Die Weilheimer hätten schon Ideen gehabt, wie sich ihr ehemaliges Kino hätte nutzen und wiederbeleben lassen. Im Rathaus sind zuletzt jedenfalls rund 50 E-Mails mit Vorschlägen eingegangen, vom Jugendzentrum bis zur Ausstellungsfläche. Hatte doch scheinbar die Stadt selbst per Amtsblatt bekannt gemacht, dass sie sich mit dem Eigentümer des Gebäudes geeinigt und das Kino selbst gemietet habe, um es nicht der AfD zu überlassen.
Stattdessen wolle man eine „gemeinnützige Kulturstätte“ schaffen, hieß es in der Drucksache weiter, die viele Weilheimer vor fast zwei Wochen in ihren Briefkästen fanden. Als Einsendeschluss für Vorschläge ist der 30. September genannt. Doch schon am Tag nach der großflächigen Verteilung kam via Stadt-Homepage und Lokalzeitung eine neue Nachricht, dieses Mal wirklich von der Stadt: Das Amtsblatt ist eine Fälschung. Und das Problem mit der AfD bleibt echt. Der könnte in Weilheim etwas gelingen, was ihr bisher nirgendwo anders in Bayern gelungen ist, nämlich sich einen Veranstaltungsort mit überregionaler Ausstrahlung einzurichten.

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Die Sorge, dass die AfD das ehemalige „Starlight“-Kino an der Schützenstraße am Rand der Altstadt mieten könnte, trieb manche in Weilheim schon längere Zeit um. Das Kino hatte im August 2024 schließen müssen; der Eigentümer der Immobilie wolle den Mietvertrag nicht verlängern, hieß es damals vom Kino-Betreiber. Dafür hatte jener Eigentümer, ein Immobilienmakler aus Starnberg, für andere Flächen im gleichen Gebäude schon seit einer Weile einen anderen Mieter: Der Kreisverband der mindestens in Teilen rechtsextremen AfD unterhält dort sein „Bürgerbüro“.
Manchen seien da schon Bedenken gekommen, dass die AfD auch das Kino mieten könne, sagt der Weilheimer Grünen-Stadtrat und dritte Bürgermeister Alfred Honisch. Aber der Eigentümer des Komplexes sei seines Wissens für niemanden erreichbar gewesen, weder für ihn persönlich noch für Vertreter der Stadt.
Für die AfD war der besagte Makler offenbar sehr wohl zu sprechen. Denn im Februar bestätigte der AfD-Landtagsabgeordnete Benjamin Nolte öffentlich, dass die Partei das Kino, in dem Platz für rund 200 Besucher ist, schon im vergangenen Herbst gemietet habe.

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Nolte war 2018 Direktkandidat der Partei in Regensburg, hat 2023 im Stimmkreis Weilheim kandidiert und ist dann schließlich über die AfD-Liste in dem Landtag gewählt worden. Er gehört der Münchner Burschenschaft Danubia an, die wegen rechtsextremer Umtriebe vom Verfassungsschutz beobachtet wird, und steht selbst innerhalb der AfD weit rechtsaußen. Im ehemaligen Starlight-Kino wolle die AfD ein „Kulturzentrum“ einrichten, das „als Begegnungsstätte für patriotisch gesinnte Bürger im ganzen Landkreis“ dienen solle, sagte Nolte Anfang Mai dem Weilheimer Kreisboten.
Die aus rund 23 000 Einwohnern bestehende Weilheimer Stadtgesellschaft nahm derlei Nachrichten bisher vergleichsweise ungerührt auf – zu ungerührt für eine Gruppe von AfD-Kritikern, die sich an diesem Montag per Mitteilung über eher linksgerichtete Kanäle dazu bekannt hat, das falsche Amtsblatt verteilt zu haben. Diese Fälschung aber hat die Stadt dann doch in Aufregung versetzt. „Wir bitten die Bürgerinnen und Bürger, sich von solchen Falschmeldungen nicht verunsichern zu lassen“, schrieb der parteifreie Bürgermeister Markus Loth schon in seiner ersten Reaktion auf der Stadt-Homepage.

Inzwischen hat Loth die nach wie vor anonymen Amtsblatt-Fälscher im Namen der Stadt angezeigt. Auch Vertreter der verschiedenen Fraktionen im Stadtrat sind sich in einer entsprechenden Rundfrage des lokalen Weilheimer Tagblatts darin einig, dass eine solche Aktion höchst verwerflich und unbedingt zu verurteilen ist.
Was das offenbar geplante Zentrum der AfD betrifft, so könne die Stadt nun einmal nicht in privatrechtliche Verträge zwischen einem Vermieter und einer nach wie vor nicht verbotenen Partei eingreifen. So lautet der Tenor bei jenen, die sich um diesen Aspekt der Sache überhaupt zu bekümmern scheinen. Zu diesen Besorgten zählt auch Grünen-Stadtrat Alfred Honisch. „Der Reputation der Stadt Weilheim tut das überhaupt nicht gut“, sagt er und kommt zugleich nicht um die zweite Erkenntnis herum: „Das Dumme ist, dass das seinen normalen Marktmechanismus geht.“
Einen normalen Mechanismus, den das Projekt daneben auch noch gehen muss, ist der Genehmigungsprozess nach dem Baurecht. Eine Versammlungsstätte sei an dieser Stelle in der Stadt wohl grundsätzlich nicht ausgeschlossen, heißt es dazu aus dem zuständigen Weilheimer Landratsamt. Nötig sei aber womöglich ein Antrag auf Nutzungsänderung, an den sich etwa die Frage nach den nötigen Parkplätzen für die Besucher knüpfe. Die Weilheimer Stadträte sind mit dem Thema laut Alfred Honisch noch nicht befasst gewesen. Sollten sie ihr Einvernehmen oder das Landratsamt die ganze Genehmigung verweigern, rechnet Honisch nach eigenen Worten mit einer Klage der AfD durch alle Instanzen.
Die allerdings nur fiktiven Stadträte im gefälschten Amtsblatt haben sich unterdessen für ihr zögerliches Verhalten entschuldigt: „Selbstverständlich ist die Relevanz der Thematik für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Weilheim dem Stadtrat bewusst; dieser entschuldigt sich deshalb ausdrücklich, trotz der heiklen Lage nicht früher über die Erkenntnisse informiert zu haben“, heißt es da.
Die Fälscher des Amtsblatts und damit auch dieser Entschuldigung erklären in ihrem offenen Brief vom Montag, dass die Entwicklung in Weilheim ihrer Ansicht nach „nicht nur für die Kreisstadt“ relevant sei. Denn „eine Immobilie größerer Ordnung betreibt die Partei bisher nicht“, heißt es über die AfD. Dass die sich so schwer damit tue, Immobilien zu mieten und überhaupt Orte für größere Veranstaltungen zu finden, sei „bislang ein wirksames Mittel gegen die Verbreitung rechtsextremer Ideologien“. Doch „in Weilheim hätte die Partei in Zukunft die erste Veranstaltungsstätte, über die sie frei verfügen kann“.

