel bei der Beobachtung der AfD einsetze, sagte ein Gerichtssprecher. Daher könne sich der Landesverband auch nicht dagegen wehren.

"Wir lassen den Beschluss rechtlich prüfen und behalten uns weitere rechtliche Schritte vor", teilte der AfD-Landesverband nach Bekanntwerden der Entscheidung mit. Das Gericht habe sich für die Einstufung in Bayern" auf (überwiegend veraltete) Aussagen aus anderen Bundesländern bezogen", hieß es in einer Mitteilung.

Bei der Entscheidung im Oktober 2022 hatte das Gericht dem Landesamt auch vorläufig untersagt, "Öffentlichkeitsarbeit hinsichtlich möglicher verfassungsfeindlicher Bestrebungen der Partei zu betreiben". Am Montag teilte das Verwaltungsgericht nun mit, das LfV dürfe die Öffentlichkeit zumindest über die Beobachtung auf Basis offen zugänglicher Informationen informieren.

Nach Äußerungen von AfD-Mitgliedern "lägen tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor, nämlich die Menschenwürde von Muslimen und das Demokratieprinzip außer Geltung zu setzen", teilte das Gericht mit. "Die Äußerungen zeigten eine fortgesetzte Agitation gegen die Institutionen und Repräsentanten des Staates und gegen die demokratischen Parteien." Auch wenn die Äußerungen nur von einem Teil der Mitglieder stammten und nicht klar sei, ob sie die Meinung der gesamten Partei abbilden, seien sie "jedenfalls Ausdruck eines parteiinternen Richtungsstreits".

Das bayerische Innenministerium hatte im September mitgeteilt, dass die AfD nunmehr auch in Bayern als Gesamtpartei vom Verfassungsschutz beobachtet wird. "Das dient der Aufklärung, inwieweit in der AfD als Gesamtpartei Bestrebungen vorliegen, die den Kernbestand des Grundgesetzes zu beeinträchtigen oder zu beseitigen versuchen", hieß es zur Begründung. Landtagsabgeordnete würden aber nicht beobachtet.

Ein Sprecher des bayerischen Verfassungsschutzes hatte damals aber bereits betont: "Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass die AfD noch nicht als erwiesen extremistisch eingestuft ist." Damit machte er schon vor der jetzigen Entscheidung des Gerichts deutlich, dass dem Landesamt bewusst ist, dass nicht automatisch alle nur denkbaren Maßnahmen jederzeit erlaubt sind.

Die Partei beging vor Kurzem ihren zehnten Geburtstag. In Bayerns AfD ist auch zehn Jahre nach ihrer Gründung interne Unruhe noch immer eine Konstante: Die Landtagsfraktion ist seit Jahren tief gespalten, in der Partei beäugen sich die Lager mit Skepsis und Misstrauen. Seit 2013 hat die AfD im Freistaat auf diese Weise sechs Landesvorsitzende verschlissen - niemand hielt sich bisher länger als zwei Jahre im Amt. In der Landtagsfraktion gab es in fünf Jahren immerhin vier unterschiedliche Führungsduos, zwei Mal sorgte ein Partei- und Fraktionsaustritt eines Fraktionschefs für Schlagzeilen.

Trotz aller internen Querelen ist die AfD in Bayern spätestens seit 2017 eine etablierte Kraft. Nachdem sie in ihrem Gründungsjahr noch nicht bei den Landtagswahlen im Freistaat antrat und das Bundestagswahlergebnis mit 4,3 Prozent eher dürftig ausfiel, holte sie im Bund bei der Wahl 2017 bereits 12,4 Prozent. Es ist das bis dato beste Ergebnis des Landesverbandes in Bayern.

Bei der Landtagswahl 2018 erzielte die AfD 10,2 Prozent, was den Einzug von 22 Abgeordneten ins Maximilianeum bedeutete. Auch hier sorgten interner Zoff und Machtkämpfe aber für Probleme: Aktuell sind wegen Partei- und Fraktionsaustritten nur noch 17 AfDler in der Fraktion. Innerhalb der Fraktion stehen sich seither die Anhänger des gemäßigten nationalkonservativen AfD-Teils und des völkisch-nationalistischen Lagers gegenüber.

Die Vorsitzende der Grünen im Landtag, Katharina Schulze, begrüßte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass die AfD in Bayern weiter vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf. Sie nannte die AfD-Fraktion im Landtag "offen demokratieverachtend, gewaltverherrlichend, Hass und Hetze verbreitend" und sagte: "Die Partei positioniert sich weit außerhalb unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und ist ein Sicherheitsrisiko für unser Land."

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